Christoph Erni, Gründer und CEO Juice Technology, im Interview

Christoph Erni, Gründer und CEO Juice Technology, im Interview
Christoph Erni, Gründer und CEO Juice Technology. (Foto: Juice)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Erni, lassen Sie uns zuerst die aktuelle Lage rund um Elektroautos in der Schweiz anschauen. Die Verkäufe gingen 2024 um 11 Prozent zurück, aktuell fahren nur 4,4 Prozent der zugelassenen Autos ausschliesslich mit Strom. Importsteuer, Ladenetz, die Angst vor schwächelnden Akkus, Reichweite, hohe Kaufpreise – welches sind die grössten Hürden?

Christoph Erni: Alltagspraktische Überlegungen spielen hierzulande eine wichtige Rolle. Entscheidend ist die Ladesituation: Wer über einen privaten Parkplatz oder über eine Garage mit Stromanschluss verfügt oder am Arbeitsplatz laden kann, entscheidet sich eher für ein E-Auto. Wer hingegen auf öffentliche Ladepunkte angewiesen ist, zögert. Dabei gehört das Ladenetz in der Schweiz mit rund 16’000 öffentlichen Ladepunkten zu den dichtesten Europas. Das sind fast fünfmal mehr Strom- als Kraftstofftankstellen.

Viele Vorurteile – etwa zur Reichweite oder Akkulebensdauer – stammen aus der Anfangszeit der Elektromobilität und halten einer realistischen Prüfung längst nicht mehr stand. Die grösste Hürde ist heute nicht die Technik, sondern die Wahrnehmung. Auch beim Preis kippt das Bild. Die Anschaffungskosten beginnen deutlich zu sinken. Es kommen zahlreiche kompakte, alltagstaugliche Modelle auf den Markt – teils unter 25’000, vereinzelt sogar unter 20’000 Franken – und das nicht nur aus China. Damit wird der Stromer für viele preislich attraktiv.

Unverständlich bleibt hingegen, dass letztes Jahr auch auf Elektroautos eine 4%-Importsteuer eingeführt wurde – mit der Begründung, deren Anteil sei stark gestiegen. Bei einem Marktanteil von gerade mal 4,4% wirkt das wie ein Schildbürgerstreich.

Über den Ausbau des öffentlichen Ladenetzes wird diskutiert, weniger aber über das Laden am Arbeitsplatz. Muss gerade in diesem Bereich mehr getan werden?

Dringend. Zuhause laden ist praktisch, aber nicht für alle realistisch. Der Arbeitsplatz ist die nächste logische Ladeoption. Trotzdem wird dieses Potenzial viel zu wenig genutzt. Wer tagsüber parkt, sollte auch laden können – das entlastet die öffentliche Ladeinfrastruktur, reduziert Ladespitzen am Abend und macht Elektromobilität alltagstauglich.

«Zuhause laden ist praktisch, aber nicht für alle realistisch. Der Arbeitsplatz ist die nächste logische Ladeoption. Trotzdem wird dieses Potenzial viel zu wenig genutzt.»
Christoph Erni, Gründer und CEO Juice Technology

Wie wichtig ist «Charge at Work» einerseits für die Förderung der Elektromobilität, andererseits auch für den Umwelt- und Klimaschutz?

Es ist ein zentraler Hebel. Rund ein Drittel der CO2-Emissionen stammt aus dem Verkehr. Wenn Unternehmen ihre Flotten elektrifizieren und gleichzeitig ihren Mitarbeitenden die Möglichkeit bieten, tagsüber mit sauberem Strom zu laden, wird erstens der eigene Fuhrpark emissionsfrei und zweitens die Belegschaft motiviert, selbst auf Elektrofahrzeuge umzusteigen.

Obwohl der Stromer-Anteil noch überschaubar ist: Macht sich ein Unternehmen mit einer entsprechenden Ladeinfrastruktur auch attraktiver als Arbeitgeber?

Absolut. Wer Ladeinfrastruktur anbietet, signalisiert: Wir denken voraus, wir investieren in moderne Mobilität, und nehmen die Bedürfnisse unserer Angestellten ernst. In Zeiten des Fachkräftemangels ist das kein Nice-to-have, sondern ein Wettbewerbsvorteil im Kampf um junge Talente. Wer bereits ein Elektroauto fährt oder mit dem Gedanken spielt, eines zu kaufen, wird sich für den Arbeitgeber entscheiden, bei dem «Charge at Work» selbstverständlich ist.

Welche technischen Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um Ladestationen an einem Unternehmensstandort effizient zu betreiben?

Wenn mehrere Ladepunkte gleichzeitig in Betrieb sind, ist ein dynamisches Lastmanagement erforderlich. So können die vorhandenen Netzkapazitäten optimal genutzt werden, ohne das Netz zu überlasten. Sinnvoll ist auch ein skalierbares Systemdesign und ein belastbares Backend.

Wie aufwändig und kostspielig ist der Aufbau einer funktionierenden und zukunftsfähigen Ladeinfrastruktur für Unternehmen?

Weniger aufwändig als viele glauben – und auch nicht kostspielig, wenn man es richtig angeht. Eine zukunftsfähige Ladeinfrastruktur lässt sich schnell und ohne viel Bürokratie umsetzen. In den meisten Fällen braucht es dafür auch keine DC-Schnelllader. Mit fest installierten AC-Wallboxen in Kombination mit mobilen Lösungen wie dem JUICE BOOSTER lässt sich eine flexible und skalierbare Ladeumgebung schaffen – kosteneffizient und jederzeit erweiterbar.

Die grösste Hürde ist selten die Technik, sondern fast immer die Entscheidungslähmung im Unternehmen. Wer pragmatisch startet, statt endlos zu diskutieren, und modular denkt, kommt schneller und günstiger ans Ziel.

«Die grösste Hürde ist selten die Technik, sondern fast immer die Entscheidungslähmung im Unternehmen.»

Was muss eine entsprechende Ladeinfrastruktur mit sich bringen?

Als allererstes müssen sie ein fixes Ladekabel haben statt nur eine Ladedose, denn das vereinfacht die Handhabung gefühlt um Faktoren. Ladestationen müssen intuitiv und sicher zu bedienen sein, aber auch zuverlässig funktionieren. Das setzt nicht nur normkonforme Hardware, sondern auch ein stabiles, updatefähiges Betriebssystem voraus. Bei Unternehmensstandorten ist es wichtig, dass sich die Ladeinfrastruktur nahtlos in bestehende Energiemanagementsysteme und PV-Anlagen integrieren lässt, zuverlässig abrechnet und mit dem Bedarf mitwächst. Wichtig dafür ist die Konnektivität: Sowohl hardware- als auch softwareseitig sollten alle gängigen Schnittstellen vorhanden sein – etwa Ethernet oder WLAN sowie etablierte Protokolle wie Modbus/TCP, EEBUS oder OCPP für die Backendanbindung. Kurzum: Ladeinfrastruktur muss wirtschaftlich sinnvoll, technisch einwandfrei und zukunftsfähig sein. So wird sie nicht zum IT-Projekt, sondern zu einem funktionalen Betriebsmittel.

Sie bieten mit JUICE CHARGER me 3 über eine entsprechende Lösung. Wie weit ist die Ladeinfrastruktur erweiterbar?

Unser JUICE CHARGER me 3 ist von Haus aus auf Wachstum ausgelegt. Ein dynamisches Lastmanagement für bis zu 250 Ladepunkte ist bereits serienmässig integriert – ganz ohne zusätzliche Hardware und ohne laufende Kosten. Damit lässt sich selbst ein grösserer Ladepark effizient betreiben und bei Bedarf jederzeit erweitern. Das System ist modular, softwaregesteuert und skalierbar. Mit dem JUICE DASHBOARD steht ein professionelles Backend zur Verfügung, das Remote-Konfiguration, Monitoring, Stationsverwaltung sowie Benutzer- und Zugangsmanagement abdeckt – inklusive flexibler Abrechnungsmodelle. Ob zwei oder zweihundert Ladepunkte: Es bleibt dieselbe Plattform, dieselbe Benutzererfahrung – für Anwender wie für Administratoren.

Setzt man den Fokus auf AC-Laden oder werden gegebenenfalls auch Schnelllader benötigt?

Für Firmenstandorte ist AC-Laden in den meisten Fällen die sinnvollere Wahl. Die Fahrzeuge stehen hier in der Regel mehrere Stunden geparkt, was ideal ist für kostengünstiges und netzschonendes Wechselstromladen.

DC-Schnelllader ergänzen dort, wo es auf Geschwindigkeit ankommt – etwa bei Kurierdiensten, in der Logistik oder für bestimmte Flotteneinsätze. Hier spielen Batteriespeicherlösungen ihre Stärken aus: Gegenüber klassischen Schnellladestationen benötigen sie keine kostspielige Netzverstärkung. Für den JUICE ULTRA 2 battery genügt bereits ein herkömmlicher dreiphasiger Anschluss (CEE-32, CEE-63 oder CEE-125). Und weil er zu Niedertarifzeiten geladen und bei Bedarf wieder entladen werden kann, lassen sich auch die Energiekosten optimieren.

«Für Firmenstandorte ist AC-Laden in den meisten Fällen die sinnvollere Wahl.»

Welche Abrechnungsmöglichkeiten bietet das System für Arbeitgeber?

Vom kostenlosen Laden für Mitarbeiter über pauschale Verrechnungen bis zur kilowattstundengenauen Abrechnung – alles ist möglich. Und zwar so, dass es für HR und Buchhaltung kein Albtraum wird. Mit dem JUICE DASHBOARD lassen sich sämtliche Ladevorgänge am JUICE CHARGER me 3 auf dem Firmengelände verbrauchsgenau einzelnen Nutzern zuordnen. Abrechnungen können dabei flexibel gestaltet und automatisiert erstellt werden.

Für das Laden zu Hause bieten wir mit der JUICE EV FLEET SOLUTION eine universelle Flottenlösung. Herzstück ist der JUICE BOOSTER 3 air, der sich mit entsprechenden Adaptern an praktisch jede Ladesituation am Wohnort der Mitarbeitenden anpasst. Für den Arbeitgeber stehen drei modulare Servicepakete zur Wahl – zum Pauschalpreis von fünf oder zehn Franken pro Nutzer: mit monatlichen Ladebelegen, Rückerstattungsservice oder komplettem Flottenmanagement. Alle Module lassen sich flexibel kombinieren. Kurz: JUICE liefert ein Abrechnungssystem, das sich für kleine Teams genauso eignet wie für grössere Flotten – mit minimalem Aufwand und maximaler Kostentransparenz.

«Elon Musk fällt jedenfalls das Verdienst zu, dass er die E-Mobilität überhaupt erst aus dem Rollstuhl-Eck herausgeholt hat.»

Abschliessend: Als Tesla-Fahrer der ersten Stunde muss ich Sie das fragen: Der Tesla-Absatz in Europa ist seit Elon Musks zweifelhafter Rolle als Trump-Fan und oberster Stellenstreicher in den USA massiv eingebrochen. Zerstört Musk gerade das Tesla-Image?

Ich halte nicht viel von modischem Bashing, das morgen sowieso wieder vergessen ist. Elon Musk fällt jedenfalls das Verdienst zu, dass er die E-Mobilität überhaupt erst aus dem Rollstuhl-Eck herausgeholt hat. Er ist zweifellos ein Jahrhundertgenie. Da darf er sich meiner Ansicht nach auch nonkonform aufführen wie ein Popstar und es ist nicht nötig, dass ich jeden Schritt von ihm beurteile und auf sein Produkt übertrage. Das hat bei anderen grossen Leuten auch niemand getan. Ich kann ja auch genüsslich Michael Jacksons-Songs hören, ohne dabei seine Neverland-Eskapaden zu bewerten.

Dennoch – könnten andere Marken profitieren? Welche Chancen räumen Sie zum Beispiel dem chinesischen Elektroautogiganten BYD hierzulande ein?

China spielt die Karte «Preis-Leistung» gnadenlos aus. Wenn das Momentum bei Tesla oder aber auch bei etablierten, vielleicht mittlerweile etwas angestaubten Marken kippt, werden Alternativen interessant – darunter bereits heute MG oder bald auch BYD. Flaggschiffe wie der MG Cyberster zeigen, dass China solide Technik mit tollem Design paaren kann. Aber auch andere Hersteller aus Fernost wie Hyundai bieten mutige Linien. Das weckt bei vielen Kunden den Wunsch nach etwas Neuem, anders halt als der langweilige optische Einheitsbrei, den viele klassische Hersteller immer noch bieten.

Gleichzeitig holen europäische Hersteller auf. VW hat in Europa erstmals Tesla vom Elektro-Thron verdrängt – ein Trend, der sich auch in der Schweiz abzeichnet: Zwar war das Model Y 2024 erneut das meistverkaufte Einzelmodell, doch mehr als jedes dritte verkaufte E-Auto stammt von einer Marke des Volkswagen-Konzerns – wobei vor allem Skoda viel dazu beiträgt. Auch Günstigstromer von Renault und Citroën finden sich mittlerweile in den Schweizer Top 10 wieder – und das nicht ohne Grund: Sie kombinieren alltagstaugliche Technik mit realistischen Preisen und einer vertrauten Markenwelt.

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