Jacques Sanche, CEO Bucher Industries, im Interview

Jacques Sanche, CEO Bucher Industries, im Interview
Jacques Sanche, CEO Bucher Industries. (Foto: Bucher)

von Bob Buchheit

Moneycab: Herr Sanche, als weit verzweigtes produzierendes Unternehmen war auch Bucher von Betriebsunterbrechungen betroffen. Wie weit hat sich die Lage jetzt normalisiert?

Jacques Sanche: Wir sind an all unseren Standorten wieder operativ, an einigen mit gewissen Einschränkungen. Die Lage hat sich weitgehend normalisiert, jedoch haben wir natürlich weiterhin Sicherheitsvorkehrungen, um die Gesundheit unserer Mitarbeitenden zu schützen.

Ein komplexes Unternehmen wie Bucher Industries muss sich auf seine Lieferketten verlassen können. Was haben Sie unternehmen können, um diese in den nicht nur wegen der Coronakrise schwierigen Zeiten zu stabilisieren?

Wir hatten im April und Mai an gewissen Standorten Probleme in der Lieferkette, wovon vor allem Bucher Municipal betroffen war. Diese Probleme stehen jedoch im Zusammenhang mit der Coronakrise und damit zusammenhängenden Betriebsschliessungen von Lieferanten in Italien. So war es schwierig, Lastwagenchassis für die Montage unserer Grosskehrfahrzeuge in England zu bekommen. Für die Herstellung der Kompaktkehrfahrzeuge in Lettland wiederum konnten die Motoren nicht geliefert werden. Unsere Lieferanten haben die Produktion nun wieder aufgenommen und uns beliefert. Zurzeit gibt es keine gewichtigen Lieferprobleme. Da Bucher Industries Komponenten vorwiegend lokal oder im nahen Ausland einkauft, war die Lieferkette nur geringfügig vom Handelskrieg betroffen.

2019 war geprägt von hohen Investitionen, wie den Erweiterungsprojekten von Bucher Hydraulics in Italien. Was bedeutet das nun im Coronalicht?

Wir sind ein langfristig orientiertes Unternehmen. Unsere Investitionen müssen sich auf die lange Frist rechnen, so auch die strategischen Erweiterungsprojekte von Bucher Hydraulics in Italien und in Indien, aber auch jene von Kuhn Group in Monswiller. Diese Erweiterungen waren nötig, um Platz für eine effiziente Produktion zu schaffen.

Gilt das auch für Ihr Joint Venture Wuxi Deli Fluid Technology in der Grossregion Shanghai?

Dieses Joint Venture wurde 2018 gegründet und unser Anteil beträgt zwischenzeitlich 80 Prozent. Die Integration ist im Sommer 2019 abgeschlossen worden. Die Nachfrage in diesem Werk hat nicht zuletzt wegen des Handelskriegs etwas nachgelassen.

In den USA merken vor allem die kleineren Farmer die Gegenmassnahmen der Chinesen auf Trumps Handelssanktionen. Was bedeutet das für das bedeutende Amerika-Agrargeschäft der Kuhn Group?

Die Lage für nordamerikanische Landwirte ist seit einiger Zeit sehr schwierig, unter anderem wegen der chinesischen Zölle auf US-Agrarerzeugnisse. Ein anderer Grund sind die tiefen Preise im Ackerbausektor wegen der hohen Lagerbestände. 2019 kamen die aussergewöhnlich nassen Wetterverhältnisse und Überschwemmungen in einem grossen Teil der Hauptanbaugebiete hinzu, welche die Ernten reduzierten. Das alles drückt auf die Nettoeinkommen vor allem der kleinen und mittelgrossen landwirtschaftlichen Produzenten, die verstärkt schliessen oder an andere Betriebe übergeben müssen. Das beeinträchtigt natürlich die Nachfrage nach Landmaschinen in diesem für uns wichtigen Markt. Zu Beginn des laufenden Jahres kam es zwar zu einer erwarteten Verbesserung auf tiefem Niveau, doch dann kam COVID-19.

«Auch Brasilien ist inzwischen stark betroffen von der Pandemie, was wir bei der Nachfrage spüren.»
Jacques Sanche, CEO Bucher Industries

In Südamerika lief es in Brasilien sehr gut. Wie sieht es dort jetzt aus?

Auch Brasilien ist inzwischen stark betroffen von der Pandemie betroffen, was wir bei der Nachfrage spüren. Wir mussten die Produktion an unseren dortigen Standorten teilweise kurz herunterfahren, zum einen aufgrund von behördlichen Anweisungen, zum anderen wegen Schwierigkeiten von Zulieferern. Inzwischen sind alle Standorte aber wieder operativ.

Wie schlägt sich der Rest des südlichen Halbkontinents. Beeinflusst der Default Argentiniens das Geschäft?

Brasilien ist für uns der wichtigste Markt in Südamerika. Doch sind natürlich auch andere Länder in der Region wichtige Absatzmärkte für unsere Produkte. Bereits vor COVID-19 spürten wir eine Zurückhaltung bei Investitionen aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten in vielen südamerikanischen Ländern.

Bei Bucher Hydraulics haben Sie zu Ende des letzen Berichtsjahrs mit dem Abbau von temporären Arbeitskräften begonnen. Vor Kurzem waren gruppenweit knapp 1000 Mitarbeiter in Kurzarbeit. Welche weiteren Massnahmen sind geplant?

Inzwischen sind weniger Mitarbeitende in Kurzarbeit, da alle Standorte wieder operativ sind. Wie kommuniziert, rechnen wir für das laufende Jahr mit einem deutlichen Umsatzrückgang. Zur Sicherstellung der Liquidität und Rentabilität haben wir wie in früheren wirtschaftlichen Abschwüngen Massnahmen initiiert. Für jede Division ist ein Kostensparprogramm festgelegt worden, um die Kapazitäten an die tieferen Umsätze anzupassen.

Ihre Division Bucher Municipal setzt stark für die Zukunft auf Elektroantrieb. Wieviel Prozent Ihrer produzierten kommunalen Nutzfahrzeuge laufen mittlerweile mit Strom?

Das ist richtig: Bucher Municipal setzt einen starken Fokus auf die Elektrifizierung. So entspricht die bei der neuen «CityCat V20e» eingesetzte Batterie neuster Technologie und ist eigens für den Einsatz in diesem Kompaktkehrfahrzeug entwickelt worden. Ebenfalls haben wir mit dem V65e das erste voll elektrisch betriebene Grosskehrfahrzeug der Branche auf den Markt gebracht. Die Nachfrage ist stark, das sieht man bei den Ausschreibungen. Die Flotte an Bucher Kehrfahrzeugen ist über die letzten Jahrzehnte angewachsen. So ist der Anteil elektrisch betriebener Fahrzeuge noch relativ gering, dürfte aber über die nächsten Jahre ansteigen.

Eindeutig am besten Schnitt im schwierigen 2019 die Division Bucher Emhart Glass ab. Jetzt aber im ersten Quartal am schlechtesten, wegen Produktionsschliessungen und Reisebeschränkungen. Ich dachte, getrunken wird immer?

Wir vergleichen hier mit einem aussergewöhnlichen 2019. Nicht zuletzt aufgrund dieser sehr starken Vergleichsbasis dürfte die Nachfrage im laufenden Jahr deutlich rückläufig sein. Getrunken wird immer, jedoch stellen Glasformungsmaschinen klassische Investitionsgüter dar, die zyklischen Schwankungen unterliegen. Einzelne Kunden sind verunsichert und verschieben Projekte, denn Getränke in Glasbehältern werden vielfach in Restaurants oder bei Anlässen konsumiert. Beides hat weltweit abgenommen. In manchen Ländern war der Alkoholkonsum gar verboten. Durch die Reisebeschränkungen im Zusammenhang mit COVID-19 war es für Bucher Emhart Glass zudem nicht möglich, die Produktionsanlagen vor Ort beim Kunden zu installieren. Die Installation erfolgt jetzt, wo die Grenzen wieder aufmachen.

«Getränke in Glasbehältern werden vielfach in Restaurants oder bei Anlässen konsumiert. Beides hat weltweit abgenommen. In manchen Ländern war der Alkoholkonsum gar verboten.»

Glasbehälter verdrängen immer mehr Plastik. Gibt es seit der von Emhart entwickelten fast bruchsicheren Version neue technische Highlights?

Bucher Emhart Glass entwickelt kontinuierlich neue Technologien, mit denen der Produktionsprozess von Glasbehältern «End to End» weiter automatisiert und optimiert wird. Dies vom «heissen Ende» der Formung, wo die Glasbehälter mit einem Lasercode markiert werden, bis zum «kalten Ende» der Inspektion. Entlang der Produktionslinie messen Sensoren verschiedenste Parameter an den Glasbehältern. Die Daten werden in einer zentralen Datenbank, dem «Flex Control Center» ausgewertet, und der Kunde erhält Empfehlungen zur Adjustierung der Maschineneinstellungen, wodurch die Produktion kontinuierlich optimiert werden kann. Es ist das Bestreben von Bucher Emhart Glass, den Ausschuss zu reduzieren und die Glasausbeute zu erhöhen. Davon profitiert der Kunde finanziell, und wir leisten einen wertvollen ökologischer Beitrag.

In der Landtechnik wird zunehmend automatisiert. Kommen bald selbstfahrende Traktoren?

Dank GPS hat es hier bereits sehr viele Fortschritte gegeben. Zum Beispiel fahren Traktoren, die mit GPS-gesteuerten Lenksystemen ausgerüstet sind, die Spuren auf dem Feld automatisch und viel präziser, als wenn der Fahrer selbst steuern würde. Der Fahrer ist jedoch nach wie vor im Cockpit und für alle Fälle einsatzbereit. In Bezug auf Gesetzgebung und Sicherheit braucht es weitere Schritte, um autonom fahrende Traktoren einsetzen zu können. Das wird noch dauern.

«Wir sind ein solid finanziertes Unternehmen, das auch in schwierigen Zeiten Investitionen tätigen kann.»

In diesem Jahr haben Sie bereits mehr Geld für M&A-Transaktionen ausgegeben als im letzten. Werden Sie dank Ihrem stark gestiegenen Eigenkapital jetzt günstig und weiter fleissig zukaufen können?

Wir sind ein solid finanziertes Unternehmen, das auch in schwierigen Zeiten Investitionen tätigen kann. Unsere Ziele bleiben dabei die gleichen: Mit Technologieführerschaft, starken Marktstellungen und konsequentem Kostenmanagement streben wir eine hohe Rentabilität und eine starke Bilanz an. Dies erzielen wir durch internes Wachstum und Innovation, aber auch mit der Übernahme und Integration von Geschäftstätigkeiten, die unsere Produkte und Dienstleistungen optimal ergänzen und stärken. Wir halten auch in diesem Jahr nach interessanten Firmen Ausschau, die strategisch zu uns passen könnten.

In einigen Bereichen ergab sich ein Backlog im Auftragbestand, hervorgerufen durch die erzwungenen Produktionsstops. Ist dieser Backlog jetzt wieder abgearbeitet?

Im März und April konnten wir aufgrund der reduzierten Produktion weniger herstellen und ausliefern. Wir haben aber fortwährend alles darangesetzt, dass der Kunde unsere Produkte zeitgerecht bekommt. Bei Kuhn Group zum Beispiel haben wir Fertiglager geleert und Demonstrationsmaschinen verkauft sowie zwischen Händlern vermittelt. Unsere Mitarbeitenden haben sich dafür enorm eingesetzt, wofür wir ihnen sehr dankbar sind.

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