Marco J. Netzer, Chairman Banque Cramer & Cie SA

Marco J. Netzer, Chairman Banque Cramer & Cie SA

Marco J. Netzer, Chairman Banque Cramer & Cie SA.

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Netzer, die Bank Cramer hat ihre Wurzeln im Jahre 1709, als Pierre Cramer die Bank unter dem Namen Cramer & Cie gründete. Dass auch kleine Privatbanken mit grosser Tradition nicht vor dem Fall gefeit sind, hat das Beispiel der Bank Wegelin aktuell gezeigt. Welche Strategie verfolgen Sie, um die Zukunft der Banque Cramer sicherzustellen?

Marco J. Netzer: Einerseits müssen wir uns auf unsere Kultur und unser selbst definiertes Geschäftsprofil abstützen. Andererseits kommen die Sicherstellung des notwendigen Fachwissens und die Voraussicht der regulatorischen Entwicklungen, um auf diese so rasch wie möglich zu reagieren. Nicht zuletzt gilt unser Fokus dem Kerngeschäft, der Private- und institutionellen Vermögensverwaltung. Das heisst, überall dort, wo eine Dienstleistung nicht zu unserem Hauptgeschäft gehört, stützen wir uns auch auf externe Spezialisten ab; Fachwissen, Kontinuität und die mit der Entwicklung verbundenen Risiken sprechen dafür. Unsere Wachstumsstrategie, als kleine Privatbank, sieht hauptsächlich selektive Akquisitionen vor.

«Die Führungskräfte sollten sich im Falle von Akquisitionen oder Fusionen auf das Kerngeschäft, die Integration und die Kundendienstleistungen konzentrieren und sich nicht mit immer komplexeren IT Fragen (verbunden mit steigenden Entscheidungsrisiken) auseinandersetzen müssen.» Marco J. Netzer, Chairman Banque Cramer & Cie SA

Ihre Strategie „Wachstum durch Akquisition“ hat zur Übernahme der Banque de Patrimoines Privés Genève (BPG) im 2009 geführt. Wie verlief die Integration?

Die Integration auf der operativen Ebene der übernommenen Privatbank und deren Tochtergesellschaften verlief gut. Bei der Entscheidungsfindung in den Bereichen Anlagen, IT und den mit der Migration verbundenen IT-Projekten war jedoch eine hohe „Management-Aufmerksamkeit“ notwendig. Die relativ tiefe Flexibilität unseres damaligen Providers hat uns dabei nicht gross geholfen. Zuletzt haben wir das Projekt mit Unterstützung von externen Fachkräften grösstenteils selber geführt.

Welche strategischen Überlegungen haben dazu geführt, dass Sie sich im 2010 entschlossen, das bestehende Bankensystem abzulösen?

Unsere Wachstumsstrategie verlangt eine grösstmögliche Handlungsfreiheit, mit Fokus auf das Kerngeschäft und auf die Kundendienstleistungen, basierend auf einer offenen Geschäftsmodellarchitektur. Die Führungskräfte sollten sich im Falle von Akquisitionen oder Fusionen auf das Kerngeschäft, die Integration und die Kundendienstleistungen konzentrieren und sich nicht mit immer komplexeren IT Fragen (verbunden mit steigenden Entscheidungsrisiken) auseinandersetzen müssen. Hinzu kommt, dass unser damaliger Provider übernommen wurde, und uns das neue Unternehmen keine Freiheit bei IT-Entscheidungen gewährt hätte. Diesen Nachteil und die zusätzliche Risikokomponente wollten wir nicht länger hinnehmen.

Als Sie im Oktober 2010 den „Request for Information“ (RFI) an verschiedene Anbieter sandten, was waren die qualitativen und quantitativen Entscheidungskriterien, nach denen Sie die weitere Auswahl treffen wollten?

Eigentlich eine Vielzahl, basierend auf den vorher getroffenen Grundsatzentscheiden. Die wichtigsten Kriterien umfassten sowohl die Möglichkeit einer standardisierten und gleichzeitig auf uns zugeschnittenen IT-Plattform und –Architektur, als auch das Minimieren von Entwicklungsrisiken. Hinzu kommt, dass wir – bedingt durch die heutige Automatisierung und Standardisierung von verschiedenen Bankprozessabläufen – sowohl für die Kunden als auch intern eine moderne, flexible und professionell unterstützte Lösung wollten. Zu unseren Überlegungen gehörte von Anfang an auch die Option, Teile der Back-Office Administration zu externalisieren. Zuletzt waren natürlich auch Aspekte wie „Ownership“ und „Pricing-Modell“ massgebend für uns.

Da IT-Projekte mit einer solchen strategischen Tragweite nicht zum Tagesgeschäft gehören, wie haben Sie sich für die Entscheidungsphase (RFI, RFP, Offertenbearbeitung, Entscheidung) organisiert?

Es ging um einen wichtigen strategischen Entscheid, dessen Tragweite uns auch in zeitlicher Hinsicht für mehrere Jahre binden wird. Wir haben in dieser Phase nicht gespart und mit Hilfe externer Fachspezialisten und unabhängiger Fachkräfte eine strukturierte Projektorganisation auf die Beine gestellt.

«Die Projektziele wurden also sowohl in zeitlicher als auch mehrheitlich in finanzieller Hinsicht (was bezüglich IT-Projekte ja nicht immer der Fall ist) erreicht.»

Welche Anbieter blieben in der Schlussrunde noch übrig und aus welchen Gründen haben Sie sich für B-Source entschieden?

Zuletzt blieben CA (Crédit Agricole) und B-Source übrig, jene Provider die uns für die kombinierte Lösung ASP und BPO überzeugten. Der Entscheid fiel schlussendlich zu Gunsten von B-Source: nebst gleichwertiger Professionalität waren die Faktoren Qualität der Plattform (Avaloq), Flexibilität des Partnershipmodels, „kundennaher“ Provider zur Bank und das flexibel kombinierte Preismodell ausschlaggebend für die Wahl von B-Source. So ist zum Beispiel das Pricingmodel von B-Source eher degressiv, was natürlich für eine Privatbank, die wachsen möchte, kein zu unterschätzender Faktor ist. Korrekterweise muss zu diesem Punkt hinzugefügt werden, dass bei der von der Crédit Agricole unterbreiteten Lösung die Anfangs- und Migrationskosten günstiger waren. 
Natürlich spielten die Flexibilität, die Tatsache, dass B-Source keine Bank ist und dass Avaloq eine moderne Lösung darstellt, eine Rolle.

Wie sah die zeitliche Planung und der Verlauf des Projektes aus und inwieweit haben Sie die gesteckten Ziele erreicht?

Das Projekt startete (mit dem gesamten RFI und danach RFP Prozess) im Oktober 2010; im April, nach Unterzeichnung der Verträge mit B-Source, starteten die Entwicklungs- und Migrationsarbeiten. Der Go-live fand am 03.01.2012 pünktlich wie geplant statt und das Projektende ist für 31.03.2012 vorgesehen. Die Projektziele wurden also sowohl in zeitlicher als auch mehrheitlich in finanzieller Hinsicht (was bezüglich IT-Projekte ja nicht immer der Fall ist) erreicht. 

Wichtig für uns und für die Erreichung der gesteckten Ziele waren, nebst der guten und sehr engen Zusammenarbeit mit dem Provider (Steering Committee, Projektgruppen), der Beitrag unserer eigenen Leute, angefangen bei der Geschäftsleitung bis zu den Benutzervertretern sowie die Unterstützung von externen Fachleuten.

Wie beurteilen Sie das Projekt im Rückblick, was würden Sie eventuell aus heutiger Sicht anders machen?

Im Rückblick hat man vielleicht das Gefühl, man hätte gewisse Prozesse beschleunigen können, diese waren aber nötig für die Konsensfindung und die Qualität der Entscheidungen. Die Strategie und die Abläufe haben sich bewährt.

 Ich glaube, wir würden alles nochmals genauso machen. Es ist wichtig, schon zu Beginn eines solchen Projekts einen breiten Konsens zu finden und diesen gut abzustützen. In diesem Sinne war der lange und intensive Auswahlprozess (inklusive RFI und RFP) doch „nicht zu lang“. Es ist von zentraler Bedeutung, die strategischen Gründe von solch wichtigen Entscheidungen hervorzuheben und sich dafür auf einen längeren als gewohnten Zeithorizont auszurichten.

Was sind die für Sie wichtigsten Erkenntnisse dieses für die Zukunft der Banque Cramer so bedeutenden Projektes?

Was die Bank anbelangt geht es darum, nur die besten Fachleute in ein solch einmaliges Projekt zu integrieren. Diese müssen ihre Rolle bis zum Ende des Projektes wahrnehmen, ihre Erfahrungen einbringen und ihr Umfeld sensibilisieren für Chancen und Probleme, die solch ein umfassendes und wichtiges Projekt mit sich bringt. Man darf nicht vergessen, Outsourcing von ASP und BPO bedeutet ein langfristiger strategischer Entscheid.

«Die Strategie und die Abläufe haben sich bewährt.

 Ich glaube, wir würden alles nochmals genauso machen.»

Für die Provider würde ich folgende Aspekte unterstreichen:
Was für die B-Source Tagesgeschäft ist, ist für den Kunden ein einmaliges Projekt. Deshalb muss der Anbieter den Kunden in Prozessen und Abläufen coachen, die für den Anbieter eher selbstverständlich scheinen. Der Kunde muss die Prozesse in ihrer ganzen Tiefe verstehen. Das ist der wichtigste Beitrag, den der Provider beim Einstieg, bei der Entwicklung und in der Migrationsphase leisten kann.

Zum Schluss des Gespräches haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen diese aus?

Erster Wunsch: Dass die Banque Cramer & Cie. SA ihren nächsten Wachstumsschritt noch in diesem Jahr abschliessen kann. 

Zweiter Wunsch: Dass die Rechnungen der B-Source für Ihre ASP und BPO Dienstleistungen unseren Vorstellungen entsprechen und im Rahmen unserer gemeinsam erstellten Hochrechnungen sein werden.

Der Gesprächspartner:
Marco Netzer, geb. 1955, verheiratet und Vater zweier Kinder, studierte Jurisprudenz in Zürich. Nach Abschluss seines Studiums war er 14 Jahre in verschiedenen Funktionen für die UBS tätig. Zuletzt arbeitete er für die UBS als Regionalleiter Private Banking und Asset Management Region Asia Pacific. 1999 wurde er CEO der Banca del Gottardo, seit 2006 ist er Verwaltungsratspräsident und Partner der Banque Cramer & Cie SA. Seit seiner Ernennung durch den Bundesrat im Jahr 2008 ist er Verwaltungsratspräsident der Ausgleichsfonds AHV/IV/EO.

Das Unternehmen:
Die Genfer Privatbank Banque Cramer ist eine der traditionsreichsten Schweizer Privatbanken. Ihre Ursprünge reichen bis ins 18. Jahrhundert zurück: Den Grundstein legte Pierre Cramer de Brandis mit der Gründung des Finanzinstituts Cramer & Cie im Jahr 1709. Die seit 2003 unter dem Namen Banque Cramer & Cie SA tätige Privatbank ist auf Vermögensverwaltung und individuelle Investitionsberatung spezialisiert. Seinen Kunden bietet das Institut massgeschneiderte Dienstleistungen mit einem breiten Spektrum an. Am Hauptsitz in Genf sowie in den Niederlassungen in Lugano und Nassau (Bahamas) beschäftigt Banque Cramer & Cie insgesamt 65 Mitarbeiter.

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