Russland feuert weiter Raketen auf Ukraine – Treffen zwischen Biden und Putin?

Russland feuert weiter Raketen auf Ukraine – Treffen zwischen Biden und Putin?

Kiew / Moskau – Russland hat die Ukraine am Dienstag erneut mit Raketen angegriffen. Explosionen gab es wieder in der Umgebung der Hauptstadt Kiew und mehreren weiteren Regionen. Der am Montag begonnene Beschuss auf zivile Ziele wird von Experten der Vereinten Nationen als mögliches Kriegsverbrechen gewertet und trifft in der Nato auf scharfen Protest. Nach der militärischen Eskalation setzte Moskau nun plötzlich ein anderes Signal: Angeblich ist Präsident Wladimir Putin zum Gespräch mit US-Präsident Joe Biden bereit.

Wenn Washington ein solches Treffen beim G20-Gipfel anbiete, werde Moskau dies prüfen, sagte zumindest Aussenminister Sergej Lawrow im russischen Staatsfernsehen – pochte aber zugleich auf Moskaus Kriegsziele. Putin hatte unter anderem die «Entmilitarisierung» und «Entnazifizierung» der Ukraine gefordert. Ausserdem soll die Ukraine von Russland annektiertes Gebiet aufgeben und künftig neutral bleiben. Die Ukraine lehnt diese Forderungen ab und verlangt, dass russische Truppen vor Beginn von Verhandlungen besetztes Land räumen.

Putin will sich zunächst am Donnerstag mit dem türkischen Präsident Recep Tayyip Erdogan treffen, und zwar am Rande des Gipfels der Konferenz für Zusammenarbeit und vertrauensbildende Massnahmen in Asien (CICA) in Astana. Die Türkei sieht sich als möglichen Vermittler im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. «Ein Waffenstillstand muss so schnell wie möglich hergestellt werden», sagte Aussenminister Mevlüt Cavusoglu in einem Fernsehinterview.

Tote und Verletzte bei Raketenbeschuss
Putin hatte die massiven russischen Raketenangriffe in vielen Teilen der Ukraine am Montag befohlen und dies als Reaktion auf Explosionen auf der strategisch wichtigen Brücke zwischen Russland und der annektierten ukrainischen Halbinsel Krim dargestellt. Bis Dienstag meldeten die ukrainischen Behörden 19 Todesopfer und mehr als 100 Verletzte infolge der Einschläge russischer Geschosse.

Auch am Dienstag gingen die Angriffe mit Raketen und Kampfdrohnen weiter, nicht nur in der Umgebung von Kiew, sondern auch in Saporischschja im Süden sowie in den Gebieten Chmelnyzkyj, Dnipropetrowsk, Wynyzja, Mykolajiw und Riwne. In Kiew flüchteten sich Menschen bei Luftalarm in Schutzräume, wie eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur berichtete.

Ukrainische Medien berichteten, es seien 20 Raketen am Dienstagmorgen eingeschlagen – im Vergleich zu mehr als 80 am Vortag. Das russische Verteidigungsministerium bestätigte Schläge gegen Objekte der Militärverwaltung und des Energiesystems in der Ukraine. «Das Ziel des (Militär-)Schlags ist erreicht», sagte ein Sprecher.

G7 will Putin zur Rechenschaft ziehen
Die sieben führenden demokratischen Wirtschaftsmächte haben die jüngsten russischen Raketenangriffe auf die Ukraine aufs Schärfste verurteilt und den ukrainischen Streitkräften weitere militärische Unterstützung zugesichert. Nach einer Videokonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj erinnerten die Staats- und Regierungschefs der G7 am Dienstag in einer gemeinsamen Erklärung daran, dass «wahllose Angriffe auf unschuldige Zivilisten ein Kriegsverbrechen» darstellten. «Wir werden Präsident Putin und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen», heisst es darin weiter mit Blick auf den Kremlchef.

Die G7 verurteilt auch die «illegal versuchte Annexion» von vier ukrainischen Regionen durch Russland. Die Staats- und Regierungschefs bekräftigten, dass sie diese Annexion nie anerkennen würden. Sie drohten Russland mit weiteren Sanktionen gegen Einzelpersonen und Institutionen innerhalb und ausserhalb des Landes, die den Angriffskrieg politisch oder wirtschaftlich unterstützten.

Selenskyj: Lassen uns nicht einschüchtern
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj betonte den Widerstandswillen seines Landes. «Die Ukraine lässt sich nicht einschüchtern», sagte er am Montagabend. In Telefonaten versuchte er weitere internationale Hilfe zu mobilisieren. Dazu sprach er mit Biden, mit Bundeskanzler Olaf Scholz und anderen westlichen Spitzenpolitikern. Bei den UN forderte die Ukraine die Weltgemeinschaft auf, die jüngste völkerrechtswidrige Annexion ihrer Gebiete im Süden und Osten durch Russland zu verurteilen.

Nach Einschätzung der US-Regierung waren die Luftangriffe wohl schon länger vorbereitet und wurden nach den Explosionen auf der Krim-Brücke beschleunigt. «Wahrscheinlich hatten sie das vor geraumer Zeit geplant», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, dem Sender CNN. Er bekräftigte, Washington habe keine Hinweise, dass Russland Atomwaffen aktiviere.

US-Präsident Biden sagte der Ukraine im Telefonat mit Selenskyj fortdauernde Unterstützung zu, darunter weitere moderne Flugabwehrsysteme. Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg kündigte zusätzliche Militärhilfe für Kiew an. «Wir werden unsere Unterstützung für die Ukraine verstärken und aufrechterhalten, damit sie sich weiterhin verteidigen und ihr Territorium von der russischen Besatzung befreien kann», sagte Stoltenberg in Brüssel. Das Momentum liege bei der Ukraine. Diese mache weiterhin bedeutende Fortschritte.

Kremlsprecher Dmitri Peskow reagierte mit Kritik auf die von den USA angekündigten Waffenlieferungen. Laut Agentur Interfax sagte er, diese würden den Krieg nur verlängern und es «schmerzvoller für die ukrainische Seite» machen.

Eskalation könnte noch mehr Menschen in die Flucht treiben
Deutschland und andere Staaten stellen sich wegen der jüngsten russischen Eskalation des Kriegs darauf ein, dass noch mehr Flüchtlinge und Vertriebene aus der Ukraine in die Europäische Union kommen. In Deutschland sind bereits mehr als eine Million Eingereiste aus der Ukraine registriert. Da nun auch vermehrt Menschen aus anderen Krisenregionen Asyl beantragen, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser den Kommunen Hilfe zu. So will der Bund in eigenen Immobilien weitere 4000 Plätze zur Verfügung stellen.

In Polen erklärte Sozialministerin Marlena Malag dem Sender TVP: «Wir sind jederzeit bereit, unsere Grenzen sind offen, und wir sind auch logistisch darauf vorbereitet, Flüchtlinge aufzunehmen.» (awp/mc/pg)

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