Brüchige Waffenruhe in der Ukraine

Brüchige Waffenruhe in der Ukraine

Petro Poroschenko, ukrainischer Präsident.

Kiew / Moskau – Im Ringen um Frieden für die Ostukraine hat Präsident Petro Poroschenko gemässigten Separatisten Gespräche angeboten. Einen Dialog mit prorussischen Aufständischen, die «Blut an den Händen» hätten, schloss er aber aus. Kremlchef Wladimir Putin forderte mit Nachdruck ein Ende der Kämpfe und den Beginn von Verhandlungen im Nachbarland. Seit Freitagabend gilt eine einwöchige Feuerpause der ukrainischen Armee. Trotzdem kam es zu Schusswechseln.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande riefen Putin bei einem Telefonat am Sonntag dazu auf, Poroschenkos Friedensplan zu unterstützen. Beide wiesen auf die Bedeutung der Kontrollen an der ukrainisch-russischen Grenze hin, um ein Eindringen bewaffneter Einheiten oder von Transporten zu verhindern, hiess es. Hollande und Merkel hatten wie die USA dem russischen Präsidenten zuvor bereits mit Strafmassnahmen gedroht, sollte Moskau nicht zu einer Deeskalation beitragen.

Armee und Aufständische in der Ukraine warfen sich gegenseitig vor, die Waffenruhe zu missachten. Separatisten hätten im Raum Lugansk einen Grenzposten mit Granatwerfern angegriffen und mindestens einen Soldaten verletzt, teilte ein Militärsprecher in Kiew mit. Militante Gruppen im Raum Donezk sagten wiederum, die Sicherheitskräfte würden weiterhin Stellungen unter Feuer nehmen. Poroschenko hatte den Einheiten einen Schusswechsel nur zur Verteidigung erlaubt.

Putin lässt Truppen-Kampfbereitschaft überprüfen
Für Aufsehen sorgten Meldungen, wonach Putin die Gefechtsbereitschaft der Streitkräfte in Zentralrussland überprüfen lässt. Dabei geht es jedoch um eine standardmässige Überprüfung. Bei Manövern werde zwischen dem 21. bis 28. Juni die Kampfbereitschaft im Zentralen Verteidigungsbezirk geprüft, teilte Verteidigungsminister Sergej Schoigu mit. Der Ort des Manövers im Wehrbezirk Tscheljabinsk am Ural liegt Tausende Kilometer von der russisch-ukrainischen Grenze entfernt. Moskau stand zuletzt wegen einer Truppenkonzentrationen an der Grenze zur Ostukraine in der Kritik. Die Ukraine hatte Russland vorgeworfen, durch die Truppenpräsenz den Konflikt anzuheizen.

«Es muss sicher sein, dass alle Kämpfe eingestellt werden», betonte Putin am Rande einer Zeremonie zum 73. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg. Es gebe «Hinweise», dass die ukrainische Armee sich nicht an die befohlene Waffenruhe halte. Die Feuerpause sei zwar ein wichtiger Schritt zu einer Lösung, und Russland unterstütze dies, sagte Putin in Moskau dem Fernsehsender Rossija 24. Letztlich müsse die Führung in Kiew die schwere Krise im Land aber mit politischen Mitteln lösen.

«Ich bin bereit, mit denen zu diskutieren, die auf Abwegen sind, die irrtümlich separatistische Haltungen eingenommen haben», sagte Poroschenko im ukrainischen Fernsehen. Mit Aufständischen, die «Terrorakte, Morde oder Folter» begangen hätten, sei aber kein Dialog möglich. Die moskautreuen Gruppen wollen jedoch nur unter Vermittlung Russlands mit der Zentralmacht in Kiew verhandeln.

Mehr Eigenständigkeit für den Osten der Ukraine
Poroschenko versprach dem krisengeschüttelten Osten des Landes erneut mehr Eigenständigkeit. Die Kommunen würden nach einer geplanten Verfassungsänderung das Recht haben, neben der ukrainischen Sprache auch Russisch zu verwenden, betonte er. Zudem gebe er einen Teil seiner Vollmachten zur Ernennung von Gebietsverwaltern ab.

Der Frieden habe Priorität, versicherte Poroschenko. Allerdings sei er auch zum Kampf bereit. Die von Aufständischen geforderte Eigenständigkeit der Gebiete Donezk und Lugansk schloss er aus. «Die territoriale Einheit der Ukraine steht nicht zur Disposition.»

Die EU-Aussenminister werden sich an diesem Montag in Luxemburg mit der Ukraine befassen. Entscheidungen über eine mögliche Verhängung von Sanktionen gegen Russland werden dabei jedoch nicht erwartet. Ob die EU-Staats- und Regierungschefs beim Gipfel am Freitag in Brüssel über Massnahmen entscheiden, hänge von der Lage in der Ukraine ab.

«Einseitige Feuerpause ein Fehler»
Poroschenkos Friedensplan stösst beim eigenen Militär auch auf Kritik. Die einseitige Feuerpause für die ukrainischen Truppen sei ein strategischer Fehler, sagte Kommandeur Andrej Bilezki dem Internetkanal Gromadske.TB. Für einen solchen Schritt hätten erst die Grenzen zu Russland geschlossen werden müssen, damit ein weiteres Einsickern von «Terroristen» aus Russland verhindert werden könne.

Der 15-Punkte-Plan des Staatschefs sieht unter anderem vor, dass die Aufständischen die Waffen niederlegen und besetzte Gebäude in den räumen. Zudem müssten Gefangene und Geiseln freigelassen werden, darunter seit Wochen festgehaltene Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). (awp/mc/ps)

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