SGKB Investment views: Wenn die Zahlen besser sind als das Gefühl

SGKB Investment views: Wenn die Zahlen besser sind als das Gefühl
Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

St. Gallen – Das Wachstum der Schweizer Wirtschaft im ersten Quartal ist mit 0.6% deutlich höher ausgefallen als erwartet oder teilweise befürchtet. Auf Jahresbasis hat das reale BIP um 1.7% zugenommen, was dem Potenzialwachstum der Schweiz entspricht. Seit dem Ende der Finanzkrise hat die Schweizer Wirtschaft eine fast zehnjährige Wachstumsphase von durchschnittlich ebenfalls 1.7% pro Jahr hinter sich. Der tiefste Wert in dieser Zeit war 2015 mit einem Plus von 0.6%, als die Aufwertung des Frankens nach der Aufhebung des Euromindestkurses ein harter Belastungsfaktor war. Der höchste Wert wurde zwischen Sommer 2017 und Sommer 2018 mit einem aussergewöhnlichen Plus von 3.5% erzielt, als die Schweiz von der guten Nachfrage in der Eurozone profitierte. Die Arbeitslosenrate steht bei tiefen 2.4%, ein Wert der letztmals 2001 erreicht wurde. Zusammengefasst lässt sich feststellen: Uns geht es gut.

Die statistische Geschichtsschreibung steht dabei in einem Widerspruch zur Gefühlslage. Der Konjunkturbarometer des KOF ist seit Anfang 2018 von 110 auf 94.4 Punkte gefallen. Dieser Wert signalisiert ein Wachstum des BIP deutlich unter dem Mittelwert, heisst deutlich unter 1.5%. Einen so tiefen Wert hat der Stimmungsindikator des KOF sonst nur während Rezessionen wie 2002 oder 2009 oder nach massiven Aufwertungsschüben des Frankens wie 2011 und 2015 erreicht. Die Risiken werden aktuell offensichtlich stärker wahrgenommen als die Chancen. Ähnlich ergeht es einem, wenn man die Pressemitteilungen der SNB bei ihren quartalsweisen geldpolitischen Lagebeurteilungen liest. Nach der Beschreibung des Ist-Zustandes folgt seit der Finanzkrise regelmässig der Warnhinweis, dass der politischen und wirtschaftlichen Risiken viele sind und dass sie nach unten gerichtet sind.

Finanzmärkte trotzen der Krisenprognosen
Ähnlich sieht es mit der Entwicklung an den Finanzmärkten aus. Der Swiss Performance Index ist heute 50% höher als 2007 auf dem Höchst vor der Finanzkrise. Die durchschnittliche Bewertung der Aktien ist dabei in etwa gleich hoch wie damals. Dabei wurden die Anleger immer wieder mit Krisenprognosen überschüttet und beunruhigt. Das Ende des Euro wurde an die Wand gemalt. Nach dem Ja zum Brexit und der Wahl von Donald Trump wurden düstere Szenarien gezeichnet. Nun ist es der von den Amerikanern laut geführte Handelskonflikt, welcher immer wieder als Damoklesschwert für die Weltwirtschaft herhalten muss. Bisher hat sich die besagte Weltwirtschaft gegenüber diesen Belastungen aber als resistent gezeigt, was sich unter anderem in sprudelnden Unternehmensgewinnen und steigenden Aktienkursen auswirkt.

Zentralbankpolitik im Krisenmodus
Ein wichtiger Grund für diese Resistenz hat mit der Geldpolitik der Zentralbanken zu tun. Diese steckt immer noch im Krisenmodus und wird durch die Angst vor Turbulenzen an den Märkten geprägt. Exemplarisch dafür stehen Mario Draghi und die EZB, die während der Eurokrise mit ihren Massnahmen den Euro gerettet haben. Seither ist die EZB aber zur Geisel der Finanzmärkte geworden und hat den Moment zum Ausstieg aus der sehr expansiven Geldpolitik verpasst. In der Schweiz passen die Negativzinsen nicht zum soliden Wachstum der Wirtschaft und ihre Auswirkungen machen sich immer stärker bemerkbar. Die SNB betont bei jeder Gelegenheit, dass der Franken zu stark sei, obschon sich die Wirtschaft an das neue Niveau angepasst hat, wie das Wachstum der letzten Jahre zeigt. Und zuletzt hat auch die Fed, die während und nach der Finanzkrise vieles richtig gemacht hat, die Normalisierung ihrer Geldpolitik gestoppt, als die Aktienkurse im vierten Quartal des letzten Jahres 20% verloren haben. (SGKB/mc/ps)

St. Galler Kantonalbank

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