Weltweite Revolten und Bürgerproteste werden weitergehen

Weltweite Revolten und Bürgerproteste werden weitergehen

(Foto: wellphoto – Fotolia.com)

Gütersloh – Die weltweite Welle von Bürgerprotesten und Revolten von Nordafrika über die Ukraine bis nach Thailand wird sich auch in den kommenden Jahren fortsetzen. Zu dieser Einschätzung kommt der aktuelle Transformationsindex der Bertelsmann Stiftung (BTI), der regelmässig die Entwicklung von Demokratie und sozialer Marktwirtschaft in 129 Entwicklungs- und Transformationsländern misst. Als Ursache sehen die Experten das trotz aller Wachstumsgewinne nach wie vor hohe Mass an Armut und sozialer Ausgrenzung. Gleichzeitig nimmt der Widerstand einer besser vernetzten und selbstbewussteren Zivilgesellschaft gegen den anhaltenden Missbrauch politischer Macht zu.

Wirtschaftliche und soziale Ausgrenzung führen in vielen Ländern dazu, dass Qualität und Legitimität der regierenden Eliten grundsätzlich hinterfragt werden. So sind zum einen zwar die Wirtschaftsleistung und das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen. Von dieser Entwicklung profitieren aber viele Länder nicht, und innerhalb der meisten Staaten gehen Wohlstandsgewinne zumeist nur an kleine städtische Mittelschichten. Insbesondere in Subsahara-Afrika bleiben Massenarmut und soziale Diskriminierung in fast allen Ländern prägend.

Missbrauch politischer Macht
Zum anderen ist anhand der BTI-Daten in vielen Ländern ein anhaltender Missbrauch politischer Macht festzustellen, der sich nicht auf autoritär regierte Staaten begrenzt. So mussten in 59 der 75 untersuchten Demokratien in den vergangenen acht Jahren zum Teil erhebliche Rückschritte bei demokratischen Standards wie faire Wahlen, Pressefreiheit, Rechtssicherheit oder der staatlichen Gewaltenteilung beobachtet werden. Dazu zählen in Europa etwa Albanien, Bulgarien, Rumänien oder Ungarn.

Russland eine Autokratie
Eine Reihe von Staaten weisen derart massive Rückschritte auf, dass sie mittlerweile demokratischen Grundstandards nicht mehr genügen. Erstmals ordnet der BTI auch Russland als Autokratie ein.

Zivilgesellschaft besser vernetzt und selbstbewusster
Gegen Misswirtschaft, Willkür und Korruption nimmt der Widerstand einer besser vernetzten und selbstbewussteren Zivilgesellschaft zu. So ist in 48 Staaten eine Verbesserung der politischen und sozialen Integration zu messen, und sind in einem Sechstel der untersuchten Länder die Parteien repräsentativer und die Interessengruppen kooperativer und vernetzter geworden. In Indien etwa wuchs die Zahl der Nichtregierungsorganisationen auf drei Millionen.

Vermehrter politischer und sozialer Protest erhöht aber auch die Instabilität der politischen Systeme. Dies wurde vor allem in den arabischen Revolutionsländern deutlich, wo zwar die politischen Beteiligungsmöglichkeiten deutlich zunahmen, gleichzeitig aber Stabilität, Sicherheit und Minderheitenrechte ebenso stark eingeschränkt wurden.

Ein weiterer Faktor der Instabilität ist der zunehmende Einfluss religiöser Dogmen auf Rechtsordnung und staatliche Institutionen. Er hat in den letzten acht Jahren in 25 von 40 im BTI untersuchten afrikanischen Staaten zugenommen, vor allem in Ägypten, Libyen und Mali. Umso problematischer ist es angesichts zunehmender gesellschaftlicher Polarisierungen, dass die Qualität des Konfliktmanagements jener Aspekt von Regierungsqualität ist, der sich in den vergangenen Jahren am stärksten verschlechtert hat.

Es gibt auch positive Beispiele
Als Fazit des aktuellen Berichts prognostizieren die Experten der Bertelsmann Stiftung eine Fortsetzung der globalen Protestwelle. Solange Demokratisierung und inklusives Wachstum nur wenig verbreitet seien und kluge Reformen verweigert würden, sei mit fortdauernden Unruhen gegen schlechte Regierungsführung zu rechnen. Dabei zeige der BTI von Uruguay über Ghana und Polen bis Taiwan weltumspannend auch positive Beispiele auf, wie Regierungen sowohl moderierend auf Konflikte und soziale Spannungen reagieren wie auch bewusst zivilgesellschaftliche Beteiligungsprozesse fördern könnten. (Bertelsmann Stiftung/mc/pg)

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