Martin Eichler, Chefökonom BAKBASEL

Martin Eichler, Chefökonom BAKBASEL

Martin Eichler, Chefökonom BAKBASEL. (Foto: BAKBASEL)

von Christa W. Spoerle

Moneycab: Herr Eichler, die Schweizer Wirtschaft befindet sich auf einem robusten Wachstumskurs. Was sind die wichtigsten Gründe?

Martin Eichler: Die weltwirtschaftliche Entwicklung hat für eine kleine offene Volkswirtschaft wie die Schweiz in den letzten Jahren eigentlich kein sehr günstiges Umfeld geboten. Die Schweizer Wirtschaft konnte sich jedoch in diesem schwierigen Umfeld insgesamt gut behaupten, auch wenn dies natürlich nicht für alle Unternehmen und Branchen in gleichem Mass gilt: Während sich die Binnenwirtschaft sehr gut entwickelt, stehen die stärker exportorientierten Unternehmen vor grösseren Herausforderungen. Als Ursachen für die insgesamt guten Leistungen der Schweizer Wirtschaft ist neben den gesunden Wirtschaftsstrukturen vor allem das zuwanderungsbedingte Bevölkerungswachstum zu nennen. So hat die Verfügbarkeit insbesondere von hochqualifizierten Arbeitskräften die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gestärkt. Gleichzeitig treiben die damit verbundenen Konsumausgaben und Bauinvestitionen die Binnenkonjunktur an und helfen über das schwierige aussenwirtschaftliche Umfeld hinweg.

Sie haben ihre Prognose für das BIP-Wachstum der Schweiz kürzlich auf 1,9% von 1,4% für 2013 erhöht und rechnen für 2014 mit 2,2%. Damit gehören Sie zu den optimistischeren Auguren, warum?

Weil sich die Binnenkonjunktur im bisherigen Jahresverlauf als äusserst robust erwiesen hat und wir bisher keine Gründe für eine nennenswerte Abschwächung der Binnenkonjunktur sehen. Hinzu kommen zunehmend Anzeichen dafür, dass die erwartete Belebung der Weltwirtschaft tatsächlich eingesetzt hat. Selbst in den südlichen europäischen Krisenländern scheint sich die konjunkturelle Lage zu stabilisieren,  auch wenn die strukturellen Probleme noch lange nicht überwunden sind. Wir erwarten daher eine baldige, wenn auch nur allmähliche Erholung der Schweizer Exportwirtschaft. Mit dieser optimistischen Einschätzung stehen wir jedoch nicht alleine da, wie entsprechende Revisionen anderer Prognoseinstitutionen der letzten Tage und Wochen zeigen.

«Wir sehen bisher keine Gründe für eine nennenswerte Abschwächung der Binnenkonjunktur… dafür zunehmend Anzeichen … für eine Belebung der Weltwirtschaft.»
Martin Eichler, Chefökonom BAKBASEL

Wo orten Sie die wichtigsten negativen Einflüsse?

Der starke Franken, der auf absehbarer Zeit auch nicht deutlich schwächer werden dürfte, bleibt weiterhin eine Herausforderung. Ebenfalls hemmend wirken die immer noch unterdurchschnittlich ausgelasteten Kapazitäten im verarbeitenden Gewerbe, die die Investitionsbereitschaft limitieren. Verschärft wird dies durch die weiterhin hohen Unsicherheiten: Durch die weitgehend ungelösten strukturellen Probleme, ganz besonders in der Eurozone, besteht nach wie vor eine erhebliche Gefahr von auch massiven Rückschlägen im internationalen Umfeld. Allerdings sind inzwischen auch hausgemachte Unsicherheiten hinzugekommen: Die zahlreichen, wirtschaftspolitisch eher bedenklichen Volksinitiativen und der unklare Ausgang der steuerpolitischen Auseinandersetzungen mit dem Ausland verunsichert die Investoren zusätzlich. Kurzfristig reduziert dies vor allem den Beitrag der Investitionstätigkeit zum Wachstum, birgt jedoch auch nachhaltig wirksame Gefahren: Die hohe Standortattraktivität der Schweiz könnte hierdurch leiden.

Wie beurteilen Sie die Lage am Immobilienmarkt, wird das Ende des Immobilienbooms abrupt ausfallen?

Im Grossen und Ganzen steht die Entwicklung nach wie vor im Einklang mit den Fundamentalfaktoren. Ein Preisverfall ist nur bei einem ausgeprägten Zinsschock oder einer deutlich abnehmenden Zuwanderung zu erwarten. Beide Szenarien sind in der kurzen Frist unwahrscheinlich. Je länger die SNB jedoch an ihrer Nullzinspolitik festhält bzw. festhalten muss, desto grösser wird natürlich die Gefahr für Fehlallokationen. Damit steigt im Zeitverlauf das Risiko, dass die SNB zu einem späteren Zeitpunkt abrupt und umso kräftiger gegensteuern muss.

Wie wird sich die Exportindustrie erholen?

Die globale Nachfrage dürfte in den kommenden Monaten allmählich, aber doch deutlich anziehen. Für das Jahresende 2013 zeigt unser Weltmodell eine um rund 3.9% höhere Nachfrage nach Schweizer Produkten an als zum Jahresende 2012. Dieser Nachfragezuwachs wird sich weiter beschleunigen, 2014 auf 4.7 Prozent und im Jahr 2015 sogar auf über 6 Prozent. Gleichzeitig erwarten wir keine grossen Veränderungen an der Wechselkursfront und damit der preislichen Situation der Schweizer Exporteure, so dass sich dieser Nachfragezuwachs nahezu 1:1 auf die Schweizer Güterausfuhren übertragen kann.

Wie entwickelt sich die Arbeitslosigkeit?

Der Höhepunkt ist erreicht, einen starken Rückgang erwarten wir auf absehbare Zeit jedoch nicht. Für den Jahresdurchschnitt 2014 rechnen wir mit einer leicht tieferen Arbeitslosenquote von 3.1% (2013 3.2%). Im Jahr 2016 wird die Arbeitslosenquote gemäss unserer Einschätzung wieder unterhalb der 3 Prozentmarke liegen.

Was darf man vom Tourismus erwarten?

Der Tourismus ist eine der Branchen, die – neben allen strukturellen Problemen – besonders unter dem Höhenflug des Franken zu leiden hatte und hat. Jedoch wurde auch hier der Tiefpunkt überwunden. Dank günstiger Bedingungen konnte bereits in der letzten Wintersaison wieder ein Plus erzielt werden. Ein Boom ist zwar nicht zu erwarten, wir gehen aber doch von einer anhaltenden und spürbaren Erholung aus.

«Angesichts der vielfach ungelösten Strukturprobleme und den anhaltenden Unsicherheiten in der Eurozone rechnen wir damit, dass die SNB weiterhin an der derzeitigen Wechselkursgrenze festhält.»

Ist die Eurokrise langsam überwunden?

Das Extremrisiko eines Auseinanderbrechens scheint gebannt, zumindest vorerst. Die strukturellen Probleme vieler Länder sind jedoch bei weitem noch nicht überwunden und werden uns wohl noch lange Zeit beschäftigen. Falls der Reformeifer weiter erlahmt, ist auch nicht auszuschliessen, dass die Krise mit aller Macht zurückkehrt. Diesem Extremszenario rechnen wir jedoch eine eher untergeordnete Wahrscheinlichkeit zu. Für wesentlich wahrscheinlicher halten wir eine zögerliche Lösung der strukturellen Probleme, die zwar ausreicht, ein starkes Wiederaufflammen der Krise zu vermeiden, jedoch noch über längere Zeit die Wachstumsaussichten in den betroffenen Ländern limitiert.

Was erwarten Sie von der SNB, wird sie sich langsam von der Untergrenze des Wechselkurses verabschieden oder ihn anheben?

Angesichts der vielfach ungelösten Strukturprobleme und den anhaltenden Unsicherheiten in der Eurozone rechnen wir damit, dass die SNB weiterhin an der derzeitigen Wechselkursgrenze festhält.

Könnten sich die USA als Wachstumslokomotive entpuppen?

Die USA sind nach wie vor eine Wachstumslokomotive, insbesondere wenn explizit auf die hinter den globalen Güter- und Dienstleistungsströme stehende Wertschöpfung und den effektiven Endverbrauch abgestellt wird. Selbst bei vergleichsweise langsamem Wachstum der US-Wirtschaft liefert sie dank ihrer schieren Massen einen grossen Wachstumsbeitrag zur Weltwirtschaft. Mit der neu begonnen Re-Industrialisierung, politisch gewollt und angetrieben von tiefen Energiepreisen, wird die weltwirtschaftliche Bedeutung der USA eher noch weiter steigen.

Jedoch drohen auf weitere Sicht auch in den USA strukturelle Gefahren das Wachstumspotenzial zu limitieren, deren Lösungen bisher noch nicht absehbar sind. Dazu gehören politische Faktoren wie der Parteienstreit und die Blockade in der Budgetpolitik in Kombination mit der Verschuldungsproblematik. Zu nennen sind aber auch Faktoren wie die in vielen Bereichen marode Infrastruktur. Je nachdem, wie und wann diese strukturellen Probleme angegangen und überwunden werden, wird sich längerfristig auch das Potential der USA entwickeln.

Welche Themen dürften uns in den kommenden Jahren am meisten beschäftigen?

Zahlreiche Punkte wurden bereits angesprochen: Die oft noch ungelösten strukturellen Probleme werden uns weiterhin beschäftigen. In der Schweiz gilt es, die guten Standortbedingungen trotz verschiedener Gefahren zu erhalten. Zu einem zentralen Agenda-Setter werden die demographischen Veränderungen werden: Diese machen sich immer stärker bemerkbar und bestimmen die Diskussion, sei dies direkt wie bei den Kosten der Altersvorsorge oder indirekt wie beim Fachkräftemangel oder in einer sinkenden Innovationsbereitschaft einer alternden Gesellschaft.

Zur Person: 
Martin Eichler hat Volkswirtschaft mit Schwerpunkt angewandte Wirtschaftsforschung an der Universität Konstanz und an der University of Western Ontario studiert. Von 1995 bis 2000 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Universitäten Mannheim und St. Gallen. Er hat sich in dieser Zeit vertieft mit Arbeitsmarktökonomik und mikroökonometrischer Programmevaluation beschäftigt. 2001 ist Martin Eichler als Senior Economist zu BAK Basel Economics gestossen. Seit 2006 ist er Mitglied der Geschäftsleitung und seit Mai 2013 Chefökonom von BAKBASEL. Neben seiner Funktion als Chefökonom von BAKBASEL und als Geschäftsleitungsmitglied verantwortet er schwerpunktmässig das Marktfeld «Regionen», wozu die konjunkturelle Analyse der Schweiz und ihrer Kantone, aber auch die Beschäftigung mit strukturellen Rahmenbedingungen und wirtschaftspolitischen Strategien von Regionen gehört.  

Zum Unternehmen:
BAK Basel Economics AG (BAKBASEL) wurde 1980 als «Basler Arbeitsgruppe für Konjunkturforschung (BAK)» als Spin-off der Universität Basel gegründet. Seit 1987 hat das Unternehmen die Rechtsform einer Aktiengesellschaft nach Schweizerischem Recht und ist juristisch, politisch und wissenschaftlich unabhängig. Im Jahr 2012 erwirtschaftete BAKBASEL einen Umsatz von rund CHF 4.15 Millionen mit 30 Mitarbeitenden. BAKBASEL erstellt volkswirtschaftliche Analysen und Prognosen  und bietet faktenbasierte Beratungsdienstleistungen auf empirischer und quantitativer Ebene an. Im Fokus der Arbeiten stehen gesamtwirtschaftliche sowie branchen- und regionenspezifische Fragestellungen, sowohl aus konjunktureller als auch struktureller Sicht.

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