Flucht der «Charlie-Hebdo»-Attentäter hält Frankreich im Bann

Flucht der «Charlie-Hebdo»-Attentäter hält Frankreich im Bann

Die abgesperrte Tankstelle bei Villers-Cotterêt.

Paris – Stille Trauer und hektische Fahndung: Während die Franzosen eine Schweigeminute für die Opfer des Anschlags auf die Satire-Zeitschrift «Charlie Hebdo» einlegen, sucht die Polizei einen Tag nach dem mutmasslich islamistischen Angriff nach den flüchtigen Attentätern.

Die Fahndung nach den Tätern hielt ganz Frankreich in Atem. Die beiden Hauptverdächtigen wurden nach Angaben von Ermittlern am Donnerstag in Nordfrankreich gesichtet, in dem Gebiet zog die Polizei Eliteeinheiten zusammen.

In der Gegend von Villers-Côtterets im Département Aisne waren am Nachmittag Beamte der Anti-Terror-Polizeieinheit RAID und der Gendarmerie-Sondereinheit GIGN im Einsatz. In der Region rund 80 Kilometer nordöstlich von Paris sei ein Auto entdeckt worden, das die beiden Verdächtigen als Fluchtwagen benutzt hätten.

Flaggen und Waffen
Zuvor hatte es von Seiten der Ermittler geheissen, der 32-jährige Chérif Kouachi und sein 34-jähriger Bruder Said seien in einem grauen Renault Clio gesichtet worden. Der Betreiber einer Tankstelle in der Nähe von Villers-Côtterets habe die beiden «eindeutig erkannt». «Die beiden Männer sind vermummt, mit Kalaschnikow und anscheinend mit Raketen-Werfern» ausgerüstet, hiess es weiter.

In einem anderen kurz nach dem Anschlag in Paris zurückgelassenen Auto wurden nach Angaben der Ermittler zwei dschihadistische Flaggen und ein Dutzend Molotow-Cocktails gefunden. Der Fund zeige die islamistische Gesinnung der Täter und deute daraufhin, dass sie womöglich weitere Anschläge geplant hätten, hiess es.

Beim schwersten Anschlag in Frankreich seit Jahrzehnten hatten am Mittwoch zwei schwer bewaffnete Männer die Redaktion von «Charlie Hebdo» überfallen und dort sowie auf ihrer Flucht insgesamt zwölf Menschen erschossen. Unter den Todesopfern sind der Chef des bekannten Satire-Magazins, Stéphane Charbonnier, mehrere weitere Zeichner sowie zwei Polizisten. Elf weitere Menschen wurden verletzt.

Schweigeminute
Laut Premierminister Manuel Valls sind die beiden Hauptverdächtigen bereits polizeibekannt. Chérif Kouachi war 2008 wegen Unterstützung des Terrornetzwerks Al-Kaida im Irak verurteilt worden. Von der dreijährigen Haftstrafe wurden anderthalb Jahre auf Bewährung ausgesetzt. Die Ermittler waren den Brüdern nach dem Anschlag auf die Spur gekommen, weil ein Ausweis von Said in einem zurückgelassenen Auto entdeckt wurde.

Ein möglicher Komplize, der 18-jährige Hamyd Mourad, stellte sich am späten Mittwochabend der Polizei. Es gab aber Zeugenaussagen, wonach er sich zum Tatzeitpunkt in seiner Schule befand. Die Polizei nahm am Morgen sieben Verdächtige aus dem Umfeld der mutmasslichen Täter in Gewahrsam.

In Frankreich galt am Donnerstag offizielle Staatstrauer. Mit einer Schweigeminute wurde landesweit der Opfer des Anschlags gedacht – unter anderem in Behörden, Unternehmen und Schulen. Tausende hielten Plakate mit dem Schriftzug «Je suis Charlie» (Ich bin Charlie) hoch. Die Glocken der Kirche Notre-Dame erschallten in Paris.

Staatspräsident François Hollande forderte seine Landsleute auf, in dieser schweren Zeit zusammenzustehen. Zudem hielt er eine Reihe von Krisentreffen ab, unter anderem mit seinem konservativen Rivalen, Ex-Präsident Nicolas Sarkozy.

Zeitschrift macht weiter
Die Belegschaft von «Charlie Hebdo» will indes nicht aufgeben. «Wir werden weitermachen», sagte Patrick Pelloux nach einem Treffen mit anderen Redaktionsmitgliedern.

«Das ist sehr hart, wir alle sind voller Leid, Schmerz, Angst», sagte Pelloux weiter. «Aber wir machen es trotzdem, denn die Dummheit wird nicht gewinnen. Charb hat immer gesagt, dass die Zeitung erscheinen müsse, koste es, was es wolle.» Der Anwalt des Wochenblatts kündigte für kommende Woche gar eine Rekordauflage von einer Million Exemplaren an.

Polizistin getötet
Für neue Terrorangst sorgte zunächst eine Schiesserei im Süden von Paris am Donnerstagmorgen, bei der ein Unbekannter eine Polizistin tötete und einen Polizisten verletzte. Zunächst gab es keine Hinweise darauf, dass die Taten zusammenhängen. Die Anti-Terrorismus-Abteilung der Pariser Staatsanwaltschaft übernahm die Ermittlungen.

In mehreren Gemeinden Frankreichs gab es Attacken auf muslimische Einrichtungen. Verletzt wurde bei den Angriffen jedoch niemand.

In der Schweiz machten Sicherheitsorgane keine erhöhte Terrorgefahr aus. Einige Schweizer Medienhäuser erhöhten aber ihre Sicherheitsvorkehrungen. Die Muslimen-Verbände distanzierten sich vom Attentat auf «Charlie Hebdo», Zeitungskommentatoren verurteilten den Anschlag scharf als Angriff auf die Freiheit.

Viele Medien publizierten auch Karikaturen. Chappatte zeichnete auf dem Titelblatt von «Le Temps» etwa einen Grabstein in Kreuzform mit den Worten «Morts de rire», wörtlich übersetzt: «Totgelacht». (awp/mc/upd/ps)

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