Libyen: Neue Luftangriffe der Allianz

Libyen: Neue Luftangriffe der Allianz

Unter Beschuss: Rebellenhochburg Adschdabija.

Tripolis – Die schweren Luftangriffe auf Ziele in Libyen haben auch am vierten Tag in Folge noch keine entscheidende Wirkung gezeigt. Machthaber Muammar al Gaddafi geht weiter brutal gegen die Rebellen im Osten des Landes vor. Bei Gefechten in der Stadt Misurata sollen in den vergangenen Tagen 40 Menschen getötet worden sein.

Gaddafis Truppen gingen mit schwerer Artillerie auch in der Stadt Al-Sintan gegen die Rebellen vor. Die internationale Kritik am Militäreinsatz nimmt unterdessen weiter zu. US-Verteidigungsminister Robert Gates kündigte für die nächsten Tage eine Verringerung der Einsätze an. Die 28 Nato-Staaten einigten sich am Dienstag grundsätzlich auf einen Plan zur Durchsetzung des von den Vereinten Nationen beschlossenen Flugverbots über Libyen. Sie vereinbarten nach Angaben von Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen einen entsprechenden Operationsplan. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Streit um die Führungsrolle bei den Militärschlägen beigelegt ist. Damit die Nato tätig werden kann, ist ein weiterer Beschluss der Mitgliedstaaten nötig. Dieser wird frühestens am Mittwoch erwartet.

Obama: «Gaddafi muss gehen»
US-Präsident Barack Obama kündigte eine baldige Übergabe der Einsatzführung an. Er gehe davon aus, dass europäische und arabische Länder in Kürze das Kommando übernehmen werden, sagte er bei einem Besuch in Chiles Hauptstadt Santiago. Zugleich bekräftige Obama seine Forderung nach einem Machtwechsel in Libyen: «Gaddafi muss gehen.» Drei Tage nach Beginn ihres Militäreinsatzes in Libyen verlor die internationale Allianz ihren ersten Kampfjet. Die US-Maschine vom Typ F-15E Strike Eagle stürzte nach vorläufigen Erkenntnissen wegen eines technischen Defekts im Nordosten des Landes ab, wie das US-Afrikakommando in Stuttgart (Africom) mitteilte. Beide Piloten hätten sich mit dem Schleudersitz retten können und seien in Sicherheit.

Gaddafi-Truppen beim Vormarsch auf Bengasi gestoppt

Deutschland beteiligt sich nicht direkt an der Militäraktion. Zur Entlastung der Bündnispartner in Libyen will die Bundesregierung bis zu 300 Soldaten zusätzlich nach Afghanistan schicken. Sie sollen sich an Awacs-Aufklärungsflügen beteiligen. Insgesamt werden damit künftig bis zu 5300 deutsche Soldaten in Afghanistan eingesetzt, mehr als je zuvor seit Beginn des Einsatzes 2001. Der Einsatz der westlichen Allianz konzentrierte sich in der Nacht zum Dienstag vor allem auf Militärflughäfen und Stützpunkte der libyschen Marine. Nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums sind die Truppen Gaddafis bei ihrem Versuch, die Rebellen-Hochburg Bengasi einzunehmen, gestoppt worden. Die Operation zeige einen «echten Effekt».

Sieben ausländische Journalisten in libyscher Hand
Über die Angriffe in der Nacht zum Dienstag sagte ein Sprecher der libyschen Regierung, die Bomben und Raketen der westlichen Koalition hätten Ziele in den Städten Tripolis, Al-Sawija, Misrata, Sirte und Sebha getroffen. «Es gab zahlreiche Opfer, darunter auch Zivilisten, vor allem auf dem Luftwaffenstützpunkt Al-Kardabija in Sirte.» Eine Al-Dschasira-Korrespondentin berichtete von zwei starken Explosionen. «Wir können sehen, dass ein Teil des Hafens in Flammen steht.» Sieben ausländische Journalisten befinden sich nach Informationen der Organisation Reporter ohne Grenzen derzeit in der Hand von Gaddafis Militär. Unter ihnen ist auch der deutsch-kolumbianische AFP-Fotograf Roberto Schmidt (45). Die Organisation zeigte sich am Dienstag besorgt.

Kritik aus China und Russland
US-Verteidigungsminister Gates kündigte in Moskau eine baldige Reduzierung der Luftangriffe auf Ziele in Libyen an. Er sagte nach Angaben der Agentur Interfax: «Wir werden die Intensität in Kürze verringern.» Russlands Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow forderte ein Ende der Angriffe auf zivile Ziele. «Leider wurden bei der Militäraktion bereits Zivilisten getötet», sagte er in Moskau. Auch China kritisierte den Einsatz gegen Gaddafi und forderte eine Waffenruhe. Die Sprecherin des Aussenministeriums, Jiang Yu, äusserte sich in Peking tief besorgt. «Wir lehnen den übermässigen Einsatz von militärischer Gewalt ab, der mehr Opfer in der Bevölkerung und mehr humanitäres Unheil verursacht.» Auch die brasilianische Regierung bedauerte den Verlust von Menschenleben und forderte eine schnellstmögliche Waffenruhe.

Deutschland pocht auf Öl- und Gasembargo
Deutschland will noch in dieser Woche ein Öl- und Gasembargo gegen Libyen in der EU durchsetzen. «Es kann nicht sein, dass einerseits militärische Aktionen geflogen werden, andererseits aber immer noch nicht ausgeschlossen ist, dass noch Öl- und Gasgeschäfte mit dem System Gaddafi stattfinden», sagte Aussenminister Guido Westerwelle. «Es muss ausgeschlossen sein, dass der Diktator an frisches Geld kommt.» Westerwelle verteidigte erneut die Entscheidung, die Bundeswehr aus Kampfhandlungen gegen Libyen herauszuhalten. Vorwürfe, Deutschland isoliere sich mit dieser Haltung, wies er zurück. «Wir stehen, was den militärischen Einsatz angeht, unverändert mit unserer Skepsis weder international noch in Europa alleine.»

Joschka Fischer: «Deutsche Stimmenthaltung skandalöser Fehler»
Der ehemalige Aussenminister Joschka Fischer (Grüne) nannte die Stimmenthaltung Deutschlands zur UN-Resolution in der «Süddeutschen Zeitung» einen «skandalösen Fehler». Deutschland habe damit keine Chancen mehr auf einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat. Der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, sagte der «Bild»-Zeitung (Dienstag), der Einsatz gegen Libyen sei eine Operation ohne Strategie. Ungeachtet dieser Kritik hätte Deutschland bei der Abstimmung über die Libyen-Resolution im UN-Sicherheitsrat aber mit Ja stimmen müssen. (awp/mc/ps)

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