Beat Röthlisberger, CEO PostFinance, im Interview

Beat Röthlisberger, CEO PostFinance, im Interview
Beat Röthlisberger, CEO PostFinance. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Röthlisberger, PostFinance hat den Gewinn in der ersten Jahreshälfte deutlich gesteigert. Der Reingewinn wurde mehr als verdoppelt, der Geschäftserfolg verdreifachte sich auf 134 Millionen Franken. Was führte abgesehen von einem Sondereffekt in der Höhe von 37 Millionen Franken zum guten Resultat?

Beat Röthlisberger: PostFinance konnte den Gewinn im ersten Halbjahr 2025 deutlich steigern – neben dem einmaligen Umstellungseffekt trugen mehrere Faktoren zum starken Resultat bei:

  • Zinserfolg: Der Zinserfolg nach Wertberichtigung stieg um 106 Millionen Franken. Grund dafür sind höhere Renditen bei Neuanlagen seit dem Zinsanstieg Ende 2022.
  • Passivzinsen: Der Aufwand für Kundenzinsen sank um 120 Millionen Franken, da PostFinance die Zinsen auf Spar- und Vorsorgekonten infolge der expansiveren Geldpolitik der SNB mehrfach senken musste.
  • Vorjahreseffekt: Das Ergebnis im Vorjahr war durch eine Wertberichtigung von 25 Millionen Franken belastet.
  • Kostenmanagement: Der Geschäftsaufwand konnte insgesamt um 25 Millionen Franken gesenkt werden – insbesondere durch eine Reduktion des Sachaufwands um 45 Millionen Franken. Der Personalaufwand stieg hingegen um 20 Millionen Franken, unter anderem wegen höherem Personalbestand und Vorsorgeaufwänden.
  • Zinsindifferentes Geschäft: Trotz rückläufiger Bargeldtransaktionen und tieferem übrigen Geschäftsertrag (–41 Millionen Franken) konnten die Erträge aus Anlageprodukten dank Kursgewinnen und Nettomittelzuflüssen gesteigert werden.

Was ermöglichte den deutlich tieferen Sachaufwand?

Möglich wurde dies durch gezielte Effizienzmassnahmen, die Auslagerung des Betriebs der Postomaten sowie eine deutliche Reduktion der Projektaufwände. Strategisch setzt PostFinance weiterhin auf die Vereinfachung und Digitalisierung von Prozessen. Diese Ausrichtung erlaubt es, Ressourcen wirkungsorientiert einzusetzen – ein entscheidender Hebel angesichts der hohen Abhängigkeit vom Zinsgeschäft.

Der höhere Personalaufwand ist auf einen gestiegenen Personalbestand, höhere Vorsorgeaufwände und Restrukturierungsrückstellungen zurückzuführen. Dennoch überwiegen die Einsparungen im Sachaufwand, was insgesamt zu tieferen Gesamtkosten führt.

Wie haben sich die stark gesunkenen Leitzinsen ausgewirkt?

Die Zinssenkungen belasten PostFinance deutlich – und zwar stärker als andere Banken. Seit Juni 2025 werden Sichtguthaben bei der SNB nicht mehr verzinst. Da PostFinance aufgrund des Kreditvergabeverbots grosse liquide Mittel bei der SNB halten muss, führte dies zu einem Rückgang der Zinserträge aus SNB-Guthaben und dem Interbankengeldmarkt um 96 Millionen Franken. Anders als andere Banken darf PostFinance bekanntlich keine Kredite oder Hypotheken vergeben. Unser Geschäftsmodell basiert fast ausschliesslich auf dem Zinsdifferenzgeschäft – also der Differenz zwischen den Zinsen, die auf Kundengelder bezahlt werden, und den Erträgen aus Finanzanlagen. Sinkende Leitzinsen schmälern diesen Spielraum erheblich und treffen PostFinance damit besonders hart.
Auch die Kapitalmarktzinsen sind gesunken: Die Renditekurve hat sich deutlich nach unten verschoben. Zehnjährige Bundesanleihen lagen Mitte Juni bei nur noch 0,32 Prozent, kürzere Laufzeiten sogar im negativen Bereich. Neuanlagen können daher nur noch zu tieferen Renditen abgeschlossen werden, was die Zinserträge zusätzlich belastet.

Fazit: Die Leitzinssenkungen wirken sich direkt und strukturell negativ auf das Geschäftsmodell von PostFinance aus. Ohne Kreditvergabe bleibt das Unternehmen stark abhängig von stabilen Zinsmargen – ein Nachteil, der sich in der aktuellen Marktlage besonders deutlich zeigt.

«Die Zinssenkungen belasten PostFinance deutlich – und zwar stärker als andere Banken.»
Beat Röthlisberger, CEO PostFinance

Sie haben Ihr Amt im Juli 2024 angetreten. Welchen Einfluss konnten Sie auf die Strategie noch nehmen?

Ja, das ist so, dennoch konnte ich mich von Anfang an in die Ausarbeitung der neuen Strategie 2025-2028 eingeben und Akzente setzen. Mein Ziel war es, bestehende Initiativen zu stärken und gleichzeitig neue Impulse zu geben, wo ich Handlungsbedarf sah.

Was sind die Ziele der von Ihnen eingeleiteten Reorganisation?

Im Rahmen der neuen Strategieperiode 2025–2028 richtet PostFinance ihr Organisationsmodell konsequent auf die Bedürfnisse ihrer Kundinnen und Kunden aus. Mit der Strategie verfolgt das Unternehmen das Ziel, klare Verantwortlichkeiten zu schaffen, Effizienzen zu steigern und Synergien gezielt zu nutzen. Die Reorganisation ist eine Antwort auf die Herausforderungen im Marktumfeld, insbesondere die zunehmende Konkurrenz durch Fintechs und Neobanken sowie die Zinssenkungen der Schweizerischen Nationalbank, die das Zinsumfeld für PostFinance erschweren. Ein zentrales Ziel der Reorganisation ist der Ausbau des zinsunabhängigen Geschäfts. PostFinance will alternative Ertragsquellen sichern und ihre Ressourcen dort einsetzen, wo sie die grösste Wirkung entfalten. Dies setzt eine kontinuierliche Verbesserung der Organisation und eine konsequente Effizienzsteigerung voraus. Die gewonnene Effizienz soll es ermöglichen, auch in einem sinkenden Zinsumfeld gezielt in die Kernsegmente zu investieren und so die Qualitäts- und Leistungsführerschaft nachhaltig zu erreichen.

«PostFinance will alternative Ertragsquellen sichern und ihre Ressourcen dort einsetzen, wo sie die grösste Wirkung entfalten.»

Die neue Struktur orientiert sich entlang der Hauptkundensegmente Privat- und Firmenkunden. Die bisher unterschiedlichen Schwerpunkte – Kund:innen bei Retail Banking und Produkte bei Payment Solutions – werden vereinheitlicht und auf die Kund:innen ausgerichtet. Mit der neu geschaffenen Einheit «Customer Experience» investiert PostFinance gezielt in die Kundenverbundenheit und gestaltet Kundenerlebnisse entlang klar definierter Customer Journeys. Unser Fokus liegt klar auf der Kundenzentrierung, der Verbesserung der Service-Erlebnisse sowie dem Ausbau der Beratungsqualität für unsere Kundinnen und Kunden.

Sie haben es angesprochen: Wie Ihr Vorgänger kämpfen auch Sie für eine Aufhebung des Kreditverbots von PostFinance. Dabei geht es Ihnen aber nicht um das Hypothekargeschäft, sondern um das Firmenkundengeschäft. Wie könnte das aussehen und wie schätzen Sie die Chancen Ihrer Pläne ein?

Was fehlt, ist ein verlässlicher Finanzierungspartner für mittelgrosse Schweizer Unternehmen, insbesondere im Segment zwischen den Angeboten der Kantonalbanken und den Grossbanken. PostFinance verfügt über die Fähigkeiten, die Mittel und die Marktkenntnis, um diese Lücke zu schliessen. Konkret stellen wir uns vor, dass PostFinance künftig Liquiditätsfinanzierungen anbieten und sich beispielsweise an Konsortialkrediten beteiligen kann – etwa für Unternehmen, die zu gross für lokale Banken, aber zu klein für internationale Player sind. Dabei würden wir bewusst nicht den Lead übernehmen, sondern mit Partnern wie der UBS oder ZKB zusammenarbeiten.

Was die Chancen betrifft: Ich bin realistisch, aber optimistisch. Die politische Diskussion muss in einem sauberen Prozess geführt werden. Die Bankenlandschaft hat sich seit dem Wegfall der Credit Suisse stark verändert – und wir sind überzeugt, dass PostFinance hier einen echten Mehrwert leisten kann.

«Die Bankenlandschaft hat sich seit dem Wegfall der Credit Suisse stark verändert – und wir sind überzeugt, dass PostFinance hier einen echten Mehrwert leisten kann.»

Postfinance hat vier Jahre nach Lancierung des Joint Ventures Yuh ihre 50-Prozent-Beteiligung an Swissquote verkauft. Wie kam es zu diesem Entscheid, die Finanz-App stösst ja durchaus auf Anklang und spricht junge Leute an?

Diesen Entscheid haben Swissquote und PostFinance gemeinsam gefasst. Für alle Beteiligten ist es der passende Zeitpunkt für diesen Schritt. Yuh kann mit nur einem Mutterhaus die Expansionsstrategie effizienter und fokussierter vorantreiben. Wir hingegen wollen uns auf die Eckwerte unserer Strategie konzentrieren und im herausfordernden Marktumfeld jene Bereiche im eigenen Unternehmen vorantreiben, die am meisten Wirkung für unsere Kundinnen und Kunden erzielen. Der Verkauf von Yuh gibt uns die Möglichkeit, unsere digitalen Angebote gezielt weiterzuentwickeln – mit Fokus auf Sicherheit, Vertrauen und intuitive Services. Mit einem stark ausgebauten Self-Service-Bereich können wir dem Kundenwunsch nach Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit noch besser nachkommen.

Wir sind stolz darauf, Teil der Erfolgsgeschichte von Yuh gewesen zu sein. Die App hat sich in Rekordzeit zur beliebtesten Finanzlösung der Schweiz entwickelt und unterstreicht unsere Rolle als Gestalterin innovativer Lösungen im Schweizer Finanzplatz.

Postfinance bietet nach drei Jahren wieder passiv verwaltete Vorsorgefonds an. Weshalb der Strategiewechsel?

PostFinance reagiert mit der Wiedereinführung passiv verwalteter Vorsorgefonds auf veränderte Kundenbedürfnisse. Während 2022 der Fokus bewusst auf aktiv verwaltete Fonds mit ESG-Kriterien gelegt wurde, zeigt sich heute ein wachsendes Interesse an kostengünstigen, indexierten Anlagelösungen. Mit dem erweiterten Angebot bietet PostFinance nun eine grössere Auswahl an konventionellen und nachhaltigen Vorsorgefonds mit verschiedenen Aktienanteilen.

PostFinance gestaltet die Kundenzonen ihrer Filialen neu. Wie stark werden diese noch frequentiert, in Zeiten, in denen immer mehr Prozesse digital abgewickelt werden?

Die Frequenzen in unseren Kundenzone bewegen sich über die letzten 4 Jahre gesehen in einem stabilen Rahmen. Trotz zunehmender Digitalisierung ist somit kein wirklich rückläufiger Trend erkennbar. Unsere physischen Standorte lassen sich in diesem Zusammenhang auch nicht vergleichen mit den physischen Zugangspunkten von PostNetz. In den Postfilialen entwickeln sich die Kundenfrequenzen aufgrund stark abnehmender Bareinzahlungen und Briefvolumen, getrieben durch die Digitalisierung (eBanking & E-Mail), markant rückläufig. Kund:innen, die sich einen physischen Standort von PostFinance wenden, haben das Bedürfnis nach Beratung und Betreuung. Hier steht der persönliche Kontakt und der unmittelbare, kundenorientierte Service (Unterstützung, Problemlösung) im Vordergrund. Das sind Bedürfnisse, welchen auf digitalen Kanälen erst teilweise entsprochen werden kann oder für welche zumindest ein gewisser Teil unserer Kundschaft den persönlichen Kontakt einfach bevorzugen. Diesem Kundenwunsch wollen wir auch in Zukunft entsprechen und das in zeitgemäss und einladend gestalteten Kundenzonen.

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