Abgas-Affäre bei VW in neuer Dimension

Abgas-Affäre bei VW in neuer Dimension
Matthias Müller, ehemaliger VW-Vorstandschef.

VW-Vorstandschef Matthias Müller verspricht erneut «schonungslose Aufklärung».

Wolfsburg – Der Abgas-Skandal bei Volkswagen erreicht eine neue Dimension: Nicht nur gefährliche Stickoxide, auch klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) dürfte laut internen Untersuchungen von vielen Modellen in grösseren Mengen ausgestossen worden sein als angegeben. Damit könnte der tatsächliche Spritverbrauch von Hunderttausenden Fahrzeugen höher liegen, als deren Besitzer bisher annahmen.

Am Dienstagabend hatte VW nach Manipulationen bei Stickoxid-Werten auch «Unregelmässigkeiten» bei CO2-Werten einräumen müssen. Es gehe dabei hauptsächlich um Dieselautos, aber auch um eine geringe Anzahl von Benzinern. Wie hoch der gemessene Ausstoss über den offiziellen Werten liegt, sagte ein Sprecher zunächst nicht.

Aktie fällt um 10 Prozent
Die neuen Hiobsbotschaften schickten die Vorzugsaktie der Wolfsburger am Mittwoch abermals auf eine Talfahrt. Das Papier sackte nach dem Handelsbeginn in Frankfurt zeitweise um mehr als 10 Prozent ab.

«Nach derzeitigem Erkenntnisstand können davon rund 800’000 Fahrzeuge des Volkswagen-Konzerns betroffen sein», hiess es in Wolfsburg. Europas grösster Autobauer taxierte die wirtschaftlichen Risiken in einer ersten Schätzung auf rund zwei Milliarden Euro.

Falsche CO2-Angaben bei knapp 100 000 VW-Benzinern
Unter den 800’000 Fahrzeugen mit falschen CO2-Werten bei Volkswagen sind nach Angaben von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt auch 98’000 Benziner. Das habe der Konzern mitgeteilt, sagte der CSU-Politiker am Mittwoch im Bundestag. Damit Autobesitzer von drohenden höheren Steuerzahlungen verschont bleiben, bereitet die Bundesregierung eine gesetzliche Regelung vor. Für die betroffenen Modelle müssen nun unter Aufsicht des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) neue Prüfwerte ermittelt werden. VW habe auf eine Aufforderung hin zugesagt, umgehend ein Kundenzentrum als Anlaufstelle einzurichten.

Chef verspricht schonungslose Aufklärung
Der neue Vorstandschef Matthias Müller versprach erneut eine «schonungslose» Aufklärung: «Dabei machen wir vor nichts und niemandem Halt. Das ist ein schmerzhafter Prozess, aber er ist für uns ohne Alternative.» Der Aufsichtsrat reagierte «mit Betroffenheit und Sorge» auf die neuen Erkenntnisse. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wird sich die Aufsichtsratsspitze spätestens an diesem Sonntag treffen, der komplette Aufsichtsrat dann am Montag.

Bisher ging es in dem Skandal ausschliesslich um Stickoxide (NOx). Im September hatte VW eingestanden, bei Abgastests auf dem Prüfstand mit Softwarehilfe die Ergebnisse für Diesel-Motoren manipuliert zu haben. Das Programm schaltet in Testsituationen in einen Sparmodus. In dem Zusammenhang musste VW bereits 6,7 Milliarden Euro zurückstellen.

Vorwürfe aus den USA
In den USA, wo der Abgas-Skandal seinen Ausgang nahm, wandte sich nach einem Bericht des Deutschlandfunks das Energie- und Handelskomitee des US-Repräsentantenhauses mit der Bitte um weitere Informationen an VW-Landeschef Michael Horn. Bis zum 16. November solle dieser weitere Dokumente vorlegen. Die Umweltbehörde EPA wirft VW, Audi und Porsche vor, auch bei grösseren Dieselmotoren getäuscht zu haben. Die Unternehmen wiesen die Anschuldigungen zurück.

Porsche stoppte den Verkauf des Geländewagens Cayenne mit Dieselmotor in den USA. Man habe die Auslieferung der entsprechenden Modelle dort vorerst eingestellt, sagte ein Sprecher am Mittwoch. Dies sei eine reine Vorsichtsmassnahme. Man prüfe die Vorwürfe der EPA noch.

Zu niedrige Werte für CO2
Mit Blick auf die CO2-Werte hatte die Holding der Stuttgarter VW-Luxustochter schon am Dienstagabend angedeutet, dass auch im Ergebnis der Porsche SE ein «belastender Effekt» eintreten könnte. Derzeit gehe man aber für 2015 weiter von einem Gewinn nach Steuern zwischen 0,8 und 1,8 Milliarden Euro aus – auch «unter dem Vorbehalt weiterer Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Dieselthematik».

VW hatte erklärt, im Rahmen der laufenden Überprüfungen aller Prozesse und Abläufe bei Dieselmotoren sei aufgefallen, dass bei der CO2-Zertifizierung einiger Fahrzeugmodelle zu niedrige CO2- und damit auch Verbrauchsangaben festgelegt wurden. Betroffen seien überwiegend Fahrzeuge mit Dieselmotoren. Es gehe um den Polo, Golf und Passat, sagte ein Sprecher. Bei Audi seien A1- und A3-Modelle betroffen. Bei Skoda gehe es um den Octavia, bei Seat um den Leon und Ibiza.

Volkswagen ruft knapp 92’000 Wagen wegen Bremsproblemen zurück
Der Probleme nicht genug muss Volkswagen nun in den USA etwa 92’000 Wagen wegen Problemen mit den Bremsen zur Reparatur in die Werkstätten rufen. Betroffen seien Beetles, Golfs, Jettas und Passats der Modelljahre 2015 und 2016 mit 1,8- und 2,0-Liter-Benzinmotoren, teilte der Autohersteller am Mittwoch mit. Bei einigen Fahrzeugen bestehe die Gefahr, dass es wegen mechanischer Mängel zu Druckverlust für die Versorgung der Bremsen komme, wodurch das Unfallrisiko steige. VW habe die US-Verkehrsaufsicht NHTSA darüber informiert. Das Unternehmen wisse bislang von keinen Verletzungen, die im Zusammenhang mit dem Defekt stünden. (awp/mc/pg)

Volkswagen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert