Zweiter Lockdown: Tschechien und Irland ziehen die Notbremse

Zweiter Lockdown: Tschechien und Irland ziehen die Notbremse
Darstellung eines Coronavirus. (Bild: Centers for Disease Control and Prevention CDC)

Prag – Die Rückkehr zur Normalität rückt in stark von Corona betroffenen EU-Ländern in weite Ferne: Tschechien hat am Donnerstag zum zweiten Mal seit dem Frühjahr Ausgangsbeschränkungen verhängt. Auch in Irland sollen sich die Menschen nicht mehr mit Freunden treffen. In der Slowakei hat die Regierung Ausgangsbeschränkungen beschlossen und will fast die gesamte Bevölkerung auf das Coronavirus testen lassen. Wer nicht mitmacht, kommt in Quarantäne.

Tschechien lebt im Corona-Ausnahmezustand. In der sonst so lebendigen Hauptstadt Prag sind die Strassen viel leerer als sonst. Nur wenige Menschen sind trotz des sonnigen Wetters unterwegs. Fast alle tragen wie vorgeschrieben eine Maske. Auf der Einkaufsstrasse im Stadtteil Vrsovice haben die meisten Geschäfte geschlossen. In den Strassenbahnen der Hauptstadt, wo die Menschen normalerweise dicht an dicht stehen, findet jeder einen Sitzplatz.

«Stärkste Kaliber» in Tschechien
Kaum irgendwo sonst steigen die Infektionszahlen derzeit so rapide wie in Tschechien. Am Donnerstag traten weitgehende Ausgangsbeschränkungen in Kraft. Die Menschen sollen zu Hause bleiben, ihre Kontakte mit anderen Leuten auf das absolut Notwendige beschränken. Ausnahmen gelten für den Weg zur Arbeit, notwendige Einkäufe, Arzt- und Familienbesuche. Man habe zum «stärksten Kaliber» gegriffen, sagt Innenminister Jan Hamacek.

In den Online-Kommentarseiten der Zeitungen entlädt sich die Wut über das Minderheitskabinett des Multimilliardärs Andrej Babis. «Das gab es selbst unter den Bolschewiken nicht», heisst es da. Oder: «Sie treiben das Land in den Ruin.» Pikant für die Regierung: An die Öffentlichkeit geratene Daten des Gesundheitsministeriums zeigen, dass sich bei der Arbeit die meisten Menschen anstecken. Doch Fabriken und Unternehmen laufen ungebremst weiter.

Neuinfektionen auf Rekordwert
Mit knapp 15 000 Fällen binnen 24 Stunden stiegen die am Donnerstag gemeldeten Neuinfektionen ein weiteres Mal auf einen Rekordwert. Das Land hat knapp 10,7 Millionen Einwohner. Mit seinem Zick-zack-Kurs hat sich Regierungschef Babis viel Kritik eingehandelt. Noch im September hatte der 66-Jährige gesagt, man müsse keine Angst mehr vor dem Virus haben. In einer aktuellen Umfrage vertrauten ihm bei der Bekämpfung der Pandemie nur noch 36 Prozent der 1200 Befragten.

Strenge Massnahmen in Irland
Auch die Inselrepublik Irland greift zu drastischen Massnahmen. Wer kann, muss bis zum 1. Dezember zu Hause arbeiten. Geschäfte, die keine lebensnotwendigen Waren verkaufen, wurden geschlossen. Treffen mit anderen Haushalten sind bis auf wenige Ausnahmen untersagt. Schulen und Kindergärten bleiben aber geöffnet. Sport im Freien ist im Umkreis von fünf Kilometern erlaubt.

«Wir werden das schaffen und uns wiedersehen», twitterte Premierminister Micheál Martin. Im Europa-Vergleich auf je 100 000 Einwohner bezogen liegt Irland bei den Neuinfektionen im oberen Mittelfeld. Am stärksten betroffen ist dem Sender RTE zufolge die Stadt Cavan und Umgebung mit mehr als 1000 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnern in 14 Tagen. Irland hat knapp fünf Millionen Einwohner.

Ausgangsbeschränkungen in der Slowakei
In der einwohnermässig etwa gleich grossen Slowakei gelten ab Samstag strenge Ausgangsbeschränkungen. Abgesehen von wenigen Ausnahmen wie dem Weg zur Arbeit darf man bis einschliesslich 1. November die eigene Wohnung nicht verlassen. Ausserdem will die Regierung innerhalb der nächsten drei Wochenenden alle über zehn Jahre alten Einwohner einem Corona-Schnelltest unterziehen. Die Teilnahme an den Tests soll zwar freiwillig sein. Wer sich aber nicht testen lasse, müsse für zehn Tage in Quarantäne, kündigte der populistisch-konservative Ministerpräsident Igor Matovic an.

Noch herrscht Ungewissheit über das genaue Vorgehen. Sogar die ansonsten mit Kritik zurückhaltende Staatspräsidentin Zuzana Caputova prangerte dies an. «Ich möchte deshalb die Verantwortlichen um klarere Botschaften ersuchen, was sie planen und unter welchen Bedingungen», schrieb das Staatsoberhaupt auf Facebook. Die erste Phase der Massentests soll nach den Plänen der Regierung bereits am Freitag in einigen besonders stark von Corona-Infektionen betroffenen ländlichen Bezirken an der Grenze zu Polen beginnen. Die lokalen Behörden im Norden der Slowakei klagten aber bis zuletzt über mangelnde Informationen zum Ablauf.

Österreich stellt Corona-Ampel für 21 weitere Bezirke auf Rot
Österreich stellt seine Corona-Ampel für zahlreiche Bezirke und Regionen angesichts der sich ausweitenden Corona-Pandemie auf Rot. Betroffen sind unter anderem bei Touristen beliebte Gegenden wie Zell am See oder St. Johann im Pongau, wie die österreichische Nachrichtenagentur APA am Donnerstag berichtete. Im Bundesland Tirol wurde auch der Bezirk Landeck rot eingestuft – in diesem Bezirk liegt der Wintersportort Ischgl, der im März zu einem Corona-Hotspot wurde. Bisher stand die österreichische Corona-Ampel in vier Bezirken auf Rot, darunter Hallein in Salzburg und die Stadt Innsbruck.

Die Corona-Ampel ist in Österreich seit Anfang September in Betrieb. Mit ihrer Hilfe wird die Infektionslage jede Woche neu bewertet und auf einer Karte farblich dargestellt – in der Regel für jeden Bezirk, entsprechend etwa den deutschen Landkreisen, sowie für das Bundesland Wien. Die Farben reichen von Grün (Risiko: niedrig) über Gelb (mittel) und Orange (hoch) bis Rot (sehr hoch). Kriterien sind Fallzahlen der vergangenen sieben Tage, Nachverfolgbarkeit der Ansteckungen, Auslastung der Krankenhausbetten und Gesamtzahl an Tests. Ausserdem wird berücksichtigt, ob eine Region viele Touristen oder Pendler hat.

Österreich hatte zuvor den zweiten Tag in Folge einen Rekordwert bei den neu nachgewiesenen Corona-Infektionen verzeichnet. Am Donnerstag meldeten Innen- und Gesundheitsministerium 2435 Neuinfektionen binnen 24 Stunden, nachdem am Vortag mit 1958 positiven Tests der bisherige Höchststand erreicht worden war.

Infektionsrekord in Portugal
In Portugal hat es erstmals seit Ausbruch der Corona-Pandemie mehr als 3000 Neuinfektion gegeben. Binnen 24 Stunden seien 3270 neue Ansteckungen mit dem Virus Sars-CoV-2 gemeldet worden, teilten die Gesundheitsbehörden am Donnerstag in Lissabon mit. Damit wurde der bisherige, am vorigen Freitag registrierte Höchstwert (2608) gleich um 662 Fälle übertroffen. Für die drei am schlimmsten betroffenen Bezirke Felgueiras, Lousada und Paços de Ferreira im Norden des Landes beschloss die Regierung für zunächst eine Woche einschneidende Massnahmen. Die rund 150 000 betroffenen Menschen dürfen ab Mitternacht (1.00 MESZ am Freitag) das Haus nur noch mit triftigem Grund verlassen – etwa, um zur Arbeit oder zum Arzt zu fahren. In diesen Bezirken, die unweit der Metropole Porto liegen, müssen zudem alle Läden bereits um 22 Uhr schliessen.

Die sozialistische Regierung von Ministerpräsident António Costa beschloss ausserdem, dass alle gut 10,3 Millionen Bürger Portugals zwischen dem 30. Oktober und dem 3. November den eigenen Wohnbezirk nicht verlassen dürfen. Damit wolle man zu Allerheiligen und Allerseelen den für gewöhnlich sehr lebhaften Reiseverkehr eindämmen, hiess es. Am 2. November werde es einen offiziellen Tag der Trauer in Gedenken an die Opfer von Covid-19 geben. (awp/mc/pg)

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