Frank Schabel, Leiter Communications Hays D-A-CH

Frank Schabel, Leiter Communications Hays D-A-CH

Frank Schabel, Leiter Communications Hays (Deutschland, Österreich, Schweiz)

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Schabel, Hays hat den HR-Report 2014/2015 für die Länder Deutschland, Österreich und die Schweiz veröffentlicht. Was war für Sie persönlich die wichtigste neue Erkenntnis der Studie?

Frank Schabel: Für mich am wichtigsten war der empirische Befund zu dem zentralen Stolperstein für Führung: Die allermeisten Führungskräfte verfügen über zu wenig Zeit für ihre Führungsaufgaben. Das ist umso überraschender, weil wir auch nach den Anforderungen an Führungskräfte gefragt haben. Auf dem letzten Platz liegt hier abgeschlagen die Bearbeitung des operativen Tagesgeschäfts. Wenn wir beide Resultate zusammenlegen, frage ich mich, mit was sich Führungskräfte dann beschäftigen.

«Grundsätzlich legen die Schweizer Befragten mehr Wert auf flexible Arbeitsformen inklusive Work-Life-Balance als die deutschen und österreichischen Befragten.» Frank Schabel, Leiter Communications Hays

Gibt es fundamentale Unterschiede zwischen den drei Ländern und wie lassen sich diese erklären?

Fundamental ist vielleicht zu weit gefasst, aber signifikante Differenzen gibt es in jedem Fall. In der Schweiz zum Beispiel ist das Topthema nicht Führung, sondern die Talentförderung. Und grundsätzlich legen die Schweizer Befragten mehr Wert auf flexible Arbeitsformen inklusive Work-Life-Balance als die deutschen und österreichischen Befragten. Diversity hat in Deutschland einen höheren Stellenwert als in den beiden anderen Ländern. Die Liste ließe sich weiter fortführen.

Gegenüber den Vorjahren hat die Weiterentwicklung der Unternehmens-Kultur stark an Bedeutung verloren (37% im 2014, 47% im 2013), ebenso wie die Förderung der Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeitenden (33% im 2014, 42% im 2011), beides eigentlich Massnahmen, welche zur Bindung von Mitarbeitenden geeignet wären. Wie interpretieren Sie das im Lichte des aktuell herrschenden Fach- und Führungskräftemangels?

Zu letzterem zuerst: ich denke, die Beschäftigungsfähigkeit ist in breiterem Maße etabliert, daher liegt hier der Fokus nicht mehr so stark drauf. Kultur ist nach wie vor entscheidend beziehungsweise insgesamt die weichen Faktoren. Dazu gehören auch die Rolle der Führung und die Mitarbeiterbindung – beide Themen liegen ganz oben. Gerade Führung ist für Kultur ein prägender Faktor. Daher sehe ich dies nicht so dramatisch, sondern im gesamten Kontext. Sicher ist Kultur ein schwammiger Begriff, der schwer zu fassen ist. Kultur ist alles, aber was genau? Ich denke, das zahlt darauf ein, dass der Wert nach unten ging, aber es liegt immer noch in den Top-Drei-Themen.

Bei den Führungsaufgaben scheint der Fokus wieder hin auf die Mitarbeitenden und etwas weg von den Fachfragen gelegt zu werden. Eigentlich eine Entwicklung, welche vermehrt Frauen in Führungspositionen bevorzugen sollte. Wie sieht die Realität aus?

Grundsätzlich müsste dies so sein. Aber die reale Welt zeichnet ein anderes Bild. Frauen sind nach wie vor unterrepräsentiert und haben es noch schwer gegen die tradierten Muster in Unternehmen. Und die sind stärker als die Diskussion, dass Frauen eine höhere Sozial- sowie Kommunikationskonzept haben und folglich sehr geeignete Führungskräfte wären.

Generationen- und geschlechterbedingt stehen auch die Themen Work-Life-Balance und flexible Arbeitsstrukturen hoch im Kurs. Viele Vorgesetzte bevorzugen aber zur Erreichung kurzfristiger Ziele nach wie vor oft den Typus des dauernd verfügbaren Workaholics. Wie beurteilen Sie hier die Entwicklung?

Da bin ich optimistisch. Die jüngere Generation achtet sehr auf ihre Interessen und ein zentrales Thema ist hier die Work-Life-Balance. Je mehr sich der Fachkräftemangel zuspitzt, umso mehr entscheiden die Hochqualifizierten selbst, wo sie arbeiten. Dann dreht sich das Spiel um 180 Grad und die Unternehmen bewerben sich bei ihnen. Aber sicher wird es in bestimmten Branchen noch weiterhin die alten Muster geben und Workaholics gefragt sein. Wenn dies ihren Bedürfnissen entspricht und nicht fremdgesteuert ist, why not?

«Meine Gespräche mit der jüngeren Generation zeigen: Sie achten viel mehr auf ein nachhaltiges Geschäftsmodell und damit auf die Corporate Responsibility ihres Arbeitgebers.»

Die demografische und politische Entwicklung (Überalterung der Bevölkerung, Regulierung der Zuwanderung) dürfte es in Zukunft noch schwieriger machen, junge Führungskräfte weltweit zu rekrutieren. Wie wird das die Rekrutierungspolitik von Unternehmen beeinflussen, welche Segmente von Mitarbeitenden könnten in Zukunft davon profitieren?

Zuerst: ein hochglanziges Employer Branding wird schnell durchschaut. Es geht vielmehr darum, plausibel darzustellen, dass das Unternehmen wirklich Work-Life-Balance ermöglicht und offene Karrieremodelle anbietet – in einem spannenden Marktumfeld mit herausfordernden Aufgaben. Künftig sind Unternehmen nicht mehr in der Position, sich aus einem Stapel von Bewerbungen den ihrer Meinung nach passenden herauszusuchen. Vielmehr läuft es umgekehrt: High Potentials suchen sich den Arbeitgeber aus, von dem sie meinen, er passt kulturell am besten zu ihnen. Klar gilt hier: je höher die Qualifikation, umso besser die Position. Für Unternehmen bedeutet dies, in ihre Kultur und ihre HR-Instrumente genauso zu investieren wie neue Wege in der Rekrutierung zu beschreiten. Dazu werden künftig noch stärker Empfehlungen gehören.

Immer mehr Führunsgkräfte stellen sich die Frage nach dem Wert, dem Sinn und dem gesellschaftlichen Beitrag ihrer Tätigkeit. Vor allem die Finanzindustrie hat sich fast exklusiv auf die rein finanziellen Anreize für Mitarbeitenden konzentriert. Welche Werte stehen aktuell bei der Wahl des Unternehmens für die Top-Talente im Vordergrund?

Meine Gespräche mit der jüngeren Generation zeigen: Sie achten viel mehr auf ein nachhaltiges Geschäftsmodell und damit auf die Corporate Responsibility ihres Arbeitgebers. Und wenn er sie nicht wertschätzt und ihnen keine interessanten Projekte gibt, sind sie schnell weg. Work-Life-Balance ist ohnehin ein Must für viele junge Menschen. Trotzdem muss das Geld stimmen und hier sollten wir abwarten, was passiert, wenn sie eine Familie gründen und mehr Geld benötigen, sich also ihre Lebensphase verändert.

In der Schweiz sind auch die Politiker auf die Ü50-Mitarbeitenden und deren speziellen Probleme aufmerksam geworden. Steigendes Rentenalter und der Anspruch, vorhandenes Wissen und Erfahrung bestmöglich zu nutzen, stehen im Gegensatz zur faktischen Unvermittelbarkeit älterer Mitarbeitenden im Arbeitsmarkt. Welche Lösungen sehen Sie hier?

Da gibt es keine einfachen Lösungen. In der Tat ist es immer noch so, dass ältere Mitarbeiter schlechte Karten haben, auch wenn anderes behauptet wird. Ich denke, positive Beispiele von Unternehmen, die gezielt auf Ältere setzen und dies auch publik machen, helfen hier weiter. Gefragt ist aber auch die Gesellschaft insgesamt, indem sie die Erfahrungen und Kompetenzen älterer Menschen auf allen Ebenen wertschätzt. Last not least sind natürlich auch die älteren Mitarbeiter gefragt, sich immer wieder zu hinterfragen und offen zu sein für Veränderungen. Das beinhaltet auch, sich bei Bedarf neu aufzustellen.

Als Argument gegen die Einstellung älterer Mitarbeitenden werden oft die hohen Kosten angeführt (Beiträge zur Altersvorsorge, Lohnkosten…), wobei die Mitarbeitenden selbst vor allem an der Weitergabe des Wissens und flexiblen Arbeitsmodellen interessiert wären, oft auch bei geringeren Verdienstmöglichkeiten. Welche Modelle können beide Seiten zufrieden stellen?

Indem sie sich offen austauschen und ihre Bedürfnisse bzw. Anforderungen an Arbeit abgleichen. Dazu bedarf es einer offenen Arbeitskultur. Ich halte nach wie vor viel von Mentoring-Programmen, in denen Ältere ihr Wissen an jüngere weiterreichen und umgekehrt. Mixed Teams, in denen ältere und jüngere eng zusammenarbeiten und sich kulturell bereichern, sind ebenfalls ein probater Ansatz.

«In der Tat ist es immer noch so, dass ältere Mitarbeiter schlechte Karten haben, auch wenn anderes behauptet wird.»

Von Führungskräften wird vor allem das Bewältigen von Veränderungen (schneller, komplexer und digitaler) gefordert. Im Alltag sehen sich diese aber oft im Korsett von Regulierungen, Vorschriften und unflexiblen operativen Abläufen gefangen. Wie kann hier Abhilfe geschaffen werden?

Das ist in der Tat oft paradox. Trotz des hohen Tempos auf den Märkten existieren in vielen Unternehmen noch starre Silos mit festen Abläufen und Prozessen. Ich glaube, dies regelt der Markt selbst. Wenn Veränderungen nicht fliessen, weil die Bürokratie sie verhindert, strafen die Kunden das Unternehmen ab und kaufen wo anders. Die globalisierte Welt mit ihren neue Formen der Wertschöpfung und anderen Kooperationsmodellen wird sich mehr und mehr in Netzwerken organisieren. Damit sind Vorschriften nicht weg – denken wir an die immer strikter werdenden Compliance-Vorgaben -, aber der Change wird einiges davon auflösen und dafür sorgen, dass sich Teams um wichtige Themen selbst organisieren. Mit hoher Offenheit und trial and error, ohne Organigramm und Linienorganisation.

Personalplanung, die Entwicklung, Förderung und Bindung von Mitarbeitenden gehört eigentlich zur strategischen Aufgabe jedes Unternehmens. Wie steht es mit der strategischen Verankerung und der Verantwortlichkeit für diese Aufgaben in den Unternehmen in der Realität, gibt es hier eventuell Unterschiede in den einzelnen Ländern?

In diesem Punkt gibt es kaum Differenzen. Die zentrale Frage lautet in allen drei Ländern, wer die Führung inne hat, der zentrale HR-Bereich oder die operativen dezentralen Einheiten. Ich glaube, die Tendenz geht klar in Richtung Dezentralität. Das zeigt auch unser HR-Report. Die Anforderungen an Führung werden immer komplexer, denn die direkte Führungskraft bleibt die entscheidende Instanz, ob und wie Mitarbeiter gebunden und direkt gefördert werden. HR kann hier einen Rahmen entwickeln – nicht mehr und nicht weniger.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. WIe sehen diese aus?

Der erste Wunsch: Mehr Netzwerke und weniger Silos. Netzwerke sind zeitintensiv, ja. Aber nur wenn wir mit breit gefächerten Kompetenzen auf die komplexe Welt antworten, haben wir eine Chance. Mein zweiter Wunsch zielt auf die mentalen Blockaden in Unternehmen: Es gibt gerade bei der Frauenförderung noch zu sehr tradiertes Denken und alte Rollenmuster. Ich dachte, hier wären wir weiter. Das wünsche ich mir für die Zukunft.

Der Gesprächspartner:
Frank Schabel, Geisteswissenschaftler, jahrelang in leitenden Funktionen in IT-Unternehmen, seit 2006 Leiter Marketing/Corporate Communications für Hays in D-A-CH.

Das Unternehmen:
Hays ist das weltweit führende Unternehmen für die Rekrutierung von Spezialisten. Der Personaldienstleister vermittelt hoch qualifizierte Experten für Festanstellungen, Projektarbeit und Temporäreinsätze und hat sich auf die Fachbereiche Accountancy & Finance, Construction & Property, Engineering, Financial Services, IT, Legal und Pharma spezialisiert. In der Schweiz ist Hays mit Filialen in Basel, Genf und Zürich vertreten. Die Hays (Schweiz) AG gehört zum britischen Konzern Hays plc, der in 33 Ländern rund 7850 Mitarbeiter beschäftigt und im Geschäftsjahr 2012/2013 Erlöse von 4,49 Mrd. Euro erzielte.

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