Janine Bunte, CEO Schweizer Jugendherbergen, im Interview

Janine Bunte, CEO Schweizer Jugendherbergen, im Interview
Janine Bunte, CEO Schweizer Jugendherbergen (Bild: Laura Gargiulo)

Von Artur K. Vogel

Moneycab.com: Frau Bunte, Sie sind seit vier Jahren CEO der Schweizer Jugendherbergen. Was hat sich in dieser Zeit geändert, einmal abgesehen von der Covid-Pandemie?

Janine Bunte: Wir haben bei den Schweizer Jugendherbergen moderne Führungsprinzipien eingeführt, die man als partizipativ bezeichnen könnte. Leute werden stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden. Zusammen mit der Mitarbeiterkommission – die schon lange besteht – versuchen wir, die Anliegen der Mitarbeitenden zu treffen. Dazu haben wir, neben dem HR, auch eine Managerin People and Culture eingestellt. Zudem arbeiten wir mit einer aussenstehenden Organisation zusammen, an die sich Mitarbeitende wenden können, wenn sie Probleme haben, auch private. Sie erhalten dort professionelle Beratung.

Bekommen die Schweizer Jugendherbergen den Fachkräftemangel, unter dem die ganze Hotellerie und Gastronomie leidet, ebenfalls zu spüren?

Ja, aber dieser existierte schon vor der Pandemie. Wir haben bei den Schweizer Jugendherbergen eigentlich fast permanent offene Stellen. Es ist nicht ganz einfach, Leute zu finden, die zu uns passen, weil sie auch unsere Werte und unsere Philosophie mittragen sollen.

«Wir wollen insbesondere jungen Menschen mit geringen finanziellen Mitteln die Möglichkeit bieten, die Welt aktiv zu erfahren, andere Menschen, Kulturen und die Natur kennenlernen und den Horizont zu erweitern.» Janine Bunte, CEO Schweizer Jugendherbergen

Haben Sie wegen des Einbruchs der Gästezahlen während der Covid-Pandemie 2020 und 2021 Leute entlassen müssen?

Nein, wir mussten niemanden entlassen. Die Kurzarbeitsentschädigungen haben uns geholfen, über die Runden zu kommen. Allerdings sind einige Leute von sich aus gegangen. Sie haben die Branche gewechselt, weil ihnen die Zukunftsaussichten des Tourismus einfach zu unsicher erschien.

Wie haben die Schweizer Jugendherbergen die Covid-Pandemie überhaupt überstanden?

Wir spürten bei Einzelreisenden aus dem Ausland sowie bei Gruppen und Schulen einen starken Einbruch, während das Segment der Familien über die ganzen Jahre stabil blieb. Wir haben Verluste von etwa zehn Millionen Franken erlitten, von denen etwa die Hälfte durch Beiträge des Bundes abgedeckt waren. Unter dem Strich beendeten die Schweizer Jugendherbergen das erste Corona-Jahr mit rund 485’000 Logiernächten (-34% gegenüber 2019), das zweite mit rund 565’000 Übernachtungen, das heisst immer noch um 23.2% unter dem Vergleichsjahr 2019.

Aber das ist Geschichte. Im Jahr 2022 haben Sie kräftig zugelegt.

2022 sorgten die Rückkehr der Schulen und Gruppen und der internationalen Gäste dafür, dass die Übernachtungszahlen wieder anstiegen. Effektiv lagen sie seit April 2022 fast ausnahmslos über den Werten von 2019. Insgesamt zählten wir 2022 fast 752’000 Logiernächte, das heisst 2.1% mehr als im letzten Jahr vor Corona. Die positiven Zahlen sind auch auf die neu eröffneten Jugendherbergen in Burgdorf, Laax und Schaan im Fürstentum Liechtenstein zurückzuführen. So konnten wir die Unterbilanz per Ende 2022 beseitigen und weisen wieder ein positives Organisationskapital auf. Der Betriebsertrag 2022 von rund 54 Millionen Franken lag sogar um rund sieben Millionen über jenem des Jahres 2019.

Hält die Aufwärtskurve auf im laufenden Jahr an?

2023 hat begonnen, wie 2022 aufgehört hat. Die Buchungszahlen der ersten durchgehend normalen Wintersaison seit 2018/19 sind vielversprechend. Mit anderen Worten: Die Auswirkungen der Pandemie haben sich aufgelöst. Hingegen beschäftigen uns jetzt die stark gestiegenen Energiepreise und die Kostensteigerungen ganz allgemein.

«Insgesamt zählten wir 2022 fast 752’000 Logiernächte, das heisst 2.1% mehr als im letzten Jahr vor Corona.»

Die Zahl der Schweizer Gäste ist weniger stark zurückgegangen als jene aus dem Ausland. Kommen inzwischen auch die ausländischen Touristen wieder?

Ja. Nach den Schweizern machen die Deutschen den grössten Prozentsatz aus. Aus Asien sind es vor allem die Südkoreaner, während der chinesische Markt für uns weniger wichtig ist. 

Trotz der Pandemie haben Sie neue Betriebe eröffnet. Das heisst, Sie haben sich durch Covid nicht bremsen lassen?

Stillstand war für uns keine Option, trotz der unglaublich herausfordernden Rahmenbedingungen. Wir haben auch unser soziales Engagement für hindernisfreie Ferien im Rahmen des Projekts OK:GO weiter erhöht, die Zusammenarbeit mit «KulturLegi» ausgebaut und die Preise für Jugendliche im Zimmer der Eltern gesenkt. Mit der Neukonzeptionierung unserer 3-Gänge-Abendmenüs sparen wir diesbezüglich zudem rund 40% CO2 ein.

Apropos Preise: Einige Hoteliers sehen in den Jugendherbergen eine unfaire Konkurrenz. Sie argumentieren, die SJH und die Schweizer Stiftung für Sozialtourismus (SSST) bezahlten als Nonprofit-Organisationen keine Steuern und hätten ganz andere Kostenstrukturen als kommerzielle Betriebe. (Die SSST ist Mieterin oder Eigentümerin der Liegenschaften, in denen die Jugendherbergen betrieben werden.) Was sagen Sie zu solchen Vorwürfen?

Es gibt in der Tourismuslandschaft viele Profit- und unzählige Non-Profit-Organisationen mit den zugehörigen Vor- und Nachteilen – das hat nichts mit fair oder unfair zu tun, sondern mit der Ausrichtung. So befinden sich noch immer drei Viertel aller unserer Betten in Mehrbettzimmern. Öffentliche Volksschulen, Gymnasien, aber auch Gruppen und allein reisende junge Leute profitieren von unseren günstigen Angeboten.

«Wir haben in der Pandemie Verluste von etwa zehn Millionen Franken erlitten, von denen etwa die Hälfte durch Beiträge des Bundes abgedeckt waren.»

Seit der Gründung 1924 steht bei uns der gesellschaftlich-soziale Auftrag im Zentrum. Wir wollen insbesondere jungen Menschen mit geringen finanziellen Mitteln die Möglichkeit bieten, die Welt aktiv zu erfahren, andere Menschen, Kulturen und die Natur kennenlernen und den Horizont zu erweitern. Der dadurch erzielte Ertrag fliesst vollumfänglich zweckgebunden zurück ins Produkt.

Aber das Durchschnittsalter Ihrer Gäste ist gestiegen.

36% unserer Gäste sind Jugendgruppen und Schulen. Nur das Durchschnittsalter der Familien ist vielleicht etwas höher geworden, weil man heute tendenziell später Kinder hat als früher.

Es steht eine Reihe von Neu- und Wiedereröffnungen an. Verfolgen Sie eine Wachstumsstrategie, und wenn ja, wo sehen Sie die Grenzen?

Wir haben die Jugendherbergen im Schloss Burgdorf in Schaan und in Saignelégier neu eröffnet sowie die Wellnesshostels in Laax und in St-Luc im Walliser Val d’Anniviers. Die Hostels Rapperswil, Brienz und Luzern wurden renoviert. Anfang März 2023 wird in Scudellate im Südtessiner Valle di Muggio ein neues Mitglied in die SJH-Familie aufgenommen. In Montreux wird die Jugendherberge im Mai 2023 nach einer Renovation wiedereröffnet. Und im mittelalterlichen Martigny-Bourg stösst 2024 das 1654 erbaute «Bâtiment de l’Horloge» zum Netzwerk. Auch Genf erhält 2025 wieder eine Jugendherberge. In Pontresina startet der Projektwettbewerb für einen Ersatzneubau. In Planung befinden sich ausserdem der Umzug der Luzerner Jugendherberge ins Verkehrshaus direkt am See sowie ein Umbau der Jugendherberge Lausanne. Hingegen mussten wir zum Beispiel die Herberge in Sion schliessen. Wir verfolgen keine Wachstumsstrategie, aber wir pflegen unser Netzwerk, das wir bei rund 50 Betrieben sehen.

Jetzt stehen zwei Jubiläen an: 2023 wird die SSST 50 Jahre alt; die SJH, welche am Anfang eine weltweite Pionierrolle spielten, feiern Ende April 2024 sogar ihr hundertjähriges Bestehen. Was darf man zu diesem Jubiläen erwarten?

Die SJH rufen zur schweizweiten «Youth Challenge» auf. Die Idee: Junge Menschen im Alter von 16 bis 25 Jahren bilden Teams und stellen eine einwöchige Reiseroute in der Schweiz zusammen, wobei sie in mindestens drei Jugendherbergen übernachten. In Kurzvideos präsentieren die Gruppen ihre Ideen. Eine Jury wählt die vier spannendsten Projekte aus und die Finalisten-Teams begeben sich auf ihr Abenteuer durch die Schweiz. Mittels «Public Voting» wird das Gewinnerteam bestimmt. Dieses gewinnt einen Gutschein im Wert von 10‘000 Franken für eine Europareise mit dem Zug und Übernachtungen im Netzwerk von Hostelling International.


Janine Bunte
Janine Bunte, eidg. dipl. Expertin für Rechnungslegung und Controlling, ist seit 2019 CEO der Schweizer Jugendherbergen SJH. Dort startete sie 1996 als Sachbearbeiterin in der Buchhaltung, bevor sie die Regionalleitung übernahm. Von 2010 bis 2019 war sie als CFO Mitglied der SJH-Geschäftsleitung und für Finanzen, IT und Personal verantwortlich. Janine Bunte ist zudem Präsidentin des Branchenverbandes Parahotellerie Schweiz, Mitinitiantin und Präsidentin des Vereins discover.swiss und Vorstandsmitglied von Go-Snow, Schneesportinitiative Schweiz. Zudem arbeitet sie in internationalen Kommissionen mit. Janine Bunte ist verheiratet und Mutter von zwei Teenagern.
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