Stephan Roemer, Inhaber tourasia

Stephan Roemer, Inhaber tourasia

Stephan Roemer, Inhaber tourasia (Foto: tourasia)

Von Helmuth Fuchs

Herr Roemer, in Thailand hat das Militär unter Führung des Generals Prayuth Chan-ocha die Macht übernommen mit der Begründung, einer Eskalation zwischen dem gelben (Königstreuen) und dem roten Lager (Gruppierung um den ehemaligen Premierminister Thaksin Shinawatra und dessen vor kurzem abgesetzten Schwester Yingluck) vorbeugen, den Frieden sichern und die Ordnung wieder herstellen zu wollen. Wie glaubwürdig ist diese Absicht und bis wann erwarten Sie die Rückkehr zur Tagesordnung?

Stephan Roemer: Prinzipiell wurde die Aufhebung der über sechs Monate anhaltenden politischen Pattsituation von Grossteilen der Bevölkerung begrüsst. Hierzu war die Armee die einzig berechtigte Macht. Die Bevölkerung erwartet nun eine raschest mögliche Aufhebung der Demonstrationen und Blockaden, welche die Regierungsbüros während Monaten praktisch ausser Betrieb gesetzt hatten. Unter dem wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Aspekt wird diese Massnahme begrüsst. Es ist bekannt, dass General Prayuth dem Königshaus und somit der gelben politischen Fraktion nahe steht. Er muss sich nun beweisen, dass sein Vorstoss neutral und im Sinne des Wohles der Bevölkerung erfolgt.

«Die jüngere und zunehmend besser gebildete Generation missbilligt die politischen Macht, welche seit Jahrzehnten von den gleichen Exponenten gehalten wird.» Stephan Roemer, Inhaber tourasia

Ich persönlich, aus den Erfahrungen von früheren Putschaktionen in Thailand, erwarte eine recht schnelle Normalisierung der Tagesordnung und würde es als realistisch erachten, wenn innert drei Monaten die Wahlen der politischen Vertreter erfolgt.

Einer der Gründe für die Unruhen im Land ist die ungleiche Verteilung des in den letzten Jahren stark gestiegenen Reichtums und ein Nord-Süd Gefälle. Welche Entwicklung sehen Sie hier für die Zukunft und wird sich das Militär auch diesmal politisch neutral verhalten, wie bis anhin bei fast allen der bald zwanzig Umstürzen seit der Einführung der konstitutionellen Monarchie im 1932?

Ich sehe diesen Grund als sekundär. Klar hat sich über die Jahre in Thailand eine Diskrepanz zwischen arm und reich ergeben und die Schere öffnet sich hier. Dazu gab es politische Vorstösse um der oft ärmlichen Landbevölkerung, welche hauptsächlich im Agrarsektor tätig ist, Unterstützung zu geben. Die politischen Vorstösse endeten bis jetzt immer am Veto der Opposition oder in der Korruption. Meines Erachtens – hier handelt es sich um meine persönliche Ansicht – sehe ich ein Generationenproblem, welches die Auswirkungen in der Politik zeigt. Die jüngere und zunehmend besser gebildete Generation missbilligt die politischen Macht, welche seit Jahrzehnten von den gleichen Exponenten gehalten wird. Wenn eine Partei an der Macht und somit am Futtertrog steht, dann billigt dies die Opposition so lange bis ihr Drang zur Macht und damit auch zum Geld überhand nimmt, sprich bis der Finanztropf sich neigt.

Die wirtschaftlichen Folgen der Unruhen sind unter anderen eine massiv abgewertete Währung (Baht) und ein Stillstand in Teilbereichen der Verwaltung. Wie schnell kann sich Thailand wirtschaftlich wieder erholen und wie weit wurde der Tourismus von den Unruhen betroffen?

Thailand ist ein «Stehaufmännchen», wie kaum ein anderes Land. Das hat das Land bei den zahlreichen politischen Krisen aber auch bei Umweltkatastrophen (ein Beispiel ist der Tsunami 2004) mehrfach unter Beweis gestellt. Die asiatische Wirtschaft boomt und hier ist kein Ende abzusehen. Thailand ist einer der wichtigsten Exporteure in die asiatischen Wirtschaftsraum. Der Tourismus spielt in Thailand eine untergeordnete Rolle nach der Agrarwirtschaft, der Industrie, der Autoproduktion und des Dienstleistungssektors. Die unterschiedlichen Angaben gehen alle davon aus, dass der Tourismus weniger als 15 Prozent am Bruttosozialprodukt beiträgt.

«Die Auseinandersetzungen in Thailand sind ausschliesslich innenpolitischer Art und haben weder religiösen noch rassistischen Charakter.»

Während in Ägypten der Sturz Mubaraks und die Machtergreifung Mursis zu drastischen Reisewarnungen und Streichung von Flügen (und in der Folge zum Einbruch des Tourismus) führte, mahnt die Schweizer Regierung trotz Toter in Thailand nur zu Vorsicht, sieht aber offenbar noch keinen Grund, das Land völlig zu meiden. Weshalb diese völlig unterschiedliche Einschätzung von nicht unähnlichen Situationen?

Die Auseinandersetzungen in Thailand sind ausschliesslich innenpolitischer Art und haben weder religiösen noch rassistischen Charakter. Es ist bedauerlich, dass in der Zeit der Demonstrationen und Blockaden seit November es zu wenigen Todesfällen (man spricht von rund 30 Todesfällen) gekommen ist. Die Demonstrationen und Blockaden haben sich punktuell auf Bangkok konzentriert (weniger als 2 Prozent des Stadtgebietes) und die Polizei und Armeekräfte haben seit Anfang klar kommuniziert, dass sie umgehend einschreiten, wenn die Demonstrationen gewalttätig ausarten.

Sie sind mit Tourasia in der Schweiz der grösste Veranstalter für Spezialreisen in Asien. Wie haben sich die Unruhen auf Ihr Geschäft ausgewirkt und welche Destinationen empfehlen Sie als Alternativen zu Thailand?

Mit einem 35-prozentigen Anteil an unserem Gesamtumsatz repräsentiert Thailand den grössten Anteil einer Destination. Wir verzeichneten bis zur Abreise per Ende April (Saison 2013/14) einen hohen einstelligen Zuwachs für Thailand. Wir erkennen zum jetzigen Zeitpunkt jedoch Einbrüche im Sommer- und Herbstgeschäft, was mich noch nicht nervös macht, weil ich überzeugt bin, dass sich die Situation innert kurzer Zeit beruhigt, touristisch gesehen jetzt schon eigentlich besser ist, nachdem keine störenden Demonstrationen und Blockaden mehr stattfinden. Mit dem tiefen Kurs des Thai-Bahts sind die Preise für die kommende Saison zwischen 10–15 Prozent günstiger, was ein fast unschlagbares Preis-/Leistungsverhältnis darstellt. Dazu kommt, dass bei einer frühen Buchung die Aktionspreise bei den Flügen auf einem Tiefststand sind.

Eine besondere Rolle in Thailand kommt dem 87-jährigen König Bhumibol Adulyadej dem Grossen (Rama IX.) zu, der einen Teil seiner Kindheit in der Schweiz verbrachte, in Lausanne studierte und das Land seit 1946 regiert. Er hat den General Prayuth am 26. Mai offiziell zum Regierungschef gemacht. Trägt diese Entscheidung eher zu einer De-eskalation bei oder wird dadurch die Frustration der Rothemden und damit der Konflikt noch verstärkt?

Ich sehe da keine explizite Auswirkung, sondern ein Standard-Prozedere. Der König muss die  Regierung vereidigen. Mit der Vereidigung von General Prayuth kann dieser die Regierungsgeschäfte wieder in Gang setzen und hoffentlich bald freie Wahlen ansagen.

«Ich sehe es an der Zeit, dass sich die jüngere Generation für ein demokratisches System nach bewährten Modellen einsetzt.»

Der weltweit dienstälteste Monarch ohne klare Nachfolgeplanung, ein zerstrittenes Land mit einer Militärregierung, Unruhen in immer kürzeren Abständen und mit zunehmender Gewalt, was stimmt Sie dennoch zuversichtlich für die Zukunft Thailands?

Tatsächlich kann die politische Organisation Thailands an dieser Stelle hinterfragt werden und wie einleitend gesagt, sehe ich es an der Zeit, dass sich die jüngere Generation für ein demokratisches System nach bewährten Modellen einsetzt. Inwiefern hier die Monarchie Einfluss ausüben kann und soll, muss die thailändische Bevölkerung entscheiden.

Sie haben seit Jahren einen Zweitwohnsitz in Bangkok. Wie viel Zeit verbringen Sie dort und welches ist die schönste Jahreszeit in der Metropole?

Bangkok ist für mich und meine Familie ideale Drehscheibe für ganz Asien. Meine Frau unterhält an unserem Wohnsitz einen Workshop, wo sechs Arbeiterinnen Damenmode fertigen und ich habe ein volleingerichtetes Büro. Absolut ideal für unseren privaten Ablauf. Wir kommen und gehen und können uns so auch in den eigenen Wänden erholen. Total sind wir etwa sechs bis zehn Wochen im Jahr dort. Wir geniessen es das ganze Jahr über, natürlich am Liebsten ohne Regen.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?

Im Herzen sind meine Frau und ich Schweizer, wir lieben es jedoch, die beiden Kulturen zu verbinden. Wenn ich einen Wunsch anbringen könnte, wäre es, dass wir Schweizer uns noch vielmehr am boomenden Kontinent Asien orientieren und wirtschaftlich enger zusammen gehen. Unsere Regierung hat hier sehr gute Schritte in die Wege geleitet (Freihandelsabkommen mit verschiedenen Ländern), nun gilt es, dass wir als Bevölkerung nachziehen um vom Aufschwung Asiens auch in der Schweiz zu profitieren. Die Schweizer sind hier noch sehr zurückhaltend und zeigen wenig Mut.

Der Gesprächspartner & das Unternehmen
Stephan Roemer ist Gründer und Inhaber des grössten Schweizer Asien-Reisen-Anbieters Tourasia. Als 20-Jähriger Tourismusfachmann durfte der gebürtige Rapperswiler sein Berufspraktikum auf den Philippinen absolvieren. Als er zurückkehrte, wollte sein damaliger Chef, dass er für ihn gleich den ersten auf Asien spezialisierten Reiseveranstalter aufbaute. Heute ist Roemers Firma Tourasia –  er wechselte 1992 in die Selbstständigkeit – das mehrfach ausgezeichnete und grösste Kompetenzzentrum für Asien-Reisen in der Schweiz und sogar in Europa. In seiner Hauptzentrale in Wallisellen ZH beschäftigt er 30 Mitarbeiter – in ganz Asien sind es deren 120 Festangestellte. Die Firma macht mehr als 55 Millionen Umsatz im Jahr. Das grösste Wachstum erlebte Tourasia in den letzten sechs Jahren, seit der Verbreitung des Internets. Im ersten Jahr betreute Tourasia 700 Gäste, heute sind es rund 20 000 pro Jahr. www.tourasia.ch

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