Prof. Dr. James W. Davis, Universität St. Gallen

Prof. Dr. James W. Davis, Universität St. Gallen

Prof. Dr. James W. Davis, Institut für Politikwissenschaft, Universität St. Gallen.

Die Konjunkturentwicklung der USA und Europas sind eng miteinander verbunden. Die grösste Gefahr für Europa bleibe jedoch der Zusammenbruch der Gemeinschaftswährung und das darauffolgende Auseinanderfallen der Europäischen Union, ist James W. Davis, Professor am Institut für Politikwissenschaft der Universität St. Gallen überzeugt. Er spricht am Europa Forum Luzern vom 5./6. November 2012 zur Bedeutung der USA für Europa.

Europa Forum: Die Beziehung zwischen den USA und der Schweiz sind durch den Steuerstreit getrübt. Inwiefern wirkt sich dies auf das Image der Schweiz in den USA aus?

James W. Davis: Man muss hier zwischen der Masse der gewöhnlichen Menschen und den politischen Eliten Amerikas unterscheiden. Wenn der Durchschnitts-Amerikaner an die Schweiz denkt, dann hat er Heidi, den Geissenpeter, den Grossvater und die Alpen vor Augen. Falls die Schweiz auch als Steuerparadies wahrgenommen wird, dann in erster Linie, weil sich die meisten wünschten, sie könnten selbst davon profitieren.

«Die Banken haben einen wichtigen Bestandteil ihrer Geschäftsgrundlage mit den USA verloren.» Prof. Dr. James W. Davis, Institut für Politikwissenschaft, Universität St. Gallen.

Ganz anders sieht dies jedoch unter den politischen Eliten aus. Hier wird die Schweiz als selbstgerecht und heuchlerisch wahrgenommen. Einerseits beansprucht die Schweiz für sich international als Musterstaat für Tugend, Recht und Ordnung zu gelten. Andererseits aber hat die Schweiz bereits allzu oft die Gelder von Steuerflüchtigen, des organisierten Verbrechens und von Diktatoren jeglicher Couleur freudig entgegengenommen.

Erkennen Sie im Umgang mit dem Steuerstreit negative Einflüsse für die Schweizer Wirtschaft generell?

Meiner Meinung nach hat der Steuerstreit vor allem Auswirkungen auf den Bankensektor. Die Banken haben einen wichtigen Bestandteil ihrer Geschäftsgrundlage mit den USA verloren. Es drohen nun massive Sanktionen durch die amerikanische Regierung und in den Augen vieler privater Investoren in den Vereinigten Staaten haben die Schweizer Banken stark an Anziehungskraft eingebüsst. Aber ich denke, dass dies ein vorübergehendes Phänomen ist. Die Zeiten, in denen man mit Steuerhinterziehung grosse Gewinne erwirtschaftet hat, sind längst vorbei – und das liegt nicht an der amerikanischen Politik allein. Ausserdem gibt es keinen Grund, warum Schweizer Banken nicht in der Lage sein sollten, im Wettbewerb um das US-Geschäft weiterhin effektiv und konkurrenzfähig zu agieren.

Welche wirtschaftliche Bedeutung hat die USA in naher Zukunft für Europa und für die Schweiz?

Die USA und Europa befinden sich in einer symbiotischen Beziehung – die langfristige Konjunkturentwicklung beider Wirtschaftsräume (und ökonomisch betrachtet ist die Schweiz ein Teil Europas) ist eng miteinander verzahnt. Es kann keinen amerikanischen Wirtschaftsaufschwung geben, wenn Europa in eine Rezession schlittert. Und die Europäer können ihre Probleme nicht lösen, wenn die amerikanische Wirtschaft nicht wieder anfängt zu wachsen. Mittel- bis langfristig schadet es Europa, wenn es den Amerikanern nicht gelingt ihren Finanzhaushalt in Ordnung zu bringen.

Welche Gefahren und welche Chancen warten auf uns Europäer?

Die grösste Gefahr für Europa bleibt der Zusammenbruch der Gemeinschaftswährung und das darauffolgende Auseinanderfallen der Europäischen Union. Aber gerade weil die Folgen derart drastisch wären, haben die Politiker einen starken Anreiz, wirklich alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, um eben diesen Ausgang zu verhindern.

«Es kann keinen amerikanischen Wirtschaftsaufschwung geben, wenn Europa in eine Rezession schlittert.»

Ein schwaches Europa würde für die USA immer unbedeutender werden, und zwar sowohl ökonomisch als auch politisch. Auf sich selbst gestellt würde ein nach innen gerichtetes Europa dann jeglichen Einfluss auf der weltpolitischen Bühne verlieren.

Bei politischen Krisen, wie zum Beispiel beim arabischen Frühling oder in Afghanistan arbeiten die USA und Europa zusammen und entsenden Truppen. Wie wichtig ist die Zusammenarbeit sicherheitspolitisch für beide Parteien?

Sehr wichtig! In Zeiten knapper Budgets kann es sich weder Amerika noch Europa leisten, allein Weltpolizei zu spielen. Allerdings steht der europäische Beitrag zur Aufrechterhaltung der globalen Sicherheit zunehmend in Frage. Nur eine Handvoll europäischer NATO-Staaten wendet die vereinbarten 2% des Bruttosozialprodukts für Verteidigungsausgaben auf und während der Militäroperation in Libyen stellten die USA 75% aller wichtigen Aufklärungsleistungen, Geheimdienstinformationen und der Möglichkeiten zur Luftbetankung. Noch während des Libyen-Einsatzes musste die italienische Marine ihren Flugzeugträger zurückrufen, weil sie nicht in der Lage war, die nötige Wiederbetankung zu finanzieren. Ausserdem ging den Europäern die Munition aus. Nicht gerade eine glänzende Vorstellung.

Welche Bedeutung haben die kommenden Wahlen in den USA für Europa und für die übrige Welt?

Die Wahlen in Amerika haben per Definition eine grosse Bedeutung für die restliche Welt. Dieses Jahr steht den Amerikanern eine klare Entscheidung bevor: Wollen sie den von Präsident Obama eingeschlagenen Pfad weiterverfolgen, oder sollte Amerika zur Politik der Bush Administration zurückkehren? Für mich ist die Antwort klar.

Prof. Dr. James W. Davis
absolvierte sein Studium der Internationalen Beziehungen und Politikwissenschaft an der Michigan State University und an der Columbia University in den USA, wo er auch promovierte. Es folgte ein Postdoctoral Fellowship an der Harvard University. Im Juni 2002 erlangte Davis seine Habilitation an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Seit April 2005 ist Davis ordentlicher Professor für Politikwissenschaft mit besonderer Berücksichtigung der Internationalen Beziehungen an der Universität St. Gallen.

23. internat. Europa Forum Luzern vom 5./6. November 2012
Globale Machtverschiebungen in Wirtschaft und Politik. Wirtschaftliche und politische Machtkämpfe, Wetteifern um Ressourcen und Wissen sowie um militärische Vormachtstellung kennzeichnen das aktuelle globale Machtpoker. Es scheint, als würden die asiatischen Länder und andere aufstrebende Nationen Europa und die USA in diesem Wettbewerb überholen. Wie kann sich Europa seinen Einfluss weiterhin sichern und welche Perspektiven hat die Schweiz? Diesem Thema widmen sich hochrangige Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik am nächsten Europa Forum Luzern vom 5./6. November 2012. Weitere Infos und Anmeldung: www.europa-forum-luzern.ch

Symposium Dienstag, 6. November 2012 (9 bis 17.15 Uhr) im KKL Luzern, Eintritt CHF 380.00, Öffentliche Veranstaltung Montag, 5. November 2012 von 18.00 Uhr bis 20.00 Uhr im KKL Luzern (Eintritt frei – Anmeldung obligatorisch)

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