Christoph Erni, Gründer und CEO Juice Technology, im Interview

Christoph Erni, Gründer und CEO Juice Technology, im Interview
Christoph Erni, CEO Juice Technology. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Herr Erni, Juice Technology expandiert mit ihren Ladelösungen für E-Fahrzeuge in hoher Geschwindigkeit. Eben erst wurde die geografische Präsenz nach Fernost ausgedehnt, jetzt folgt die Gründung der Juice Americas Inc. Wie präsentiert sich der amerikanische Markt für E-Fahrzeuge?

Während in Europa bereits jeder zehnte Neuwagen elektrisch fährt, liegt der Marktanteil bei E-Autos in den USA bei mageren zwei Prozent. Dabei gibt es eine höhere Konzentration an den Küsten. Dort ist der Ausbau von Schnellladestationen etwas weiter fortgeschritten, was nicht zuletzt auch Tesla zu verdanken ist.

Die Amerikaner vertrauen auf die heimische Produktion, weswegen Tesla bei den BEVs auch an erster Stelle kommt. Die traditionellen Autobauer aus Detroit wie GM, Ford und Chrysler haben nach längerem Zaudern zwar auch auf batterieelektrische Antriebe umgeschwenkt. Doch sie müssen sich beeilen, denn auch europäische Hersteller haben das Potenzial erkannt – etwa VW, die eine eigene Fertigungsstätte für den ID4 in den USA aufgebaut haben. Jeder will sich seinen Teil vom Kuchen sichern – und bei schätzungsweise mehr als 100 Millionen zugelassenen Personenkraftwagen ist der US-Kuchen üppig.

Doch die Verfügbarkeit unterschiedlicher, mitunter erschwinglicher Fahrzeugmodelle allein nützt nichts, wenn nicht gleichzeitig auch der Aufbau einer vernünftigen und nachhaltigen Ladeinfrastruktur vorangetrieben wird.

Das Potenzial ist also riesig. Die Frage bleibt dennoch, ob mehr Ladestationen auch dazu führen werden, dass die Amerikaner auf Elektromobilität umschwenken…

Für einen Mobilitätswandel bedarf es nicht zuletzt Anreize und einen Imagewandel. Es mag etwas platt tönen, doch warum sollte ein Farmer aus dem mittleren Westen vom bewährten Pick-up-Truck, der zwar ordentlich Sprit säuft, aber zuverlässig läuft, auf ein E-Fahrzeug umsteigen? Solange der Kraftstoff in rauen Mengen fliesst, überall verfügbar und erschwinglich ist, hat er keinen Grund, bewährte Pfade zu verlassen.

Tesla macht vieles richtig, doch begeistert der Konzern bisher in erster Linie die gutverdienende urbane Bevölkerungsschicht. Die Automobilkonzerne müssen nun mit E-SUVs und E-Pick-ups dafür sorgen, dass sich auch die breite Masse für Autos mit Elektroantrieb erwärmen kann.

Trotz allem gilt nach wie vor: Ohne Infrastruktur wird der Wandel auf keinen Fall so schnell stattfinden. Fixe Ladestationen sind aber nur ein Teil vom Puzzle. Mobile Wallboxen geben zusätzliche Sicherheit, denn damit ist Laden grundsätzlich überall dort möglich, wo ein Stromanschluss vorhanden ist.

«Die Automobilkonzerne müssen nun mit E-SUVs und E-Pick-ups dafür sorgen, dass sich auch die breite Masse für Autos mit Elektroantrieb erwärmen kann.»
Christoph Erni, Gründer und CEO Juice Technology

Welches sind die besonderen Herausforderungen des US-Marktes?

Es braucht keinen missionarischen Eifer, eingeschworene Petrolheads von der Elektromobilität zu überzeugen. Eine Probefahrt mit einem E-Auto begeistert auch die letzten Ottomotor-Nostalgiker. Im Übrigen geht für die meisten Alltagstauglichkeit vor Ideologie.

In puncto Ladeinfrastruktur besteht jedoch die Voraussetzung, dass die Ladestationen auch mit dem US-Stromnetz konform gehen. Weil sich dieses aber grundlegend vom europäischen unterscheidet, reicht es nicht, zu einer bestehenden Ladestation einfach einen neuen Stecker mitzugeben. Es braucht zusätzliche Anpassungen für das einphasige Stromnetz, die für den US-Markt nach UL zertifiziert werden müssen.

Gerade in einem Land mit so grossen Distanzen kommt mobilen Ladestationen eine besondere Bedeutung zu. Was sind deren grösste Vorteile?

Der grösste Vorteil einer mobilen Ladestation liegt darin, dass man sie überallhin mitnehmen kann. Mit dem Juice Booster 2 beispielsweise kann man noch weitaus mehr – er lässt sich auch als herkömmliches Ladekabel und als vollwertige Wallbox nutzen. Der E-Autofahrer braucht somit nur noch ein Gerät, um weltweit flexibel laden zu können – an jeder verfügbaren Stromquelle.

Darüber hinaus hat so eine mobile Wallbox auch einen psychologischen Effekt. Es ist ein bisschen wie mit dem Benzinkanister, den man früher immer dabeihatte – in der Regel brauchte man ihn nicht, doch die Tatsache, dass man für den Notfall gewappnet war, beruhigte ungemein. Und genauso ist das auch mit mobilen Ladelösungen. Letztlich führt die Verfügbarkeit zu einer Reduzierung von Reichweitenangst – die, obwohl unbegründet, immer noch eine der grössten Hürden des Mobilitätsumstiegs darstellt.

«Letztlich führt die Verfügbarkeit einer mobilen Wallbox zu einer Reduzierung von Reichweitenangst – die, obwohl unbegründet, immer noch eine der grössten Hürden des Mobilitätsumstiegs darstellt.»

Das politische Umfeld für die Förderung elektrischer Mobilität hat sich stark verbessert. Präsident Biden will bis 2030 mindestens 500’000 Ladestationen installieren lassen. Hätten Sie den Schritt auf den US-Markt auch unter Trump gewagt?

Dieses Ansinnen der Biden-Administration kann der Mobilitätswende in den USA neuen Auftrieb verleihen und zusätzliche Chancen für Automobilbauer und Zulieferer eröffnen. Für uns war es jedoch nur eine Frage der Zeit, das Geschäftsfeld in den USA weiter auszudehnen. Auch wenn das Marktumfeld derzeit zu unseren Gunsten wirkt – unsere Strategie ist auf nachhaltiges Wachstum ausgelegt, weswegen wir jeden unserer Schritte an langfristigen Zielen ausrichten. Den perfekten Zeitpunkt für einen Markteintritt gibt es nicht, dennoch kann man nicht verneinen, dass die Ausgangslage aktuell günstig ist.

Vor gut zwei Wochen haben Sie bereits die Gründung einer Tochtergesellschaft in China bekannt gegeben, dem Land, in dem rund die Hälfte der weltweit verkauften Elektroautos unterwegs ist. China ist ein riesiger Markt, aber auch ein herausfordernder. Wie will ihn Juice Technology erschliessen?

Vor genau einem Jahr hat der Volkskongress beschlossen, mit einem hundert Milliarden schweren Konjunkturpaket die Binnenwirtschaft zu stärken und in Infrastruktur zu investieren. Teil davon ist der Ausbau des Ladenetzes für Elektrofahrzeuge. Das wird der Technologie einen enormen Schub verleihen, was wiederum lukrative Perspektiven für OEMs wie uns verheisst.

Für ein ausländisches Unternehmen in China ist es von herausragender Bedeutung, dass man die Sprache beherrscht und mit den Gepflogenheiten im Geschäftsleben vertraut ist. Mit einem vielseitigen Team vor Ort, das sich ausgezeichnet mit den lokalen Gegebenheiten auskennt, sind wir von Anfang an gut aufgestellt. Offenbar haben wir bisher alles richtig gemacht, denn mit Zhejiang Juice Technology Co., Ltd. die Provinz im Namen tragen zu dürfen und nicht lediglich die Stadt Hangzhou gilt als besondere Auszeichnung.

Wie präsentiert sich die Produktpalette für den chinesischen Markt und welche Adaptionen sind notwendig?

Mit der Tochtergesellschaft starten wir mit dem Vertrieb des bewährten Juice Booster 2, der angepasst an die chinesischen Anforderungen mit einem Typ-GB-Stecker fahrzeugseitig und mit einem Typ-I-Adapterset für den Netzanschluss ausgeliefert wird. Weitere Geräte sind bereits in der Entwicklung, ausgestattet mit bewährter Juice-Technik, aber speziell auf die chinesischen Bedürfnisse zugeschnitten.

Dass wir als Vollsortimenter nicht von Beginn weg mit der gesamten Produktpalette aufwarten, ist darin begründet, dass wir ein Angebot entwickeln, das auf die Bedürfnisse des lokalen Marktes zugeschnitten ist. Darüber hinaus muss jedes einzelne Gerät ein Prüfverfahren nach chinesischen Standards durchlaufen, um eine CQC-Zertifizierung zu erhalten. Nur mit dieser ist ein erfolgreicher Markteintritt möglich.

Sie haben vor einem Jahr in einem Interview gesagt, jetzt sei der Punkt erreicht, an dem es richtig losgehe. Sie haben recht behalten, mittlerweile erscheint die Elektromobilität als Megatrend. Wie hat sich das im vergangenen Jahr auf ihre Verkaufszahlen ausgewirkt?

Wir können uns tatsächlich glücklich schätzen. Auch letztes Jahr sind wir stetig weitergewachsen, konnten unseren Umsatz trotz Coronakrise verdoppeln und unser Team fast verdreifachen. Das zeigt nochmal deutlich, dass der Trend zur Elektromobilität nicht aufzuhalten ist.

Durch Lockdown und Homeoffice konnte sich die Gesellschaft in kurzer Zeit darüber klar werden, welche positiven Effekte eine Reduktion des motorisierten Verkehrs nach sich zieht. Sie führt nicht nur zu mehr Lebensqualität dank weniger Lärmimmissionen, sondern – direkt messbar – zu einem deutlich verringerten CO2-Ausstoss weltweit. Das hat sicher zu einem grundsätzlichen Umdenken und einem neuen ökologischen Bewusstsein geführt. Der Wunsch nach einer zukunftsweisenden Alternative zum Benziner wurde nicht zuletzt auch von staatlichen Förderungen für E-Fahrzeuge und Ladeinfrastruktur bestärkt. Für Zulieferer wie uns, die unmittelbar von den Verkaufszahlen von E-Autos abhängen, hat das direkte Auswirkungen.

Im Bereich von mobilen 22-kW-Ladestationen ist Juice Technology weltweiter Marktführer, bietet aber bis hin zu grossen Schnellladern ein Vollsortiment. Was sagen Sie dazu, dass nun praktisch alle grossen Automobilhersteller den Umstieg vom Verbrennungsmotor auf Elektro pushen und Milliarden in Schnellladenetze investieren wollen?

Diese Entwicklung begrüssen wir natürlich in höchstem Masse. Die Zeit war schon längst reif dafür. Dass Elektromobilität nur gemeinsam mit Ladeinfrastruktur gedeihen kann, ist unbestritten. Von zentraler Bedeutung ist dabei der Ausbau des Schnellladenetzes, insbesondere an Verkehrsknotenpunkten und entlang von Hauptverkehrsachsen. Für Vielfahrer und jene, die beruflich viel unterwegs sind, ist eine lückenlos ausgebaute öffentliche Ladeinfrastruktur ein absolutes Muss.

Dennoch müssen wir vom klassischen Tankstellen-Denken wegkommen. Ein E-Auto lädt immer dann, wenn es gerade nicht in Gebrauch ist. Bevorzugt bei längeren Standzeiten, also vorwiegend zu Hause oder am Arbeitsort via klassischer Wandladestation oder mobiler Wallbox. Erst wenn alle Bereiche optimal erschlossen sind, ist ein guter Versorgungsstandard erreicht.

«Nur weil Akkus immer leichter und erschwinglicher werden und mehr Kapazität haben, heisst das nicht, dass eine umfassende Ladeinfrastruktur nicht mehr gebraucht wird.»

Gleichzeitig erhöhen Autobauer ihre Investitionen in neue Batterie-Generationen, die besser und billiger werden sollen als die heutigen Batterien. Wie beurteilen Sie die Entwicklung?

Es ist äusserst wichtig, in Innovationen zu investieren. Genau das tun wir bei Juice ja auch. Über Jahrzehnte blieb die Akku-Technologie praktisch stehen. Dann wurde anfangs 90er Jahre der Lithium-Ionen-Akku marktreif und machte flache Notebooks, smarte Mobiltelefone und schliesslich E-Autos überhaupt erst möglich.

Nur weil Akkus immer leichter und erschwinglicher werden und mehr Kapazität haben, heisst das nicht, dass eine umfassende Ladeinfrastruktur nicht mehr gebraucht wird. Geladen werden müssen die Fahrzeuge dennoch, nur nicht mehr so oft, was den Fokus des Ladens wieder mehr auf die private Infrastruktur verlagert. Selbst wenn also die Reichweite von Elektroautos dank besserer Akkus steigt, werden Wallboxen weiterhin benötigt.

Zusätzlich können die Autohersteller mit günstigeren Akkus auch Fahrzeuge in niedrigeren Preissegmenten anbieten, die dennoch über eine hohe Reichweite verfügen – was für die flächendeckende Verbreitung der Elektromobilität unerlässlich ist.

Herr Erni, herzlichen Dank für das Interview.

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