Alexander Hagemann, CEO Cicor, im Interview

Alexander Hagemann, CEO Cicor, im Interview
Alexander Hagemann, CEO Cicor. (Foto: Cicor)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Hagemann, Cicor scheint von den Schweizer Halbleiter- und Elektronikfirmen die erste zu sein, die aus der generellen Branchenschwäche wieder herausfindet. Worauf führen Sie das zurück?

Alexander Hagemann: Cicor ist von dem äusserst zyklischen Geschäft mit Anlagen zur Halbleiterproduktion kaum betroffen, weil wir vielmehr Highend-Elektronik für anspruchsvolle Branchen entwickeln und produzieren. Dies ist ein viel stabileres und auch langfristig wachsendes Geschäft.

Spielt auch die Spezialisierung eine Rolle?

Absolut. Unser bereits seit Jahren etablierter Fokus auf die Medizintechnik, Industrieelektronik sowie Luft-/Raumfahrt & Verteidigung zahlt sich aus. Diese Branchen sind äusserst robust und entwickeln sich auch im aktuellen konjunkturellen Umfeld solide.

«Unser bereits seit Jahren etablierter Fokus auf die Medizintechnik, Industrieelektronik sowie Luft-/Raumfahrt & Verteidigung zahlt sich aus.»
Alexander Hagemann, CEO Cicor

Ich nehme an, der Trend zum Reshoring, mit anderen Worten auch «weg von China», bringt den entscheidenden Rückenwind…?

Wir haben tatsächlich starken Rückenwind aus verschiedenen Gründen: Das von Ihnen erwähnte Reshoring (Rückverlagerung der Produktion und Herstellung ins Heimatland, A.d.R.) trägt ebenso dazu bei wie ein genereller Trend zu mehr Outsourcing und das Wachstum des Elektronikmarktes speziell in den von uns bedienten Märkten.

Welche Rolle wird Vietnam nach der jetzt erfolgten Fabrikvergrösserung spielen?

Die erwähnten Wachstumstreiber führen gemeinsam mit unserem Geschäftsmodell zu organischen Wachstumsraten im hohen einstelligen Prozentbereich. Das bedeutet für uns jährlich mehr als 30 Millionen Franken Zusatzumsatz, den wir natürlich auch produzieren müssen. Dazu haben wir uns die notwendigen Kapazitäten geschaffen, mit denen wir das organische Wachstum für die nächsten zwei bis drei Jahre darstellen können. Wir haben in Vietnam nur einen mittleren einstelligen Millionen-Franken-Betrag investiert, was auch zeigt, wie gut unser Geschäft skalierbar ist.

«Wir haben in Vietnam nur einen mittleren einstelligen Millionen-Franken-Betrag investiert, was auch zeigt, wie gut unser Geschäft skalierbar ist.»

Ihr Book-to-Bill-Ratio ist mit 1,13 aussergewöhnlich. Kommen Sie mit der Produktion nach?

Ja, das schaffen wir sehr gut, zumal wir die Lieferkettenkrise nun weitgehend hinter uns gelassen haben. Wir haben Kapazitäten, mit denen wir einen Umsatz von jährlich rund 500 Millionen Franken realisieren können. Das liegt etwa 25% oberhalb der Guidance für 2023.

Trotz der guten Zahlen hat sich der Aktienkurs von Cicor kaum bewegt. Liegt das an dem nahen Wandelpreis der Wandelanleihe von 47,50 CHF?

Cicor hat in den Jahren nach 2016 einen Turnaround hingelegt und eine Strategie umgesetzt, die zu organischer Wachstumskraft mit verbesserter operativer Leistung und letztendlich finanziell guten Ergebnissen geführt hat – eine zweistellige EBITDA Marge ist heute für uns die Regel. Seit zwei Jahren beschleunigen wir das Wachstum durch selektive Akquisitionen in unserem Kerngeschäft, die aufgrund unseres Akquisitions- und Integrationsprozesses sofort einen positiven Wertbeitrag liefern. Ich denke, dass dieser Aufstieg von Cicor von vielen Investoren noch nicht wahrgenommen wurde, weswegen die Liquidität in unserem Titel leider derzeit recht gering ist. Wir werden unseren Weg weitergehen – in der Erwartung, dass sich der doch recht deutliche Bewertungsabschlag zum Markt gelegentlich korrigieren wird.

«Mit dem Erwerb von STS Defence machen wir in Grossbritannien, dem weltweit wichtigsten Markt hinter den USA und China, ein starkes Angebot und legen damit die Basis für weiteres Wachstum.»

Werden der Ukraine- und neu der Palästina-Krieg auch Auswirkungen auf Ihre Aktivitäten in den Bereichen Luft- und Raumfahrt & Verteidigung wegen zunehmender Nachfrage haben? Steht die Übernahme von STS Defence damit in Zusammenhang?

Dieser Markt reagiert sehr langfristig auf geopolitische Veränderungen. Bereits 2014, nach der Invasion Russlands in der Ostukraine und der Annexion der Krim, ist das Bewusstsein gewachsen, dass eine Modernisierung der Sicherheitsarchitektur in Europa unumgänglich ist – hier gab es für mehr als ein Vierteljahrhundert erhebliche Versäumnisse, und es wurden Programme aufgelegt, die zu nachhaltigem Marktwachstum führen. Nach unseren Erkenntnissen wird sich dieser Trend in den nächsten Jahren unverändert fortsetzen. Mit dem Erwerb von STS Defence machen wir in Grossbritannien, dem weltweit wichtigsten Markt hinter den USA und China, ein starkes Angebot und legen damit die Basis für weiteres Wachstum.

Auch bei Leiterplatten und Schaltungen hat die Drucktechnik zu einer weiteren Miniaturisierung geführt. Wie weit kann diese gehen?

Cicor ist ein Vorreiter bei der Miniaturisierung: Wir können kleinste Strukturen für Substrate in verschiedenen Technologien erzeugen, als Leiterplatte, Dünnschichtsubstrat oder gedruckte Schaltung. Diese können wir mit den kleinsten verfügbaren Bauteilen bestücken, die mit blossem Auge gar nicht mehr erkennbar sind. Dies schafft die besten Voraussetzungen für anspruchsvolle Märkte wie Endoskopie oder Hörgeräte.

Mit der Übernahme der beiden EMS-Töchter zu Jahresbeginn von Phoenix Mecano scheinen Sie ja sehr zufrieden zu sein…

Wir sind tatsächlich äusserst zufrieden. Durch die Synergien in Einkauf und Produktion gelang sowohl eine signifikante Umsatzsteigerung als auch die Ausweitung der operativen Marge. Dies ist der Beweis, dass die «Best Owner»-Strategie greift: Im passenden Umfeld kann ein akquiriertes Geschäft sein Potenzial vollumfänglich realisieren.

Wo könnten sich in den nächsten Jahren allenfalls Synergien zwischen Schweizer Chip-Elektronik-Herstellern ergeben?

Diese Frage würde ich gerne auf zwei Arten beantworten: Einerseits verbessern wir unser Leistungsangebot weiter, um die Anforderungen von Schweizer und internationalen Kunden noch besser bedienen zu könne. Zum Beispiel durch die kontinuierliche Ausweitung unserer Entwicklungsleistungen. Und andererseits werden wir auch in Zukunft die Konsolidierung im Bereich Electronic Manufacturing Services vorantreiben, wobei wir auf die attraktivsten Märkte in Europa fokussiert sind.

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