Ägyptische Armee setzt Staatschef Mursi ab

Ägyptische Armee setzt Staatschef Mursi ab

Der starke Mann in Ägypten, Abdel Fatah al-Sisi. (Screenshot)

Kairo – Das Militär hat in Ägypten die Kontrolle übernommen und den bisherigen Staatschef Mohammed Mursi abgesetzt. Die Armee hat eine Übergangsregierung eingesetzt, welche das Land bis zu Neuwahlen führen soll. Die Verfassung, die von den Muslimbrüdern in einem umstrittenen Referendum durchgesetzt wurde, ist vorübergehend ausser Kraft gesetzt.

Verteidigungsminister Abdel Fatah al-Sisi stellte am Mittwoch einen Plan vor, wonach der Chef des Verfassungsgerichts, Adli Mansur, bis zu den Neuwahlen des Präsidenten und des Parlaments die Aufgaben des Präsidenten übernehmen wird. Mansur wurde am Donnerstag Vormittag vereidigt. Bei der Verlesung der Erklärung waren auch Mohamed ElBaradei, der koptische Papst Tawadros und mit Scheich Ahmed al-Tajeb einer der höchsten islamischen Geistlichen des Landes anwesend.

Mursi in Armee-Gewahrsam
Nachdem Präsident Mursi den Aufruf nach einem nationalen Dialog ausgeschlagen hatte, habe die Armee einschreiten müssen, sagte Sisi in seiner Erklärung am ägyptischen Fernsehen. Mit der Rede Mursis am Mittwoch sei deutlich geworden, dass dieser die Forderungen des Volkes ignorieren werde. Nach Angaben seiner Mitarbeiter wurde Mursi von seinen Mitarbeitern getrennt und ins Verteidigungsministerium gebracht. Die Armee hat die Angaben bestätigt.

Die Sicherheitskräfte nahmen nach eigenen Angaben zudem den Führer der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit – des politischen Arms der Muslimbrüder – Saad al-Katatni, sowie den stellvertretenden Chef der Muslimbrüder, Rashad Bajumi, fest. Laut Medienangaben wird nach rund 300 führenden Mitgliedern der Muslimbruderschaft gefahndet.

Bevölkerung zur Ruhe aufgerufen
Sisi rief das ägyptische Volk zur Ruhe auf. Gewalt müsse um jeden Preis vermieden werden. Auch al-Tajeb forderte das Volk zu Harmonie auf. Die Armee habe die richtige Entscheidung getroffen. Friedensnobelpreisträger ElBaradei rief die zerstrittenen politischen Lager zur Versöhnung auf. Die Revolution des 25. Januar 2011 sei an diesem Mittwoch wiederbelebt worden. Auch ein Sprecher des Oppositionsbündnisses Tamarod, das zu den Grossdemonstrationen aufgerufen hatte, trat ans Mikrofon und begrüsste die Intervention des Militärs.

Feiern in Kairo – Zusammenstösse in anderen Städten
In Kairo wurde die Ankündigung mit Freudenkundgebungen begrüsst. Feuerwerksraketen stiegen in den Himmel. Auf dem Tahrir-Platz, wo sich Zehntausende Mursi-Gegner versammelt hatte, feierten die Menschen den Abgang des Präsidenten. Dagegen kam es in der Islamisen-Hochburg Marsa Matruh im Nordwesten des Landes zu Zusammenstössen zwischen Anhängern und Gegnern Mursis. Dabei sollen laut der staatlichen Nachrichtenagentur Mena mindestens sechs Menschen ums Leben gekommen sein. Gewalttätige Zusammenstösse wurden auch aus Kafr El-Sheikh im Nil-Delta gemeldet. Dort wurden einem «Al Ahram»-Bericht zufolge knapp 120 Menschen verletzt. Auch in Alexandria soll es zu Gewalt gekommen sein.

Ultimatum verstrichen
Am Mittwoch Nachmittag war ein Ultimatum der Armee an Mursi verstrichen, worin das Militär dem nun gestürzten Präsidenten bis 17 Uhr Zeit eingeräumt hatte, den Forderungen der Demonstranten nachzukommen und zurückzutreten. Laut ägyptischen Medienberichten wurde Mursi in der Folge um 19 Uhr von der Armee formell abgesetzt.

Obama «zutiefst besorgt» – Gratulation aus Saudi-Arabien
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich besorgt über das Vorgehen der Armee. Militärisches Eingreifen in die Angelegenheiten eines Staates sei immer bedenklich, erklärte er nach Angaben eines Sprechers. Er forderte eine rasche Wiedereinsetzung einer «zivilen Herrschaft in Übereinstimmung mit den demokratischen Prinzipien».

US-Präsident Barack Obama äusserte sich ebenfalls «zutiefst besorgt». Er lasse prüfen, welche rechtlichen Konsequenzen die Entwicklung auf die laufenden amerikanischen Hilfen an den ägyptischen Staat hätten, teilte das Weisse Haus mit. Grossbritannien «unterstützt kein militärisches Eingreifen als Weg, Konflikte in einem demokratischen System zu lösen», erklärte der britische Aussenminister William Hague.

König Abdullah von Saudi-Arabien gratulierte dagegen der neuen Führung in Kairo zur Machtübernahme. Zugleich lobte er die «Weisheit und Vermittlung» des ägyptischen Militärs, das das Land «im entscheidenden Moment gerettet» habe. (mc/awp/ps/pg)

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