Olivier Vareilhes, Managing Director Kyndryl Switzerland, im Interview

Olivier Vareilhes, Managing Director Kyndryl Switzerland, im Interview
Olivier Vareilhes, Managing Director Kyndryl Switzerland (Bild: Kyndryl)

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Vareilhes, die frühere Sparte „Global Technology Services“ (GTS) von IBM wurde im Zuge der Neuorientierung anfangs November 2021 abgespalten und agiert jetzt neu unter dem Namen Kyndryl als eigenständiges, börsenkotiertes Unternehmen. Sie sind Geschäftsführer von Kyndryl Schweiz, zuvor waren Sie Geschäftsleitungsmitglied der IBM Schweiz. Wie hat sich Ihre Aufgabe verändert, und wie verlief der Start in der neuen Rolle?

Olivier Vareilhes: Wir sind erfolgreich gestartet. Ich kann mich auf ein fantastisches Team verlassen, und wir leben den Geist eines Startups. Das bedeutet auch, dass wir sehr flache Managementstrukturen haben und die Entscheidungswege kurz sind. So können wir auch sehr rasch auf Kundenwünsche eingehen.

«Die polnische Tochtergesellschaft von Swiss Krono hat mit Kyndryl einen Fünfjahres-Vertrag über Technologiedienstleistungen abgeschlossen, um ihre IT-Infrastruktur zu standardisieren und ihre Kernanwendungen auf SAP S/4HANA zu migrieren.» Olivier Vareilhes, Managing Director Kyndryl Switzerland

Aufgrund unseres technologieunabhängigen Ansatzes und der strategischen Partnerschaften, die wir weiter ausbauen werden, eröffnen sich uns neue Chancen im Markt. Das motiviert und schafft Mehrwert für unsere Kundinnen und Kunden. Wir handeln rasch, sind effektiv und innovativ.

In der Startphase konnte Kyndryl gleich Branchenriesen wie Amazon Web Services, Microsoft oder Google als Partner gewinnen. Welche Kunden und Partner wollen Sie in der Schweiz, die vor allem auch durch die zahlreichen KMU geprägt ist, gewinnen?

Ja, seit der Gründung von Kyndryl haben wir neue Freiheiten, um stärker zu wachsen. Erst kürzlich haben wir eine Partnerschaft mit Oracle angekündigt. Dadurch unterstützen wir unseren Kunden, damit sie von der Oracle Cloud-Infrastruktur profitieren können. Für sie bedeutet dies erstklassige Sicherheitsfunktionen, konstant hohe Leistung, verlässliche Preise sowie die Tools und das Fachwissen, um Unternehmen-Workloads schnell und effizient in die Cloud zu bringen. Bis heute haben wir wichtige Partnerschaften mit Microsoft, Amazon Web Services, Google Cloud, VMware, NetApp, SAP, Pure Storage, Lenovo, Cloudera, Red Hat, NetApp, Veritas und Cisco geschlossen.

Das zahlt sich auch in der Schweiz aus. Unser Deal mit Swiss Krono ist ein gutes Beispiel dafür, wie unsere Partnerschaft mit SAP zu einem höheren Wert für unsere Kunden führt: Die polnische Tochtergesellschaft von Swiss Krono hat mit Kyndryl einen Fünfjahres-Vertrag über Technologiedienstleistungen abgeschlossen, um ihre IT-Infrastruktur zu standardisieren und ihre Kernanwendungen auf SAP S/4HANA zu migrieren. Der Kunde wird unsere Managed IT Services nutzen, um eine Infrastruktur zu implementieren, die die benötigte Private-Cloud-Plattform bereitstellt. Als Ergebnis dieser Implementierung kann Swiss Krono alle seine Werke auf der ganzen Welt miteinander verbinden, um Anwendungen und IT-Infrastruktur zu konsolidieren.

Die digitale Transformation ist auch in der Schweiz ein wichtiges Thema. Welche Unterstützung kann Kyndryl bieten, damit diese Transformation zu vernünftigen Kosten gelingt?

Die digitale Transformation ist ein Mega-Thema. Eine unserer Umfragen hat jedoch gezeigt, dass zwar alle von der digitalen Transformation sprechen und die Unternehmen die Digitalisierung für strategisch wichtig halten, jedoch ein Viertel (25 Prozent) der mittelgrossen und grossen Unternehmen ihre Modernisierungsbemühungen noch nicht einmal begonnen hat. Diesen Trend beobachte ich auch in der Schweiz.

Was kann Kyndryl hier bieten? Wir konzentrieren uns auf die Verwaltung und Modernisierung kundeneigener Infrastrukturen und bieten Hosting- und Netzwerkdienste, Servicemanagement und Infrastrukturmodernisierung. Mit uns können Kunden Multi-Cloud-Umgebungen migrieren und verwalten und sich dabei auf die Modernisierung von Legacy-Infrastrukturen und deren Verlagerung in die Cloud konzentrieren, wobei sie gleichzeitig in der Lage sind, mit völlig neuen Workloads zu arbeiten. Dies sind entscheidende Fähigkeiten, die jedem Kunden bei der Transformation zu einer besseren Kostenstruktur verhelfen können.

Kyndryl ist auf Wachstumskurs, musste aber gleich nach dem Start Einbussen beim Cash-Flow, dem Aktienkurs, und beim Wachstumstempo hinnehmen. Wie wollen Sie die Trendwende schaffen? Und welche Ziele verfolgen Sie in der Schweiz?

Seit der Gründung von Kyndryl investieren wir stark in neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das letzte Quartal haben wir mit einem Barüberschuss von mehr als 2 Milliarden Dollar abgeschlossen. Die Geschwindigkeit, mit der wir Allianzen aufbauen und strategische Partnerschaften besiegeln sowie das stetige Wachstum der neu unterzeichneten Verträge zeigen eindeutig, dass unsere Strategie funktioniert und sich die Ergebnisse auch auszahlen werden.

«Eine unserer Umfragen hat jedoch gezeigt, dass zwar alle von der digitalen Transformation sprechen und die Unternehmen die Digitalisierung für strategisch wichtig halten, jedoch ein Viertel (25 Prozent) der mittelgrossen und grossen Unternehmen ihre Modernisierungsbemühungen noch nicht einmal begonnen hat.»

Der Schweizer Markt für Cloud-Services wächst seit 2016 stetig. In diesem Jahr wird ein Umsatz von fast 2 Milliarden Dollar erwartet – ein Plus von rund 15 Prozent im Vergleich zu 2020. [Quelle: Statista]. Viele unserer Kunden in der Schweiz erwägen, Teile ihrer IT-Infrastruktur und Anwendungen in die Cloud zu verlagern. Kyndryl ist in einer hervorragenden Position, um von diesem Wachstum zu profitieren. Wir kennen sowohl die traditionellen IT-Infrastrukturbedürfnisse unserer Kunden als auch die relativ neuen Anforderungen in Bezug auf Cloud-Services, Anwendungen, Daten und KI, Sicherheit und Ausfallsicherheit.

Als Teil von IBM lag der Fokus verständlicherweise auf IBM-Produkten und -Angeboten. Wie sieht es in der neuen Konstellation aus, wie unabhängig und kompetent ist Kyndryl in der Wahl von Produkten ausserhalb des IBM-Angebotes?

Kyndryl ist ein unabhängiges und technologieunabhängiges Unternehmen. Wir können mit jedem Partner zusammenarbeiten, um einen besseren Kundennutzen zu erzielen. Unsere Wachstumsstrategie beruht auf diesem Ansatz. Dank den strategischen Allianzen und Partnerschaften, die wir immer wieder ankündigen, können wir über die Grenzen der bisherigen Technologien hinaus expandieren.

IBM selbst hat mit vielen Grosskunden in der Schweiz ebenfalls eine Geschäftsbeziehung mit überlappenden Angeboten und Dienstleistungen. Sind Sie mit Kyndryl hier eher Partner oder Konkurrenten?

Während Kyndryl die Freiheit hat, mit verschiedenen führenden Technologieanbietern zusammenzuarbeiten und ein breiteres Spektrum an Lösungen anzubieten, macht uns unsere IBM-Erfahrung zu einem natürlichen Partner für IBM-Lösungen. Bei Kyndryl werden wir weiterhin in Cloud, Sicherheit, Blockchain und KI investieren, mit einem Schwerpunkt auf Infrastruktur und IT-Technologie.

Mit der zunehmenden Digitalisierung wächst auch das Risiko von Cyberattacken auf vitale Infrastrukturen und die wichtigsten IT-Dienste von Unternehmen. Wie kann Kyndryl seine Kunden unterstützen, damit sie sich bestmöglich gegen Angriffe schützen können?

Betrug und Cyberkriminalität nehmen zu, die Bedrohungen sind vielfältiger denn je, und die Angriffe werden immer raffinierter. Rund 40 Prozent der Schweizer KMU haben bereits einen Cyberangriff mit finanziellen Verlusten erlebt. In extremen Fällen können die Auswirkungen sogar zum Konkurs führen. Als Reaktion darauf erhöhen Unternehmen ihre Investitionen in die IT-Sicherheit, doch die Zahl der Angriffe nimmt rasant zu und damit auch das Ausmass der Schaden, den sie verursachen.

Das Problem dabei ist, dass die derzeitige IT-Architektur der Unternehmen meist nicht auf die Anforderungen des Geschäftsbetriebs abgestimmt ist. Die Bekämpfung von Cyberangriffen sollte daher mit einer hohen Wachsamkeit beginnen, und zwar lange bevor ein Angriff stattfinden kann. Proaktive Verteidigungsstrategien sollten das gesamte Unternehmen einbeziehen: die IT-Plattform, einschliesslich IT-Infrastruktur, Anwendungen, Cloud-Umgebungen, mobile Geräte, Mitarbeitende und deren ständige Weiterbildung sowie die physischen Vermögenswerte des Unternehmens. Im Rahmen unserer Resiliency & Security-Praxis bieten wir umfassende, integrierte Managed IT Services mit Schwerpunkt auf Sicherheit und Threat Intelligence.

Wachstum im Service-Bereich ist meist auch mit Wachstum bei den Mitarbeitenden verbunden. Welche Pläne haben Sie bezüglich Mitarbeiterwachstum in der Schweiz und wie wollen Sie sich in dem ausgetrockneten Markt der IT-SpezialistInnen gegen etablierte Unternehmen durchsetzen?

Unsere Beschäftigten sind Expertinnen und Experten in ihrem Fach. Unsere Mitarbeitenden sind das Herzstück unseres Unternehmens. Ich möchte nicht darüber spekulieren, wie viele Mitarbeiter wir in der Schweiz einstellen werden, aber wir achten immer darauf, dass wir die richtigen Leute mit den richtigen Fähigkeiten finden.

Wir verstärken unser Team laufend. Da wir im Dienstleistungsgeschäft tätig sind, sind unsere Fachleute bestrebt, ihre technischen Zertifizierungen kontinuierlich zu erweitern. Darüber hinaus hilft uns unser flexibles Betriebsmodell, über die Customer Innovation Centers von Kyndryl in der Region auf die besten Talente der Branche zurückzugreifen.

Welche technologischen Entwicklungen haben in nächster Zukunft aus Ihrer Sicht das grösste Potential, unser Leben nachhaltig zu verändern oder mitzugestalten?

Die Technologie war und wird auch in Zukunft die treibende Kraft sein, die die Welt verändert – und hoffentlich zu einem besseren Ort macht.  Stellen Sie sich vor, einigen Vorhersagen zufolge wird die weltweite Datenmenge bis 2025 auf 175 Zettabyte anwachsen (1 Zettabyte entspricht ungefähr eintausend Exabyte oder einer Milliarde Terabyte). Das sind etwa 23 000 Gigabyte Daten für jeden Menschen auf der Erde – viel mehr Daten als bei der Mondlandung verwendet wurden.

«Bei Kyndryl werden wir weiterhin in Cloud, Sicherheit, Blockchain und KI investieren, mit einem Schwerpunkt auf Infrastruktur und IT-Technologie.»

Heute können Daten, die früher für Systeme unsichtbar waren, erfasst und analysiert werden, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Kyndryl-Technologien und -Dienste können digitalen Geräten beim «Lernen» helfen. Dies ist eine unglaubliche Chance für die Zukunft. Diese Technologie könnte in Autos, Gebäuden, Prozessen und Lieferketten Einzug halten. So bieten sich neue Marktchancen – von elektrischen und selbstfahrenden Autos über fliegende Fahrzeuge und Blockchain-Transaktionen bis hin zum Weltraumtourismus und der Bekämpfung des Klimawandels. Kyndryl ist ganz vorne dabei, solche Visionen Wirklichkeit werden zu lassen.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?

Zwei Wünsche: Ich wünsche mir, dass wir uns diesen Startup-Spirit auch für die Zukunft bewahren können. Ausserdem ist es wichtig, dass wir unserer Philosophie treu bleiben. Damit meine ich unsere Ausrichtung: Wir waren ein Dienstleistungsunternehmen mit dem Ziel, den Technologiebereich zu stärken. Heute ist Kyndryl ein Dienstleistungsunternehmen mit dem Ziel, die effizientesten, sichersten und kostengünstigsten Lösungen für unsere Kunden zu entwickeln. Das ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft.


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