Lorenz Wyss, Vorsitzender der Gruppenleitung Bell Food Group, im Interview

Lorenz Wyss, Vorsitzender der Gruppenleitung Bell Food Group, im Interview
Lorenz Wyss, Vorsitzender der Gruppenleitung Bell Food Group. (Foto: Bell)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Wyss, die Bell Gruppe wächst seit Jahren organisch – und das in gesättigten Märkten. Wo geht da besonders die Post ab?

Lorenz Wyss: Wenn wir die letzten Pandemiejahre mal ausklammern, dann ist klar das Convenience-Segment der Wachstumstreiber der Gruppe. Da haben wir uns sehr gut aufgestellt, und hier sehen wir vor allem in der Schweiz, Deutschland, Österreich und Frankreich weiteres grosses Potenzial.

Gerade im letzten Jahr wurde viel in der Schweiz und in Liechtenstein investiert. Welche operativen Verbesserungen verspricht das?

Der Heimmarkt Schweiz ist unser Kerngeschäft und Ertragspfeiler und daher für uns enorm wichtig. Das Investitionsprogramm Schweiz umfasst Investitionen in die Produktionsinfrastruktur an den Standorten von Bell in Oensingen und von Hilcona in Schaan. Wir modernisieren und erweitern unsere Infrastruktur für Produktion und Logistik. Damit wollen wir unsere führende Position im Schweizer Fleisch- und Convenience-Markt auf Jahre hinaus sichern.

In Schaan werden allein 120 Millionen in die Modernisierung der Produktionsanlagen investiert. Geht Bell voll Pasta?

Bei Hilcona spielt Pasta eine wichtige Rolle. Die Investitionen in Schaan zielen aber nicht alleine auf diesen Bereich ab. Durch den Ausbau und die Modernisierung der Produktionsinfrastruktur werden auch Kapazitäten für andere Warengruppen frei, darunter beispielsweise für vegetarische und vegane Produkte. In diesem Bereich wollen wir unsere Wachstumsstrategie in den kommenden Jahren weiterführen.

«Als einer der wenigen Marktteilnehmer verfügen wir in der Schweiz über eine Produktion für vegetarische Fleischalternativen.»
Lorenz Wyss, Vorsitzender der Gruppenleitung Bell Food Group

Die Bell Food Group erzielt rund 22 Prozent des Umsatzes mit vegetarischen Produkten. Fleischersatzprodukte wurden im letzten Geschäftsjahr rund ein Viertel mehr abgesetzt. Wo könnte das Gleichgewicht zwischen Fleischersatz und Fleisch dereinst liegen?

Wir haben in den vergangenen Jahren einiges in den Ausbau unserer vegetarischen und veganen Sortimente investiert. Mit unserem innovativen Start-up «The Green Mountain» sind wir bei den veganen Fleischalternativen sehr gut aufgestellt. Als einer der wenigen Marktteilnehmer verfügen wir in Landquart über eine Produktion in der Schweiz. Wir verstehen unsere vegetarischen Sortimente nicht rein als Fleischalternativen. Wir sind der grösste Salat- und Birchermüeslihersteller in der Schweiz. Die Philosophie der Bell Food Group ist es, für jeden Geschmack frische, qualitativ hochwertige und innovative Lebensmittel herzustellen – und das sowohl für Vegetarier und Veganer als auch für Fleischliebhaber.

Mit der eingeschränkten Mobilität während der Corona-Pandemie hat das klassische Kochen zu Hause wieder zugenommen. Dreht jetzt trotzdem wieder alles Richtung Convenience?

Wir gehen davon aus, dass die To-go-Verpflegung und auch der Bereich Food Service mit dem Abklingen der Pandemie wieder deutlich zulegen werden. Das wird dem Geschäftsfeld Convenience sicherlich Auftrieb geben. Gleichwohl halte ich es aber durchaus für möglich, dass gewisse durch die Pandemie hervorgerufenen Verhaltensweisen wie beispielsweise das Revival des Kochens zu Hause längerfristig Bestand haben könnten. Es wird interessant sein, zu sehen, wie sich das entwickeln wird. Durch unser breit diversifiziertes Angebot sind wir jedenfalls für alle Eventualitäten gerüstet.

«Das Revival des Kochens zu Hause könnte längerfristig Bestand haben.»

Wird sich durch immer mehr Convenience auch die EBIT-Marge bei Bell weiter erhöhen?

Wir sind immer bestrebt, unsere Wertschöpfung zu erhöhen – in allen Sortimentsteilen.

Rechnen Sie in den nächsten Jahren mit deutlich höheren Gemeinkosten wie Energie und Transport?

Eine Kostensteigerung hat 2021 schon merklich stattgefunden. Das betrifft einerseits Energie- und Transportkosten, aber auch Verpackungsmaterial und Futtermittel. Es ist momentan auch angesichts der tragischen Vorkommnisse in der Ukraine leider nicht davon auszugehen, dass diese Entwicklung bald in eine andere Richtung zeigen wird, im Gegenteil.

Das in Deutschland bereits etablierte Konzept der Faltpackung wurde im Berichtsjahr erfolgreich in der Schweiz eingeführt und spart im Vergleich zu herkömmlichen Verpackungen etwa die Hälfte an Plastik ein. Wo gibt es noch Produktinnovationen, die den ökologischen Fussabdruck verbessern?

Eine unserer drei Unternehmensmissionen lautet «Wir leben Verantwortung». Damit wollen wir zum Ausdruck bringen, dass wir als Unternehmen unsere Verantwortung für Mensch, Tier und Umwelt ernst nehmen. Mit unserer Nachhaltigkeitsstrategie verfolgen wir einen ganzheitlichen Ansatz. Wir haben darin verschiedene Themenfelder definiert, die darauf abzielen, den ökologischen Fussabdruck zu verringern. In erster Linie geht es darum, unsere Produktion und die vorgelagerten Prozesse möglichst so zu gestalten, dass wir Mensch, Tier und Umwelt so wenig wie möglich belasten. Dazu gehören beispielsweise neue Verpackungslösungen aus umweltfreundlichen Materialien, die Reduktion von Plastik oder die Installation von Wärmerückgewinnungs- und Photovoltaikanlagen. Damit haben wir uns zum Ziel gesetzt, bis 2035 die Klimaneutralität im Betrieb zu erreichen.

In Deutschland ist Bell Marktführer bei Rohschinken. Ist die Zeit des geräucherten Schwarzwälders definitiv vorbei?

In Deutschland haben die luftgetrockneten, mediterranen Rohschinken in den vergangenen Jahren an Beliebtheit gewonnen. Für die Rohschinkenspezialitäten aus unseren Herstellungsbetrieben in Spanien und Frankreich ist Deutschland mittlerweile einer der wichtigsten Absatzmärkte. Gleichwohl sind aber auch unsere deutschen Rohschinken nach wie vor sehr beliebt. Es hat also vielmehr eine Erweiterung des Angebotsspektrums stattgefunden.

«Für die Rohschinkenspezialitäten aus unseren Herstellungsbetrieben in Spanien und Frankreich ist Deutschland mittlerweile einer der wichtigsten Absatzmärkte. «

Die Bell Food Group ist auch der grösste Bio-Geflügelfleischproduzent Europas. Das fettarme Geflügel ist gesund und wird verstärkt nachgefragt. Aber auch hier ging es mit den Rohwarenpreisen, insbesondere bei Futtermitteln nach oben. Kann Bell bei Geflügel eher die Preise anheben als bei der hart umkämpften Charcuterie?

Grundsätzlich ist die Position bei Preisverhandlungen besser, wenn man sich mit seinem Angebot von den Mitbewerbern differenzieren kann und wenn man über eine entsprechende Marktposition verfügt. Aus diesem Grund macht es durchaus Sinn, wenn man sich auf seine Kernkompetenzen fokussiert, wie wir das international mit Rohschinken und nachhaltigem Geflügel tun. Dank unserer Leistungsfähigkeit können wir die steigende Nachfrage nach nachhaltigem Geflügelfleisch bedienen und sind ein verlässlicher Partner des Handels.

Mittlerweile ist die Eigenkapitalquote sogar über die 50% Marke geklettert. Das lässt natürlich die Frage nach den nächsten strategischen Schachzügen aufkommen?

Wir sind kerngesund, haben viel Substanz und eine solide Finanzierung. Dazu haben wir gute Perspektiven in der Schweiz und in Europa. Damit stemmen wir unser umfangreiches Investitionsprogramm und sichern damit nachhaltig und langfristig unsere Ertragspfeiler.

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