Stefan Ruf, CEO Euler Hermes Schweiz, im Interview

Stefan Ruf, CEO Euler Hermes Schweiz, im Interview
Stefan Ruf, CEO von Euler Hermes Schweiz. (Foto: Euler Hermes)

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Ruf, während Euler Hermes schon Mitte des Jahres eine Abkühlung der Konjunktur prognostizierte, scheint die Abkühlung rasanter als geplant zu verlaufen. Zudem liegt der Dow Jones tiefer als noch vor einem Jahr. Wie sehen Ihre Prognosen für 2019 aus?

Stefan Ruf: Die letzten Monate haben gezeigt, dass eine zunehmende  Unsicherheit über die Entwicklung im 2019 besteht. Einerseits lassen die makroökonomischen Fundamentaldaten darauf schliessen, dass 2019 durchaus noch Chancen bietet , die Wachstumsraten in den meisten Regionen aber tiefer sein werden als noch 2018. Was sich jedoch fortsetzen wird, ist der Umstand, dass sich die Stimmung relativ rasch ändern kann. Am schnellsten macht sich dies, wie wir gesehen haben, an den Börsen bemerkbar.

«Das abgeschwächte Wachstum in China ist keineswegs nur auf den Handelskrieg zurückzuführen. Langfristig haben weder die USA noch China ein Interesse sich gegenseitig auszubremsen.» Stefan Ruf, CEO Euler Hermes Schweiz

Die USA haben mit China einen veritablen Handelskrieg begonnen. Welche Risiken eröffnen sich dadurch für die Weltwirtschaft, welche Chancen böten sich eventuell für die EU und die Schweiz?

Der sogenannte Handelskrieg zwischen den USA und China ist in der Tat ein spannendes Thema. Primär entstehen damit Unsicherheiten. Inwieweit sich dies auf die Weltwirtschaft auswirken wird ist, nach wie vor umstritten. Das abgeschwächte Wachstum in China ist keineswegs nur auf den Handelskrieg zurückzuführen. Langfristig haben weder die USA noch China ein Interesse sich gegenseitig auszubremsen. In der gegenwärtigen Situation böte sich Europa in der Tat die Chance sich als dritte Kraft zu positionieren. Aufgrund der eigenen Herausforderungen scheint dies aber nur schwer möglich zu sein. Das Risiko für die Schweiz ist die Währungsentwicklung. Der Schweizer Franken wird auch in nächster Zukunft ein sicherer Hafen für Anleger sein, was wiederum negative Auswirkungen auf den Produktionsstandort und die Exportwirtschaft der Schweiz haben könnte.

Afrikanische Länder wie Kenia werden vor allem durch Infrastrukturprojekte unter chinesischer Führung unterstützt. China stellt zudem zusätzliche Kredite zu Verfügung, welche teilweise wiederum durch die Infrastruktur gedeckt sind. Was heisst das für das Risikoprofil dieser Länder und für Investitionsmöglichkeiten zum Beispiel von Schweizer Unternehmen?

Seit längerem investiert China in afrikanische Infrastrukturprojekte und stellt Finanzierungen zur Verfügung. Damit werden gute Voraussetzungen geschaffen, um China langfristig als wichtigen Handelspartner afrikanischer Länder zu etablieren. Es ist jedoch wichtig, dass diese Länder günstige Wachstumsvoraussetzungen im Binnenmarkt schaffen und das Wachstum nicht nur durch Finanzierungen von aussen sicherstellen. Die Risiken in afrikanischen Staaten bleiben deshalb mehrheitlich hoch. Schweizer Unternehmen können auf dem afrikanischen Kontinent nur mittels Qualität und Termintreue den Zuschlag für Infrastrukturprojekte gewinnen, was unter den genannten Rahmenbedingungen sehr anspruchsvoll ist.

«Wenn wir von Investitionsmöglichkeiten sprechen, dann denken wir langfristig. Aus diesem Grund bestehen in den USA und GB gewisse Fragezeichen.»

Welche Länder bieten 2019 besonders attraktive Investitionsmöglichkeiten für Schweizer Firmen?

Wichtig ist die Entwicklung einzelner Länder. Das Augenmerk sollte einerseits vor allem auf politische Risiken gelegt werden. Andererseits wird sich der Trend fortsetzen, dass Produzenten vermehrt in ihren Absatzmärkten investieren und in der Nähe ihrer Kunden Produktionskapazität aufbauen. Diese Entwicklung ist nicht nur getrieben durch die Wichtigkeit der Marktnähe sondern auch die zunehmende Tendenz zum Protektionismus. Für Schweizer Firmen sind die klassischen Hauptexportmärkte und Asien interessant. Wenn wir von Investitionsmöglichkeiten sprechen, dann denken wir langfristig. Aus diesem Grund bestehen in den USA und GB gewisse Fragezeichen.

Und in welchen Ländern ist besondere Vorsicht geboten?

Vorsicht ist in den Schwellenländern geboten. Einige positive Entwicklungen sind festzustellen allerdings auf tiefem Niveau.

Obschon der Brexit in der UK-Wirtschaft bis anhin noch nicht die zuvor befürchteten tiefen Bremsspuren hinterlassen hat, mehren sich die Stimmen, dass die Gesamtbilanz nach dem Brexit über Jahre negativ sein wird. Wie ist Ihre Einschätzung, gewinnt oder verliert die UK durch den Brexit wirtschaftlich?

Euler Hermes schätzt, dass der Brexit sich wirtschaftlich negativ auf Grossbritannien auswirken wird. In gewissen Industrien ist bereits heute die Verlagerung von Kapazität und somit Arbeitsplätzen ins Ausland feststellbar. Je länger die politischen Verhandlungen und damit Unsicherheit über deren Ausgang besteht, desto mehr Unsicherheit und Zurückhaltung entsteht, was die negativen Auswirkungen noch zusätzlich verstärken könnte.

«Euler Hermes schätzt, dass der Brexit sich wirtschaftlich negativ auf Grossbritannien auswirken wird.»

Wie wirkt sich die seit der Finanzkrise 2008 merklich verlangsamende Globalisierung auf die wirtschaftliche Entwicklung der Schweiz aus, die gemäss KOF-Globalisierungsindex das am meisten globalisierte Land der Welt ist?

Die globale Bedeutung der Schweiz sollte nicht überschätzt werden. Die Schweiz steht, abgesehen von der Beziehung zur EU, bei den  grossen globalen Wirtschaftsthemen nicht im Fokus. Die eigene Position konnte in vielen Märkten weiter ausgebaut werden, zum Beispiel mit dem Abschluss von effizienten bilateralen Verträgen mit weiteren Ländern. Weitaus wichtigere Faktoren sind jedoch Produkte und Dienstleistungen von hoher Qualität, welche auch in Zukunft die globale Nachfrage antreiben. Somit steht die Frage im Zentrum, wie auch weiterhin die Innovationskraft der Schweizer Wirtschaft aufrechterhalten werden kann.

Gemäss dem Online-Vergleichsportal comparis steht es um die Zahlungsmoral der Schweizer eher bescheiden aus, wenn man die Anzahl Betreibungen als Massstab nimmt. Wie sieht das bei den Unternehmen aus, welche Tendenzen lassen sich weltweit erkennen und wo steht die Schweiz im internationalen Vergleich?

Die Zahlungsmoral kann nicht mit der Anzahl Betreibungen gleichgestellt werden. Im internationalen Vergleich haben wir in der Schweiz weiterhin sehr kurze Zahlungsziele. Schulden können relativ einfach und rasch eingetrieben werden. Die steigende Anzahl Betreibungen in der Schweiz hat einen Zusammenhang mit der dynamischen Wirtschaftsstruktur und den vielen KMU. Die Anzahl Firmengründungen hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen, was ein Indikator für eine lebhafte Wirtschaft und positive Rahmenbedingungen sind. In der Folge haben auch Firmenkonkurse zugenommen mit rund 5000 im Jahre 2018 sind wir auf dem auf dem höchsten Niveau. Diese Zahl dürfte 2019 gemäss den Prognosen von Eugen Hermes noch einmal um 1% zunehmen. Daraus eine negative Tendenz wirtschaftlichen Entwicklung abzuleiten zu wollen, erachte ich allerdings übertrieben.

Welche Entwicklungen werden die Schweizer Wirtschaft in den kommenden zwei Jahren besonders prägen und wo sehen Sie für Euler Hermes die grössten Entwicklungschancen?

Die Schweiz dürfte ebenfalls einen Fortsetzung des wirtschaftlichen Abschwungs sehen. Die Frage ist in welchem Umfang und in welcher Geschwindigkeit. Dies ist vor allem getrieben von der politischen Entwicklung in den aktuellen grossen Fragestellungen. Die stark vom Export geprägte Schweizer Wirtschaft muss auf den internationalen Märkten weiter diversifizieren. Diversifizierung ist die erste Massnahme, wenn es um Risikoreduktion geht. Statt nur auf einen Absatzmarkt zu setzen z.B. Europa oder USA ist es klüger in verschiedenen Märkten insbesondere auch in Asien aktiv zu sein. Euler Hermes kann Firmen bei der Expansion in neue internationale Märkte begleiten und die Geschäfte in den bestehenden Absatzregionen absichern. Mit unserer globalen Präsenz, jahrzehntelanger Erfahrung in nahezu allen Branchen und unseren massgeschneiderten Debitoren- und Kreditversicherungslösungen können wir Firmen für die Zukunft stärken.

«Die globale Bedeutung der Schweiz sollte nicht überschätzt werden. Die Schweiz steht, abgesehen von der Beziehung zur EU, bei den  grossen globalen Wirtschaftsthemen nicht im Fokus.»

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche. Wie sehen die aus?

Ich wünsche den Schweizer Unternehmen, dass sie weiterhin auf die eigene Stärke zählen und die Innovation ihre Produkte vorantreiben. Gepaart mit der typischen schweizerischen Anpassungsfähigkeit besteht auch in Zukunft und bei anspruchsvollem Umfeld gute Chancen, um auf den Weltmärkten erfolgreich wirtschaften zu können.

Der Gesprächspartner:
Stefan Ruf wurde am 1. April 2013 zum CEO der Euler Hermes Schweiz AG ernannt.

Stefan Ruf begann seine Laufbahn 1992 bei der Schweizerischen Kreditanstalt Solothurn und absolvierte anschliessend eine langjährige Karriere in verschiedenen Führungspositionen im Corporate Business bei der Credit Suisse. Von 2006 bis 2013 war er Leiter der Abteilung „Special Products Leasing“ und gehörte dem Board of Directors der Credit Suisse Fleetmanagement AG an.

Stefan Ruf hat Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Bern und Neuenburg studiert. Seit 2013 ist Stefan Ruf Vorstandsmitglied im Verband „Swiss Export“. In seiner Freizeit engagiert er sich als Präsident für die alljährlichen Powerman Duathlon Weltmeisterschaften in Zofingen.

Das Unternehmen:
Euler Hermes ist weltweiter Marktführer im Kreditversicherungsbereich und anerkannter Spezialist in den Bereichen Kautionen, Garantien sowie Vertrauensschadenversicherung inkl. Cybercrime. Das Unternehmen verfügt über mehr als 100 Jahre Erfahrung und bietet seinen Business-to-Business(B2B)-Kunden Finanzdienstleistungen an, um sie im Liquiditäts- und Forderungsmanagement zu unterstützen. Über das unternehmenseigene Monitoringsystem wird täglich die Insolvenzentwicklung kleiner, mittlerer und multinationaler Unternehmen verfolgt und analysiert, die in Märkten tätig sind, auf die 92% des globalen BIP entfallen. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Paris ist in 52 Ländern vertreten und beschäftigt mehr als 6‘050 Mitarbeiter. Euler Hermes ist eine Tochtergesellschaft der Allianz und ist an der Euronext Paris notiert (ELE.PA). Das Unternehmen wird von Standard & Poor’s mit einem Rating von AA bewertet. 2017 wies das Unternehmen einen konsolidierten Umsatz von EUR 2,6 Milliarden aus und versicherte weltweit Geschäftstransaktionen im Wert von EUR 894 Milliarden. Euler Hermes Schweiz beschäftigt rund 50 Mitarbeitende an ihrem Hauptsitz in Wallisellen und den weiteren Standorten in Lausanne und Lugano. Weitere Informationen finden sich unter: www.eulerhermes.ch

Firmeninformationen zu Euler Hermes bei monetas.ch

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