Hanspeter Fässler, VR-Präsident ANYbotics, im Interview

Hanspeter Fässler, VR-Präsident ANYbotics, im Interview
Hanspeter Fässler, VR-Präsident ANYbotics.

Von Matej Mikusik und Christoph Hilber, Unternehmerzeitung, P-Connect

Hanspeter Fässler’s CV ist beeindruckend. Er hatte bei ABB und Implenia Top-Positionen in der Schweizer Wirtschaft inne und hat Branchen in Zeiten des Wandels erlebt. Doch seine spannendste berufliche Zeit hat er wohl gerade jetzt. Neben seinen Mandaten als VR bei der Dätwyler Gruppe ist er auch im Board weiterer Firmen – sowie bei einem interessanten ETH Startup. Genauer gesagt: bei ANYbotics. In Startups sind bekanntlich die Rollen zwischen Board und C-Level nicht so scharf getrennt wie bei etablierten Firmen. Wir trafen Hanspeter Fässler zum Gespräch – notabene ein Ingenieur und Autor der ersten ETH Dissertation in Robotik – und wollten von dem Mann, der beide Kulturen kennt, wissen, wie ein moderner Verwaltungsrat heutzutage ticken sollte und wie sein Arbeitsalltag in einem vielversprechenden Startup aussieht.

Herr Fässler, wie ist das jetzt: Sie arbeiten bei ANYbotics vor allem mit jüngeren Ingenieuren zusammen. Was ist das für ein Klima dort im Vergleich zu einem klassischen Board? Wie arbeiten Sie heute?

Das Projekt ANYbotics ist klar ein Startup-Projekt für die junge Generation. Ich wollte mich ursprünglich eher im Hintergrund halten – bin aber dann trotzdem auch in die operative Position hineingeschoben worden. Aufgrund meiner Erfahrung trete ich vor allem bei grossen Kundenprojekten, strategischen Partnerschaften, oder Vertrags- und Finanzierungsfragen in Erscheinung. Daneben bin ich ja noch in den Verwaltungsräten von Dätwyler, Axpo und Hatebur sowie in einigen Stiftungsräten und Advisory Boards tätig. Aber: ANYbotics braucht klar am meisten Aufmerksamkeit. Pro Woche sind es zurzeit wohl gegen 40 Stunden.

Wie sehen Sie die Startup-Szene in der Schweiz? Sind wir erfolgreich? Gibt es genug VCs?

Es stehen diverse Unterstützungsmöglichkeiten und Supportorganisationen bereit, um eine Firma zu starten. Ein ganzes Ökosystem von Stiftungen und Organisationen bis hin zu staatlichen Fördergeldern und EU Grants, bei denen ein Startup Projektgelder beantragen kann. Allerdings bin ich mir bewusst, dass es bei weitem nicht für alle Startups gleich einfach ist. ANYbotics hat mit dem autonomen Laufroboter sicher ein besonders attraktives Produkt. Entsprechend haben wir auch sämtliche eingereichten Finanzierungsanträge zugesprochen bekommen.

«ANYbotics hat mit dem autonomen Laufroboter sicher ein besonders attraktives Produkt.»
Hanspeter Fässler, VR-Präsident ANYbotics

Von was für einer Summe sprechen wir da?

Wir haben insgesamt knapp drei Millionen Franken Finanzierungen auf diesem Weg erhalten. Für die Schweiz ist das mit Sicherheit gut investiertes Geld: Robotik ist eines derjenigen Gebiete, wo wir in der Schweiz bereits heute sehr stark aufgestellt sind. In erster Linie ist dies den technischen Hochschulen in Zürich und Lausanne zu verdanken. Rund um diese beiden Zentren hat sich in der Schweiz ein weltweit anerkannter Kompetenzschwerpunkt entwickelt. Die Startup-Szene in der Schweiz ist auch ausserhalb der Universitäten sehr stark. Ein Startup ist von Innovationskraft getrieben, manchmal auch zu stark.

Wie sehen Sie den Unterschied zu Ihrer Arbeit in einem Startup im Vergleich zu vorher in Corporate Companies?

Das sind schon sehr unterschiedliche Welten. Für Startups gibt es zu Beginn eigentlich nur Innovation. Der Extremfall auf der anderen Seite der Skala war eine der Firmen, bei denen ich als CEO tätig sein konnte: Als ich dazu stiess, hatte die Firma keinerlei Innovationsstrukturen und auch keine Innovationskultur. Es gab natürlich einzelne Mitarbeiter mit innovativen Ideen, und mit etwas Glück hatten sie sogar einen Chef, der das unterstützt hat. Strukturell war jedoch nichts vorhanden, da musste ich selber den Grundstein dafür legen.

Wie war das in Ihrer Zeit bei ABB?

Bei Grosskonzernen wie ABB, wo die Strukturen per se vorhanden sind, hat man andere Herausforderungen. Oft muss man Innovationen intern vorfinanzieren, und die Mittel-Allokation steht im Wettstreit zum laufenden Geschäft, das sämtliche Ressourcen beansprucht. Die Zielsetzungen sind dann oft widersprüchlich und der Renditedruck bildet eine ständige Bedrohung für innovative Erneuerungen.

Also ist es da eine Frage der Management Prioritäten?

Durchaus. Man kann den Prioritätskonflikt auf verschiedene Arten lösen, zum Beispiel durch Auslagerung in eine Corporate Research oder New Venture Organisation, oder mittels Zusammenarbeit mit einem Venture Capital Fonds. Man muss jedoch solche Projekte eine Zeit lang ausserhalb des operativen Geschäftes führen, bis diese Inkubatoren eine gewisse Kraft und Grösse haben.

Wie sieht es mit diesem Spannungsfeld im VR aus? Einerseits muss man schauen, dass die operative Ebene das Ziel Ende Jahr erreicht, anderseits will man innovative Projekte fördern. Was haben Sie für Methoden?

Ich habe in verschiedenen Unternehmen sehr unterschiedliche Situationen erlebt. In einem Fall haben wir aus dem VR die Innovation und die dazu gehörige Investitionen stark gepusht und aktiv bei der Definition von Strategie, Struktur und Finanzierung mitgearbeitet.

Das wäre der Optimalfall.

Ja, Innovation hat aber oft noch nicht den angemessenen Stellenwert im VR. Das mag auch funktionieren, falls das Unternehmen über eine stark innovationsgetriebene operative Führung verfügt.

«Der wichtigste Punkt ist, dass man sich im VR nicht auf den Inhalt, sondern auf die Struktur fokussiert. Wir müssen als VR die Impulse geben.»

Ist das Thema Innovation per se eine Herausforderung für den VR?

Der wichtigste Punkt ist, dass man sich im VR nicht auf den Inhalt, sondern auf die Struktur fokussiert. Wir müssen als VR die Impulse geben. Die Umsetzung, das heisst die Definition der Themen, Strukturen, Prioritäten und Ressourcen, sollte am besten durch die operative Firmenleitung ausgearbeitet werden. Der VR muss sicherstellen, dass dem Thema Innovation genügend Bedeutung beigemessen wird. Das ist seine wichtigste Rolle. Ausserdem muss der VR beurteilen können, ob das für die Firma die geeigneten Umsetzungsmassnahmen sind und er muss den finanziellen Rahmen beurteilen. Dies ist von Firma zu Firma unterschiedlich.

Innovation ist also eine Investition mit Risiko.

Genau, und zwar ohne, dass man mit einem gesicherten Payback rechnen kann.

Kann man die Innovation nur mit internen Ressourcen vorantreiben?

Sofern man dafür bereits geeignete Mitarbeiter in der Firma hat. Das ist vor allem bei einer kleineren Firma nicht immer der Fall. Gerade wenn es sich um neue Technologien handelt, braucht man unter Umständen auch externe Unterstützung und neue Köpfe dafür. Das Ganze ist ein Prozess, den man zuerst initiieren und dann internalisieren muss. Bereits die Einladung an interessierte Mitarbeiter, bei einem Innovationsprozess aktiv mitzumachen, kann ein erster Schritt sein, um geeignete Talente rasch zu identifizieren.

Das ist ein weiteres Spannungsfeld.

Das ist so. Angenommen es meldet sich ein geeigneter Mitarbeiter, dann stellt sich die nächste Frage: Arbeitet er fortan gleichzeitig an diesem innovativen Digitalisierungsprojekt und bleibt im operativen Geschäft, oder zieht man diesen innovativen Mitarbeiter ganz vom bestehenden Geschäft ab. Das sind schwierige Fragen. Aber das gehört mit zur Struktur, die man aufbauen muss. Meist führt kein Weg daran vorbei, zusätzliche Ressourcen zu mobilisieren – oft auch weil man Input von aussen braucht.

Welches Profil braucht man im VR typischerweise, um das Thema Digitalisierung und Innovation reinzubringen?

Es hilft ausserordentlich, jemanden im VR zu haben, der sich mit Innovation und Digitalisierung hauptberuflich auseinandersetzt. So eine Person ist allerdings nicht einfach zu finden, sie sollte ja auch noch über weitere VR-Qualitäten verfügen.

Zurück zum Startup: Corporate Strukturen in einem Startup aufzubauen, stelle ich mir als die einfachere Aufgabe vor.

Das ist schon eine andere Welt. Und sich in beiden Welten zu bewegen, muss einem wohl liegen. Industrielle Erfahrung in den Aufbau eines neuen Startups einzubringen ist aber eine extrem wertvolle und auch dankbare Rolle. Das Know-how, das ein klassischer Manager mitbringt, fehlt ja meist in einem Startup, bei dem die Gründer oft technische Spezialisten sind. Meine jungen Kollegen haben eine Dissertation oder einen Master in Robotik und verfügen über viel Spezial-Knowhow, aber von Kunden, Führung und Geschäftsprozessen verstehen sie wenig. Auch die wertvollen Kontakte und das Netzwerk im Markt fehlen zu Beginn.

«Industrielle Erfahrung in den Aufbau eines neuen Startups einzubringen ist aber eine extrem wertvolle und auch dankbare Rolle.»

Was macht Ihnen mehr Spass: die alte Corporate Welt oder die Startup-Kultur?

Die Summe von beidem, die Diversität und das entsprechende Spannungsfeld. Ein Zusammenspiel wie heute habe ich mir immer gewünscht. Ich war lange in der Corporate Welt tätig, für die jetzige Phase habe ich mir ganz klar ein Portfolio mit diversen Aufgaben zum Ziel gesetzt. Ich bin sehr zufrieden und erlebe eine extrem spannende Zeit.

Sie sind auch nach China gereist für ANYbotics. Als Door-Opener?

Wir haben nach ersten Kontakten in der Schweiz bei meinem letzten Besuch in China unsere neue Roboter-Platform an der World Robot Conference in Peking weltweit zum ersten Mal präsentiert. Eine chinesische Partner-Firma hat uns dafür eingeladen. Das Thema Robotik stösst in China auf sehr viel Interesse, wir sind mit mehreren potentiellen Partnern in China im Gespräch.

Wie wird in China mit dem Thema Innovation umgegangen?

Sehr viel ungeplanter, schneller, mutiger und eher mit der grossen Kelle. China ist mittlerweile technologisch weitgehend eigenständig. Chinesische Firmen können dank dem enormen Heimmarkt rasch wachsen und vieles aufbauen. Oft versuchen sie dann die Internationalisierung mit westlichen Partnern anzugehen, oder auch mit westlichen Partnern neue innovative Technologien in China einzuführen.

Und wo bleibt da die Rolle der Schweiz?

Die Schweiz ist in vielen Nischen sehr gut positioniert. Für die Robotik verfügen wir in der Schweiz über ein weltweit führendes Ökosystem von Technologie-Startups und KMUs. Nicht umsonst wurde die Schweiz schon öfters als Silicon Valley der Robotik bezeichnet. Daraus kann sich durchaus ein volkswirtschaftlich bedeutsamer Pfeiler entwickeln, vergleichbar mit der Uhrenindustrie oder den Werkzeugmaschinen. Darum lohnt es sich für die Schweiz, auf die Robotik zu setzen.

Singapur und China sind aber die erfolgreichsten Staaten.

Ich bin beeindruckt, was diese asiatischen Wirtschaftsmächte in so kurzer Zeit geschafft haben. China hat sich seit meinem ersten Besuch 1986 erstaunlich entwickelt. Die Kultur unterscheidet sich jedoch stark von unserer westlichen, und entsprechend kann Vieles nicht einfach mit unserer Kulturbrille beurteilt werden. In mehreren westlichen Staaten hat ja auch gerade die demokratische Tradition zu sehr fragwürdigen Auswüchsen in der politischen Führung geführt.

Und was ist mit dem Silicon Valley?

Technologisch können wir immer noch etwas von den Amerikanern lernen. Das Silicon Valley wirkt noch nach, es hat jedoch nicht mehr die dominante Position wie vor fünf Jahren. Insofern sehe ich Amerika eher als Vergangenheit und China als Zukunft. Ich bin eigentlich überzeugt, dass sich China zur wichtigsten Wirtschaftsmacht entwickeln wird.

Und unsere Standard-Abschlussfrage: Was wünschen Sie sich für die Wirtschaft in der Schweiz?

Mehr Robotik, mehr Digitalisierung, mehr Anwendungen der künstlichen Intelligenz, mehr HighTech. Die Schweiz muss Strukturen schaffen, damit sich Startups mit Potential schneller entwickeln können. Wir sind aber bereits auf einem guten Weg.

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