Deutschland: Rösler tritt zurück – Lindner will Nachfolger werden

Deutschland: Rösler tritt zurück – Lindner will Nachfolger werden

Philipp Rösler, ehemaliger Vorsitzender der FDP und ehemaliger Wirtschaftsminister Deutschland (Bild: FDP)

Berlin – FDP-Chef Philipp Rösler tritt nach dem Wahldebakel vom Sonntag zurück. Das sagte er am Montagmittag in Berlin nach Beratungen der Parteigremien. Er wolle damit auch die Verantwortung für den «bittersten Abend» nach der Bundestagswahl übernehmen, sagte Rösler.

Als Nachfolger für Rösler hat dessen ehemaliger Generalsekretär und heutiger FDP-Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen, Christian Lindner, die besten Chancen. Rösler bestätigte die Kandidatur von Lindner. «Die Arbeit wird jetzt auf den Schultern natürlich erst mal der Landesverbände liegen», sagte der scheidende Parteichef. Viele dieser Landesverbände hätten gut funktionierende Landtagsfraktionen, die versuchen könnten, die ausserparlamentarische Phase auf Bundesebene zu kompensieren. Rösler appellierte an die FDP-Mitglieder: «Jetzt muss man die Ärmel hoch krempeln.» Die FDP war am Sonntag mit 4,8 Prozent erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik aus dem Bundestag geflogen.

Auch die Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir schlugen den Rücktritt des gesamten Parteivorstands vor.

SPD: Kein Automatismus einer grossen Koalition
Führende SPD-Politiker wollten sich derweil nicht automatisch auf eine grosse Koalition festlegen. Es gebe auch eine schwarz-grüne Option. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles wollte im ARD-«Morgenmagazin» eine grosse Koalition zwar nicht ausschliessen, sagte aber: «Erst einmal gibt es überhaupt keinen Automatismus einer grossen Koalition.» Der stellvertretende Parteivorsitzende, Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz, sagte dem Sender n-tv: «Wenn es Gesprächsbedarf gibt, dann werden wir uns mit aller Ruhe und Zeit darüber Gedanken machen, was wir davon halten, und das kann man jetzt nicht vorhersagen.»

Rot-Rot-Grün rein rechnerisch vor der Union
Merkel hatte die Bundestagswahl mit einem Ergebnis knapp unterhalb der absoluten Mandatsmehrheit gewonnen. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis liegt Rot-Rot-Grün rechnerisch zwar vor der Union. Ein solches Bündnis wird von der SPD aber klar abgelehnt. Realistischste Option ist die Neuauflage von Schwarz-Rot. Möglich wäre auch ein schwarz-grünes Bündnis.

Führende Grünen-Politiker äusserten sich dazu skeptisch. Zudem lehnt die CSU-Spitze eine Koalition mit den Grünen strikt ab, verlautete aus Parteikreisen. CSU-Chef Horst Seehofer wollte sich zunächst auch nicht auf eine grosse Koalition mit der SPD festlegen. «Wir machen jetzt keine Koalitionsspekulationen», sagte er vor einer Sitzung des Parteivorstands in München. «Nach Lage der Dinge ist eine grosse Koalition naheliegend – aber ob es dazu kommt, werden wir sehen.» Man werde jetzt Schritt für Schritt vorgehen. «Jetzt warten wir mal, was bei der SPD geschieht.»

Personaliendebatte auch bei der SPD?
Auch bei der SPD könnte es eine Debatte über Personalien geben, nachdem die Partei ihr Wahlziel, eine rot-grüne Regierung zu bilden, deutlich verfehlt hatte. Partei-Chef Sigmar Gabriel dankte dem Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück dafür, dass er «an Bord» bleibe: «Das ist Deine Partei und Du bist unser Kandidat.»

Özdemir sagte vor der Grünen-Vorstandssitzung am Morgen: «Ein «Weiter so» wird es sicherlich nicht geben.» Er ergänzte: «Dazu gehört eine personelle und eine inhaltliche Neuaufstellung.» Der Grünen-Europaabgeordnete Werner Schulz machte den Spitzenkandidaten Trittin in der «Bild»-Zeitung für das schlechte Abschneiden verantwortlich. «Trittin hat sich zulasten der Grünen profiliert, hat die Finanzpolitik im Wahlkampf in den Vordergrund geschoben, weil er unbedingt Finanzminister werden wollte», sagte Schulz.

Der langjährige Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, kündigte bereits seinen Rückzug von dem Posten an. Die Wahl-Niederlage verlange nach Veränderung. «Das muss jeder selbst entscheiden, wo kann jeder seinen Beitrag leisten.»

Desaströser Absturz der FDP
Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis kam die CDU/CSU auf 41,5 Prozent (2009: 33,8) und legte damit um fast acht Punkte zu. Die SPD verbesserte sich ein wenig auf 25,7 Prozent (2009: 23,0). Die FDP stürzte innerhalb von vier Jahren von 14,6 Prozent auf desaströse 4,8 Prozent ab – und flog damit aus dem Bundestag. Die Grünen verloren leicht auf 8,4 Prozent (2009: 10,7), die Linke verschlechterte sich auf 8,6 Prozent (2009: 11,9). Die AfD kam aus dem Stand auf 4,7 Prozent.

Daraus ergeben sich für CDU/CSU im neuen Bundestag 311 Sitze (2009: 239), für die SPD 192 Mandate (146). Die Grünen bekommen 63 Mandate (68), die Linke 64 Sitze (76). Die bisherige Opposition liegt damit bei 319 Mandaten. Die Wahlbeteiligung legte leicht von 70,8 Prozent (2009) auf 71,5 Prozent zu.

Hessen: SPD auf dem Weg in eine Landesregierung?
Trotz der unklaren Mehrheitsverhältnisse nach der Landtagswahl in Hessen sieht sich die SPD dort auf dem Weg in eine Landesregierung. Gabriel sagte an die Adresse des hessischen SPD-Spitzenkandidaten Thorsten Schäfer-Gümbel: «Du hast jetzt das Problem, das erfolgreiche Leute gelegentlich haben: Du muss jetzt gucken, wie Du daraus in Hessen eine anständige sozialdemokratische Landesregierung machst.» Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis reicht es in Hessen weder für Schwarz-Gelb noch für Rot-Grün. (awp/mc/upd/ps)

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