Spaniens Senat billigt Entmachtung katalanischer Regionalregierung

Spaniens Senat billigt Entmachtung katalanischer Regionalregierung
Gegenspieler: Kataloniens Regierungschef Carles Puigdemont (r.) und Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy.

Barcelona/Madrid – Der spanische Senat hat im heftigen Streit um die Unabhängigkeit Kataloniens eine Entmachtung der Regionalregierung unter Carles Puigdemont gebilligt. In Madrid votierte der Senat am Freitag mit grosser Mehrheit für eine Zwangsverwaltung der Region und andere Massnahmen. Unmittelbar zuvor stimmten die Abgeordneten des Regionalparlaments in Barcelona für einen Prozess zur Loslösung von Spanien und zur Gründung eines unabhängigen Staates, allerdings ohne einen Zeitplan festzulegen.

Nach der Abstimmung im Senats kündigte Ministerpräsident Mariano Rajoy für 17.00 Uhr eine Sitzung des Ministerrates an. Dort könnten nach Medienberichten Massnahmen wie etwa die Entmachtung der katalanischen Regierung eingeleitet werden. Die Zwangsmassnahmen Madrids sehen darüber hinaus die Abhaltung von Neuwahlen in der abtrünnigen Region vor.

Spanische Finanzmärkte unter Druck
Die spanischen Finanzmärkte sind am Freitag durch die Eskalation des Konflikts belastet worden. Die Risikoaufschläge für spanische Staatsanleihen sind merklich gestiegen und der Aktienmarkt hat seine Verluste ausgeweitet. Der Euro ist ebenfalls zeitweise unter Druck geraten.

Puigdemont dürfte am Samstag abgesetzt werden
Als einer der ersten Schritte gilt die Absetzung des katalanischen Regierungsches Carles Puigdemont und dessen Vize Oriol Junqueras. Dies wird spanischen Medienberichten zufolge vermutlich am Samstag geschehen, wenn die Entscheidung des Senats im Amtsblatt veröffentlicht ist. Weitere Schritte sollen nach und nach folgen.

In Barcelona stimmten für die Annahme der Resolution vor allem die Abgeordneten des Regierungsbündnisses JxSí («Gemeinsam fürs Ja») von Regionalpräsident Puigdemont sowie der linksradikalen Partei CUP. Das Ergebnis lautete 72:10 bei zwei Enthaltungen. Die meisten Abgeordneten der Opposition hatten nach heftiger Debatte noch vor der Abstimmung den Saal verlassen.

Die Abgeordneten standen nach Bekanntgabe des Abstimmungssieges von ihren Sitzen auf und sangen die katalanische Nationalhymne. Vor dem Parlament versammelten sich nach Medienschätzung mehr als 15 000 Anhänger der Unabhängigkeitsbewegung, die das Ergebnis der Abstimmung feierten.

Ministerpräsident Rajoy hatte die Spanier nur wenige Minuten nach der Abstimmung in Barcelona zur Besonnenheit aufgerufen. «Ich bitte alle Spanier um Ruhe. Der Rechtsstaat wird die Legalität in Katalonien wieder herstellen», twitterte er.

Im Senat hatte Rajoy der Regierung in Barcelona zuvor Missachtung der Gesetze und eine Verhöhnung der Demokratie vorgeworfen. Die Regionalregierung habe am 1. Oktober eine illegale Volksabstimmung abgehalten ohne jede demokratischen Garantien, sagte Rajoy. «Was würden zum Beispiel wohl Frankreich oder Deutschland machen, wenn eine Region ein illegales Referendum über die Unabhängigkeit abhalten würde?», fragte der Ministerpräsident.

Während die Regionalregierung die Gesetze breche, habe Madrid lange auf eine Anwendung des Artikels 155 verzichtet, weil es Hoffnung gegeben habe, dass die Politiker in Barcelona zur Normalität zurückkehren könnten.

Die von der Regionalregierung wiederholt beteuerte Gesprächsbereitschaft tat er als taktischen Winkelzug ab. «Der einzige Dialog, der mir (von Puigdemont) angeboten wurde, war der über die Bedingungen und den Zeitplan für die Unabhängigkeit Kataloniens.» Dies verbietet ihm aber die spanische Verfassung. In seiner mit viel Applaus bedachten Rede rief Rajoy zu einer parteiübergreifenden Antwort auf. Es gehe nicht um Parteien oder nur um Katalonien, es gehe um den Staat.

EU-Ratspräsident Tusk: Spanien soll nicht auf Stärke setzen
Angesichts der Zuspitzung im Katalonien-Konflikt mahnt EU-Ratspräsident Donald Tusk die spanische Regierung zur Zurückhaltung. «Ich hoffe, dass die spanische Regierung mehr auf die Stärke des Arguments setzt als auf das Argument der Stärke», erklärte Tusk am Freitag auf Twitter. Für die EU habe sich nichts verändert. Einziger Gesprächspartner sei Spanien. (awp/mc/pg)

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