Japan: Erste Reaktorhülle gebrochen – Neues Beben

Japan: Erste Reaktorhülle gebrochen – Neues Beben

Satellitenaufnahme des AKW Fukushima 1 nach der ersten Explosion im Reaktorblock 3.

Tokio – Die Atomkatastrophe in Japan hat eine neue Dimension erreicht. Bei einer weiteren Explosion im Atomkraftwerk Fukushima 1 wurde am Dienstag nach Regierungsangaben erstmals eine innere Schutzhülle eines Reaktors beschädigt. Die AKW-Betreibergesellschaft Tepco sprach von einer «sehr schlimmen» Lage. Unterdessen hat ein weiteres schweres Erdbeben Japan erschüttert. Die Stärke wird mit 6,0 angegeben. Es handelt sich um eines der stärksten Nachbeben seit dem Hauptbeben am vergangenen Freitag.

Nach Angaben der IAEA hat das neue Erdbeben in Ost-Honshu keine Probleme beim Atomkraftwerk Hamaoka verursacht, das etwa 100 Kilometer vom Epizentrum des Bebens entfernt liegt. Hingegen vermutet die Organisation, dass der Reaktorkern des Blocks 2 im Kraftwerk Fukushima 2 teilweise beschädigt sein könnte. Betroffen sein könnten «weniger als 5 Prozent» des Kerns, sagte IAEA-Chef Yukiya Amano.

Fukushima: Feuer in Reaktorblock 4
Derweil breitet sich das Chaos in den einzelnen Reaktorblöcken der Atom-Anlage Fukushima 1 aus. In Block 2 liess der gewaltige Druck den Reaktorblock stellenweise bersten. In Block 4 brach zwischenzeitlich ein Feuer aus, das gelöscht werden konnte. Die gemessenen Strahlungswerte seien so hoch, dass das Personal nicht weiter in den Kontrollräumen des Reaktors bleiben könne, berichtet die japanische Nachrichtenagentur Kyodo. Das Aufbewahrungsbecken für die verbrauchten Brennstäbe im Reaktor 4 kann nicht mehr mit Wasser gefüllt werden. Das habe die Betreiberfirmer Tepco mitgeteilt, meldete die Kyodo weiter. Eine weitere Eskalation der Situation drohe.

Zwei acht Quadratmeter grosse Löcher
In der Aussenwand des Reaktorgebäudes klaffen derweil zwei acht Quadratmeter grosse Löcher, wie die Nachrichtenagentur Jiji Press unter Berufung auf die Atomare Sicherheitsagentur des Industrieministeriums berichtete. Ein Sprecher des AKW-Betreibers teilte mit, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es im Atomkomplex Fukushima 1 zu einer Kernschmelze komme. Nach einem Anstieg der Radioaktivität am Atomkraftwerk Fukushima 1 in Folge mehrerer Explosionen sanken die Werte wieder, wie Regierungssprecher Yukio Edano sagte.

Betreiber versuchen weitere Explosion zu verhindern
Die Betreiber des Katastrophen-Atomkraftwerks Fukushima befürchten dem Anschein nach Explosionen auch in den letzten beiden unbeschädigten Reaktoren. Nach Informationen der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA zog die Betreiberfirma Tepco in Erwägung, Platten von den Reaktoren 5 und 6 zu entfernen, um dort mögliche Wasserstoff-Staus zu verhindern. Dies teilte die UN-Behörde am Dienstagabend in Wien mit. Der Schritt sei bereits in der Nacht zum Dienstag erwogen worden. Wasserstoff hatte in den vergangenen Tagen bereits in den Reaktoren 1, 2 und 3 zu Explosionen geführt. Die Reaktoren 5 und 6 waren nach IAEA-Informationen zum Zeitpunkt des Erdbebens zwar ausgeschaltet, sind aber weiterhin mit atomarem Brennstoff gefüllt.

Regierung warnt vor «Gesundheitsgefährdung»
Nach zwei Explosionen an Reaktoren und einem Feuer war zuvor eine starke Erhöhung der Strahlung gemessen worden. Die Regierung warnte daraufhin erstmals vor einer «Gesundheitsgefährdung» durch erhöhte radioaktive Strahlung. Nach Angaben Edanos könnte die erhöhte Radioaktivität auf die Explosion im Reaktorblock 3 vom Montag zurückzuführen sein. Unterdessen wurden aus zwei weiteren Reaktoren des Kraftwerks, den Blöcken 5 und 6, Probleme gemeldet. Nach Angaben von Edano wurden in beiden Reaktoren leicht erhöhte Temperaturen gemessen. Bisher hat es nach der Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe vom Freitag Explosionen in den Reaktoren 1, 2, 3 und 4 gegeben.

Strahlenbelastung in Tokio lässt wieder nach
Die Stadtverwaltung der Hauptstadt Tokio teilte mit, die Strahlenwerte seien am Nachmittag (Ortszeit) wieder gesunken. Am Morgen waren leicht erhöhte Strahlenwerte gemessen worden, die nach Angaben der Behörden aber die menschliche Gesundheit nicht beeinträchtigen sollten. Im Grossraum Tokio leben rund 35 Millionen Menschen. Die Weltwetterorganisation WMO teilte am Dienstag in Genf mit, die radioaktiven Partikel im Umkreis des Atomkraftwerkes Fukushima 1 würden vom Wind wieder auf das Meer hinausgeblasen. Es gebe weder für Japan noch benachbarte Länder «Auswirkungen». Zuvor war in Japan befürchtet worden, die radioaktiven Partikel würden in Richtung Tokio geweht.

Flugverbotszone
Der Luftraum über der AKW-Anlage wurde am Dienstag gesperrt. Für einen 30-Kilometer-Radius über den Reaktoren gelte eine Flugverbotszone, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo unter Berufung auf die Regierung. Auch Anwohner in einem Radius von 30 Kilometern rund um das havarierte AKW wurden aufgefordert, sich nicht im Freien aufzuhalten und Türen und Fenster zu schliessen. An die Bewohner innerhalb eines 20-Kilometer-Radius wurde appelliert, sich an die Evakuierungsanordnung zu halten und das Gebiet umgehend zu verlassen.

ENSI: Lage hat sich deutlich verschärft
Auch das Eidg. Nuklearsicherheits-Inspektorat (ENSI) geht davon aus, dass beim Block 2 des Atomkraftwerks Fukushima bei einer Explosion das Containment – ein Sicherheitsbehälter aus Stahl – beschädigt wurde. Damit sei eine wichtige Sicherheitsbarriere nicht mehr intakt. «Die Situation hat sich gegenüber gestern deutlich verschärft», sagte ENSI-Direktor Hans Wanner am Dienstag vor den Medien in Brugg AG. «Die Lage ist sehr ernst, und ich bedaure, Ihnen das heute so mitteilen zu müssen.»  Das ENSI nimmt an, dass bei der Explosion und beim Brand Jod-Isotope freigesetzt wurden. Die Strahlenbelastung am Standort der Anlagen habe sich drastisch erhöht.

IEA steht mit strategischen Ölreserven bereit

Die Internationale Energieagentur IEA befürchtet nicht, dass Japan wegen der Störfälle in seinen Atomkraftwerken ein langfristiger Strom-Engpass droht. Japan habe genügend Kapazitäten zur Stromerzeugung aus Öl, um die Ausfälle bei der Kernenergie zu ersetzen, teilte die IEA am Dienstag mit. Auch die Ölversorgung des Landes bereite ihm trotz der Erdbebenschäden keine grossen Sorgen, sagte Agentur-Chef Nobuo Tanaka der Nachrichtenagentur Reuters. Japan habe Reserven für 170 Tage. Die IEA stehe aber mit ihren strategischen Reserven für den Notfall bereit. (awp/mc/ps)

Tepco

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