Christoph Mäder, GL-Mitglied Syngenta, Präsident scienceindustries

Christoph Mäder, GL-Mitglied Syngenta, Präsident scienceindustries

Christoph Mäder, GL-Mitglied Syngenta, Präsident scienceindustries (Foto: Syngenta)

Luzern – Die Ernährungssicherheit der wachsenden Weltbevölkerung fordert Politik und Wirtschaft. Wie können im Jahr 2050 neun Milliarden Menschen ernährt werden? Das grösste Potenzial bestehe in den Entwicklungs- und Schwellenländern, sagt Christoph Mäder, Mitglied der Geschäftsleitung von Syngenta und Präsident von scienceindustries. Er ist Referent am kommenden Europa Forum Luzern, welches unter dem Titel „Wachstum – Chancen und Risiken“ steht.

Europa Forum: Ernährungssicherheit für die wachsende Weltbevölkerung zu gewährleisten ist eine grosse Herausforderung. Welche Rolle kommt der Wirtschaft und der Forschung zu?

Christoph Mäder: Die Welternährungsorganisation FAO spricht von einer notwendigen Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität um 70 Prozent bis 2050. Gleichzeitig geht durch Bodenerosion und Verstädterung pro Sekunde Ackerland von der Grösse eines Fussballfeldes verloren. Gemäss UNO wird die Welt bis 2030 30% mehr Frischwasser brauchen. Die Landwirtschaft beansprucht aber bereits heute weltweit 70% des entnommenen Süsswassers.

«Wir müssen mehr Nahrungsmittel erzeugen, ohne mehr Ackerland, Wasser, Dünger und Pflanzenschutzmittel einzusetzen.» Christoph Mäder, GL-Mitglied Syngenta, Präsident scienceindustries

Das Gebot der künftigen Jahre lautet somit „grow more from less“: Wir müssen mehr Nahrungsmittel erzeugen, ohne mehr Ackerland, Wasser, Dünger und Pflanzenschutzmittel einzusetzen. Die Stärke der Wirtschaft liegt in der Bereitstellung neuer Produkte und Lösungen, die den Landwirten helfen, ihre Produktivität nachhaltig zu steigern. Bei Syngenta z.B. arbeiten weltweit 5‘000 Mitarbeitende in Forschung und Entwicklung daran, Nutzpflanzen effizienter und stressresistenter zu machen. Innovationen in den Bereichen Saatgut und Pflanzenschutz gehen heute primär von der Privatwirtschaft aus – auch, weil öffentliche Investitionen in die Agrarforschung in den vergangenen Jahrzehnten insbesondere in den Industriestaaten kontinuierlich zurückgegangen sind.

Welchen Beitrag leisten Schweizer Unternehmen zur Sicherung der Ernährungssicherheit?

Die Schweiz hat viele Unternehmen, die einen direkten Beitrag zur globalen Ernährungssicherheit leisten. Ich denke da etwa an Spezialmaschinen für die Landwirtschaft oder an die verarbeitende Lebensmittelindustrie, die sich zunehmend in der vorgelagerten Wertschöpfungskette engagiert. Syngenta ist ein Schweizer Unternehmen, das in der Schweiz nicht nur den Hauptsitz hat, sondern auch forscht und den konzernintern grössten Produktionsstandort betreibt. Der Fokus ist aber global: Unsere über 28‘000 Mitarbeitenden unterstützen sowohl landwirtschaftliche Grossbetriebe als auch Kleinbauern in 140 Ländern bei ihrer Aufgabe, Nahrungsmittel zu produzieren und gleichzeitig Ackerland und natürliche Ressourcen nachhaltig zu nutzen.

«Wir erwirtschaften mittlerweile über 50% des Umsatzes in Entwicklungs- und Schwellenländern.»

Wir erwirtschaften mittlerweile über 50% des Umsatzes in Entwicklungs- und Schwellenländern. Dieses Wachstum zeigt, dass eine nachhaltige Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion auch in diesen Ländern möglich ist. Erfolgreiche Projekte mit Partnerorganisationen und lokalen Behörden wie etwa das Southern Agricultural Growth Corridor-Projekt in Tansania liefern zudem den Nachweis, dass Produktivitätssteigerungen auch zu mehr Ernährungssicherheit führen.

Wo sehen Sie Potenzial?

Das grösste Potenzial besteht zweifelsohne in den Entwicklungs- und Schwellenländern, wo die Verluste auf dem Feld und kurz nach der Ernte bis zu 50% des Ertrags je nach Nutzpflanze ausmachen. Genau hier setzt Syngenta mit dem Good Growth Plan (www.goodgrowthplan.com) an: Wir wollen Kleinbauern befähigen, die bisher keinen Zugang zu Technologie, Ausbildung und Märkten ha-ben. Ein Beispiel aus Kenia, das mittlerweile auch in anderen Ländern in Afrika und Asien Schule macht, ist das Projekt „UWEZO“: Es hilft Kleinbauern, ihren Ertrag zu steigern durch Zugang zu Saat- und Pflanzenschutztechnologien in Kleinpackungen, die eine einfache und sichere Anwendung ermöglichen. Wir bilden die Kleinfarmer direkt vor Ort aus, häufig mittels Ausbildungsminivans, die die ländlichen Gemeinschaften besuchen, aber auch durch die Massenmedien. Viele Kleinbauern können durch diese Massnahmen nicht mehr nur sich selber und ihre Familie ernähren, sondern bauen nun für den Verkauf an: Hochwertige Produkte für den Export wie auch für die lokalen Märkte.

Der Gentechnologie bläst noch immer ein rauer Wind entgegen und sie stösst bei den Konsumenten in Europa und der Schweiz auf Widerstand. Braucht es andere, neue Strategien um den künftigen Lebensmittelbedarf zu decken?

Wir sind davon überzeugt, dass moderne Technologien wichtige Bestandteile aller Strategien sein werden, um die angesprochene Produktivitätssteigerung zur Deckung des künftigen Lebensmittelbedarfs zu erreichen. Klar ist hingegen auch, dass nicht eine einzelne Technologie alle Probleme lösen wird. Die Grüne Biotechnologie ist ein Werkzeug von mehreren in der Züchtungspalette, die gezielt eingesetzt und kombiniert werden müssen. Wir sollten uns daher darauf fokussieren, den Nutzen, den diese neuen Werkzeuge bringen, z.B. durch nährstoffreichere oder hitzeresistentere Pflanzen oder solche, die weniger Wasser brauchen, besser zu kommunizieren. Landwirte sollten Zugang zu allen sicheren Technologien haben, die ihnen helfen, genügend und qualitativ hochstehende Nahrung für eine steigende Weltbevölkerung zu erzeugen.

Die Produktion von Biobrennstoffen verdrängt zunehmend die Nahrungsmittelproduktion. Wie ist das Dilemma zwischen Hunger und Energiehunger zu lösen?

Syngenta investiert gezielt in die Steigerung der Effizienz ihrer Produkte und Lösungen und möchte damit einen Beitrag dazu leisten, die stetig steigenden Bedürfnisse der Weltbevölkerung nach Lebens- und Futtermitteln sowie Ballaststoffen und Energieträgern zu decken. Der Einfluss der Ethanolproduktion auf die Nahrungsmittelpreise ist wissenschaftlich umstritten, klarer erscheint hingegen der Zusammenhang zwischen höheren Preisen für Energieträger wie Öl und höheren Preisen für Lebensmittel – insbesondere in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Ethanol aus alternativen Quellen kann dazu beitragen, den Mix an Energieträgern zu verbreitern, Emissionen zu senken und die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu verringern. Vor dem Hintergrund weltweit abnehmender Ackerflächen befürwortet Syngenta aber Produktionsanreize, die zur Reduktion des Wettbewerbs zwischen Energie und Nahrungsmitteln beitragen.

«Syngenta befürwortet Produktionsanreize, die zur Reduktion des Wettbewerbs zwischen Energie und Nahrungsmitteln beitragen.»

Wir wünschen uns bei der Energiefrage wie bei der Herausforderung „globale Ernährungssicherheit“ eine pragmatische (politische) Diskussion und eine ehrliche Auseinandersetzung mit den Problemstellungen, gerade auch in den Industrieländern. Zur Bewältigung dieser globalen Herausforderungen braucht es eine vorurteilsfreie Zusammenarbeit aller Akteure. Unser Good Growth Plan ist nicht zuletzt auch ein Angebot zur Kooperation.

Der Gesprächspartner:
Christoph Mäder Head Legal & Taxes und Verwaltungsratssekretär Syngenta. Er war Head Legal & Public Affairs bei Novartis Crop Protection (1999–2000) und Senior Corporate Counsel bei Novartis International AG (1992–1998). Er ist Präsident des Schweizer Wirtschaftsverbands scienceindustries, Vizepräsident von economiesuisse, dem Dachverband der Schweizer Wirtschaft, und Mitglied des Executive Board des Business and Industry Advisory Committee (BIAC) bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Er hat an der Universität Basel Rechtswissenschaften studiert und ist Inhaber eines Anwaltspatents.

Das Unternehmen:
Syngenta ist ein weltweit führendes Unternehmen mit mehr als 28’000 Mitarbeitenden in etwa 90 Ländern mit einem gemeinsamen Ziel: Bringing plant potential to life.

 

Veranstaltungsinformationen
26. internat. Europa Forum Luzern
Montag, 26. Mai 2014, KKL Luzern
Wachstum – Chancen und Risiken
Weitere Infos und Anmeldung: www.europa-forum-luzern.ch
Symposium: 12 bis 18 Uhr inkl. Lunch und Networking-Apéro,
Eintritt CHF 290.- / 90.- (Studenten),
Öffentliche Veranstaltung: 18.45 Uhr bis 20.40  (Eintritt frei – Anmeldung erforderlich) 

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