Deutscher Lokführerstreik nicht aufzuhalten

Deutscher Lokführerstreik nicht aufzuhalten

GDL-Chef Claus Weselsky. (Foto: DBB)

Frankfurt – Bahnkunden müssen sich wieder auf Zugausfälle und volle Ersatzzüge einstellen. Trotz Vermittlungsversuchen bis zur letzten Minute haben die Lokführer am Dienstag bei der Deutschen Bahn ihre bereits neunte Streikrunde im laufenden Tarifkonflikt begonnen. Betroffen war am Dienstag zunächst nur der Güterverkehr, die Personenzüge sollten laut Ankündigung der Gewerkschaft ab Mittwochfrüh um 02.00 Uhr ebenfalls bestreikt werden.

Das Ende des Arbeitskampfes hat die Gewerkschaft bewusst offen gelassen und will es erst 48 Stunden vorher bekanntgeben. Die Streikwelle soll nach Ankündigungen der GDL über Pfingsten laufen.

Mit einem neuen Ansatz haben Bahn und GDL bei einem Geheimtreffen in Frankfurt die rechtlichen Bedingungen einer möglichen Schlichtung ausgelotet. Über Ergebnisse der andauernden Gespräche wurde bis zum Nachmittag nichts bekannt. «Wie kommen wir in die Schlichtung? Welche Themen sind der Schlichtung zugänglich? Wir müssen die Diskussion um das Beschneiden von Grundrechten beenden, denn darum geht es nicht», hatte Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber im ARD-«Morgenmagazin» mögliche Themen genannt. Die GDL wollte den Fortgang der vertraulichen Unterredung nicht kommentieren.

Als unabhängige Instanz nahm der frühere Richter am Bundesarbeitsgericht, Klaus Bepler, teil. Als damaliger Vorsitzender des vierten BAG-Senats hat er die geänderte Rechtsprechung zur möglichen Tarifpluralität im Jahr 2010 entscheidend geprägt.

Notfahrplan
Wegen des Streiks hat die Deutsche Bahn wieder Ersatzfahrpläne aufgestellt. Für den Fernverkehr am Mittwoch und Donnerstag waren sie am Nachmittag in den Auskunftssystemen abrufbar. «Wir bedauern besonders, dass es ausgerechnet am Pfingstwochenende dazu kommt», sagte Personenverkehrsvorstand Ulrich Homburg in Berlin.

Wie bei den früheren Ausständen will die DB während des Streiks etwa ein Drittel der Fernzüge fahren. Bei den Regionalzügen erwartet die Bahn, dass je nach Region 15 bis 60 Prozent der üblichen Zahl unterwegs sein werden. Im Güterverkehr sollen etwa 70 Prozent der Züge rollen.

Homburg sprach von einem immensen wirtschaftlichen Schaden, der der Bahn und der Wirtschaft insgesamt entstehe. Grosskunden hätten sich inzwischen für ihre Transporte «ein zweites Standbein aufgebaut». «Das Vertrauen in das Gesamtsystem Bahn ist erschüttert», sagte der Bahn-Manager.

Beispielsweise überdenkt die Chemie-Industrie ihre Logistikkonzepte. «Die Pläne der Branche, ihre Transporte verstärkt auf die Bahn zu verlagern, bekommen durch den erneuten und kurzfristig angekündigten Ausstand einen empfindlichen Dämpfer versetzt», erklärte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes VCI, Utz Tilmann. Die Chemie gehört zusammen mit der Stahl- und Autoindustrie zu den wichtigsten Güterkunden der Deutschen Bahn.

Sechstätiger Ausstand erst am 10. Mai zu Ende gegangen
Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung fürchtet Probleme bei Mineralöltransporten in entlegenere Gegenden, die nicht mit Schiff oder Pipelines erreicht werden können. Im kombinierten Verkehr Strasse/Schiene müssten kurzfristig Sendungen auf die Strasse verlagert werden, erklärte Verbandsvertreter Adolf Zobel.

GDL-Chef Claus Weselsky hat zu erkennen gegeben, dass die Gewerkschaft bei einer Schlichtung zu ihren Bedingungen den angekündigten Arbeitskampf innerhalb von 12 bis 24 Stunden beenden könnte. Die inhaltlichen Fragen des Tarifkonflikts seien nicht unlösbar, sagte Weselsky im ARD-«Morgenmagazin». Man sei aber nicht bereit, in einer Schlichtung über die Frage der Tarifeinheit zu verhandeln: «Es ist schlussendlich unser Grundrecht, für unsere Mitglieder einen Tarifvertrag abzuschliessen – und zwar egal, ob der abweicht von einem anderen Tarifvertrag oder nicht.»

Gleichzeitig griff der Gewerkschafter die Bahn erneut scharf an. «Wir sehen ein Management, das versucht, das auszusitzen, das uns hinhält», sagte er. Die Bahn sei nicht einmal in der Lage gewesen, ein Schlichtungsabkommen mit der GDL zu verhandeln.

Erst am 10. Mai war ein fast sechstägiger Ausstand im Personenverkehr zu Ende gegangen. Es war der bisher längste Streik in der 21-jährigen Geschichte der Deutschen Bahn AG. Für die neunte Streikrunde wurde das Streikgeld laut GDL für die teilnehmenden Lokführer von 75 auf 100 Euro erhöht. Bis Dezember hatte es noch bei 50 Euro gelegen. Trotz der Erhöhung büssten die streikenden Lokführer Einkommen ein, sagte Weselsky.

Streik hat auch Auswirkungen auf Schweiz
Der Streik bei der Deutschen Bahn, der in der Nacht auf Mittwoch um 2 Uhr beginnen soll, wird auch Auswirkungen auf den Schweizer Bahnverkehr haben. Einige Züge nach Deutschland fallen ab der Grenze aus. Die SBB rät Reisenden, die nach Deutschland fahren wollen, sich vor der Abreise am Schalter, auf der Internetseite der Deutschen Bahn oder via den kostenpflichtigen Railservice unter 0900 300 300 zu informieren.

An den Grenzbahnhöfen Basel, Schaffhausen und St. Margrethen ist die SBB zudem mit zusätzlichem Informationspersonal präsent, wie SBB-Mediensprecher Daniele Pallecchi am Dienstag auf Anfrage sagte. Beim letzten Streik habe sich aber gezeigt, dass die Reisenden schon gut informiert gewesen seien. Da nur die Lokführergewerkschaft (GDL) streikt, werden die Züge ab Basel nach Deutschland teilweise fahren, wie Pallecchi sagte. Starke Behinderungen erwartet die SBB im Grenzverkehr ab Schaffhausen und St. Margrethen.

Die Züge von Zürich nach München werden laut Railinfo ab Bregenz ausfallen. Die Busse von Zürich nach München sollen hingegen planmässig verkehren. Die Züge ab Zürich nach Stuttgart fallen ab Schaffhausen ebenfalls aus. Reisende nach Stuttgart können stattdessen über Basel und Karlsruhe fahren. Eine Alternative müssen auch jene Passagiere suchen, die in der Nacht auf Mittwoch im Zug nach Deutschland reisen wollten: Beide Nachtzüge fallen aus.

Auch im Güterverkehr kommt es teilweise zu Behinderungen. Die SBB versuche in direktem Kontakt mit den Kunden eine Lösung zu suchen, etwa eine Alternativroute zu organisieren. Wie hoch die Kosten sind, die bei der SBB wegen des Streiks anfallen, konnte der Sprecher am Dienstag noch nicht sagen. (awp/mc/upd/ps)

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