Tobias Wolf, Mitbegründer und VRP OnlineDoctor AG, im Interview

Tobias Wolf, Mitbegründer und VRP OnlineDoctor AG, im Interview
Tobias Wolf, Mitbegründer und VRP OnlineDoctor AG. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Wolf, Sie sind Mitbegründer der im vergangenen Jahr lancierten und bereits mehrfach ausgezeichneten Telemedizin-Plattform OnlineDoctor.ch, auf der Patienten von Dermatologen eine fachärztliche Einschätzung ihrer allfälligen Hauterkrankung erhalten. Können Sie uns den Ablauf kurz erläutern?

Tobias Wolf: Sehr gerne. Der Ablauf ist sehr einfach und es bedarf keiner zeitaufwändigen Registrierung. Am besten nutzt man das Smartphone oder Tablet und geht damit auf www.onlinedoctor.ch. Dort können Sie einen von über 50 Hautärztinnen und Hautärzten aus allen Regionen der Schweiz auswählen, welche/r Ihr Hautproblem beurteilen soll. Danach beschreiben Sie Ihre Symptome mit Hilfe der Fragen von OnlineDoctor und laden drei Bilder Ihres Hautproblems hoch. Sie wählen anschliessend Ihre gewünschte Zahlungsart aus und bezahlen CHF 55.-. Nach spätestens 48 Stunden, meistens jedoch innert weniger Stunden, erhalten Sie eine E-Mail mit einem Link, der die Handlungsempfehlung von Ihrem Wunsch-Arzt enthält.

Wie konkret können Anhand von Bildern und einem Fragebogen Hauterkrankungen diagnostiziert werden?

Weil es für die Beurteilung dermatologischer Krankheitsbilder keine Hilfsmittel braucht, ist die Dermatologie prädestiniert für Online-Konsilien. Denn mit einem Smartphone lassen sich heute so gute Bilder machen, dass diese in über 90 Prozent der Fälle für Diagnose und Therapie-Empfehlung reichen – ohne den Patienten gesehen zu haben. So zum Beispiel ein junger Mann mit rotem, juckendem Ausschlag an den Händen. Dieser möchte rasch eine Handlungsempfehlung, ohne Monate auf einen Termin in der Arztpraxis warten zu müssen. Er fotografiert deshalb den Ausschlag und lädt die Bilder auf onlinedoctor.ch hoch. Nachdem er einige Anamnese-Fragen beantwortet und direkt online bezahlt, bekommt er praktisch ohne Wartezeit eine Empfehlung zur Behandlung seines Exsikkationsekzems.

«Mit einem Smartphone lassen sich heute so gute Bilder machen, dass diese in über 90 Prozent der Fälle für Diagnose und Therapie-Empfehlung reichen – ohne den Patienten gesehen zu haben.»
Tobias Wolf, Mitbegründer und VRP OnlineDoctor AG

Wie hoch ist der Anteil der Fälle, denen nach der Einschätzung des Krankheitsbildes zu einem Arztbesuch geraten wird?

Unsere Statistiken zeigen, dass bei über 85 Prozent der Fälle ein persönlicher Arztbesuch erspart bleibt. Oft sind die Fälle unproblematisch und unsere Ärzte können schnell Entwarnung gegeben. So zum Beispiel auch ein Fall besorgter Eltern, die wegen einer beunruhigenden Hautveränderung ihrer Tochter in der Praxis einer unserer Hautärzte anriefen. Der Dermatologe bat diese, die betroffene Stelle zu fotografieren und bei OnlineDoctor hochzuladen. Wenige Minuten später gab er Entwarnung. Eine Entlastung für beide Seiten: Die Eltern konnten aufatmen. Und der OnlineDoctor-Arzt erledigte den Fall viel schneller, als das mit einem Termin in der Praxis möglich gewesen wäre. Indem er alltägliche Diagnosen unkompliziert online erledigen kann, bleibt dem Dermatologen mehr Zeit für komplexe Fälle.

Welche Möglichkeiten haben die Patienten bei allfälligen Rückfragen?

Aufgrund des ausführlichen Fragebogens, welchen die Patienten ausfüllen, stehen dem Dermatologen alle nötigen Informationen zur Verfügung um eine konkrete Handlungsempfehlung abzugeben. Sollte der Arzt noch weitere Fragen haben, dann wird der Arzt den Patienten persönlich kontaktieren oder zu einem Arztbesuch raten. Die Handlungsempfehlungen sind in der Regel so verfasst, dass keine Rückfragen von Seiten der Patienten entstehen.

Welche Erfahrungen konnten Sie bisher machen? Herrscht seitens der Patienten vielfach auch noch Skepsis vor?

Wir erhalten sehr positive Rückmeldungen seitens der Patienten. Unsere Nutzergruppen reichen von jung bis alt – was uns sehr freut. Nicht digital bewanderte Patienten stellen ihre Anfragen oft auch mit Hilfe von Familienangehörigen. Ebenfalls von OnlineDoctor profitieren Hausärzte, Spitäler, Apotheken, Alters- und Pflegezentren sowie die Spitex: Auch sie bekommen bequem Zugang zu einer qualitativ hochstehenden Einschätzung von Hauterkrankungen ihrer Patienten.

Telemedizin ist in der Schweiz nach wie vor noch jung und unbekannt. Umso wichtiger ist es, dass wir es schaffen, OnlineDoctor bekannt zu machen. Es benötigt nach wie vor noch eine Sensibilisierung der Bevölkerung für Telemedizin. Nur wer unsere Plattform und deren Nutzen kennt und vertraut, wird diese auch nutzen. Unsere starken Wachstumsraten zeigen uns jedoch, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

«Es benötigt nach wie vor noch eine Sensibilisierung der Bevölkerung für Telemedizin.»

Wie viele Einschätzungen wurden bisher erstellt und wie umfassend ist der Pool der Dermatologinnen und Dermatologen?

Seit der Lancierung unserer Plattform haben unsere Ärzte schon knapp 2000 Fälle über onlinedoctor.ch beurteilt. Dies ist in so kurzer Zeit eine erfreuliche Anzahl, mit welcher wir anfänglich nicht gerechnet hätten. Die Anfragen werden täglich mehr. Mittlerweile zählt unsere Plattform über 50 aktive Hautärzte. Die beteiligten Dermatologinnen und Dermatologen praktizieren alle selbstständig in der eigenen Praxis. Dank der Mitarbeit bei OnlineDoctor gewinnen sie neue Patientinnen und Patienten. Zudem bieten sie ihren bestehenden Patienten eine schnelle, kostengünstige Alternative zur klassischen Konsultation in der Arztpraxis. Damit verkürzen sie die Wartezeiten für jene, deren komplexe dermatologische Erkrankungen eine Begutachtung vor Ort benötigen. Das Interesse von Dermatologinnen und Dermatologen, sich an OnlineDoctor zu beteiligen, ist dementsprechend gross. OnlineDoctor bietet ihnen eine konkrete Möglichkeit, aktiv mit der Digitalisierung umzugehen.

Eine fachärztliche Einschätzung mit Handlungsempfehlung kostet 55.- Franken. Wie errechnet sich dieser Betrag?

Der Betrag von CHF 55.- basiert auf dem Ergebnis einer quantitativen Umfrage von Schweizer Dermatologen und potenziellen Patienten. Wir haben im Rahmen einer studentischen Masterarbeit eine Umfrage der Zahlungsbereitschaft bei potenziellen Patienten gemacht und diese mit den Erfahrungen von Dermatologen abgeglichen. Zudem haben wir versucht, unsere Dienstleistung an der Tarmedposition (ärztliche Leistung in Abwesenheit des Patienten) zu orientieren – die Taxpunkte variieren jedoch von Kanton zu Kanton. Würde ein Patient persönlich in die Arztpraxis gehen, so würde ihn dies deutlich mehr kosten. Geschweige denn dem Zeitaufwand und der Wartezeit vor Ort.

Wie sieht es mit dem Datenschutz aus?

Datensicherheit und Datenschutz ist gerade im medizinischen Bereich zentral. OnlineDoctor ist deshalb komplett in der Schweiz entwickelt und betrieben – so lässt sich ein sicherer Umgang mit sämtlichen Daten gewährleisten. Wir arbeiten mit modernsten Verschlüsselungstechnologien wie beispielsweise einer Zwei-Faktor-Authentifizierung, ähnlich wie man dies auch beim Onlinebanking kennt. Zudem wurden die regulatorischen- und rechtlichen Bestimmungen mit einer führenden Schweizer Anwaltskanzlei geprüft um dem Patienten so auch aus juristischer Sicht ein sicheres Gefühl zu geben.

«Auch Länder wie China oder Russland sind für unser Konzept interessant, da in diesen Ländern teils grosse Distanzen zwischen Patienten und Ärzten liegen.» 

Das Konzept lässt sich sicherlich auch in anderen Ländern anwenden. Planen Sie eine Internationalisierung?

Das ist richtig. In anderen Ländern herrscht ein ähnliches Bedürfnis wie in der Schweiz. Auch Deutschland oder Österreich verzeichnen zu wenige Hautärzte und die Wartezeiten in den Arztpraxen reichen teilweise sogar bis zu vier bis sechs Monaten. Schon heute bekommen wir vielen Anfragen aus dem nahen Ausland, sowohl von Patienten als auch von Ärzten. Auch Länder wie China oder Russland sind für unser Konzept interessant, da in diesen Ländern teils grosse Distanzen zwischen Patienten und Ärzten liegen. Der Fokus lieg aber aktuell auf der Schweiz, im 2019 werden wir den Schritt ins Ausland wagen.

In welchen medizinischen Fachgebieten liesse sich das OnlineDoctor-Konzept am ehesten auch noch umsetzen?

Die Ausweitung der asynchronen Telemedizin ist in unterschiedlichste Fachrichtungen denkbar. Aktuell führen wir Gespräche mit Ärzten aus den Bereichen Psychiatrie, Augenmedizin und auch dem Dentalbereich. Als Startup ist es jedoch wichtig, sich nicht zu verzetteln. Daher bleibt unser Fokus aktuell auf der Teledermatologie.

Welche Chancen sehen Sie generell in der Digitalisierung des Gesundheitssektors, welche Trends stellen Sie fest?

Die Digitalisierung im Gesundheitssektor ist ein wichtiges und schon seit längerer Zeit stark diskutiertes Thema. Die Bedürfnisse von Patienten und auch von Ärzten haben sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Dies führt einerseits zu grossen Herausforderungen im Gesundheitssektor, welche aber gleichzeitig als Chance für eine digitale Medizin verstanden werden sollten. Ich persönlich bin überzeugt, dass die Digitalisierung enorme Chancen bietet, den Gesundheitssektor effektiver und effizienter zu gestalten um damit allen Beteiligten einen Nutzen zu stiften. Seien dies Patienten, welche immer im Mittelpunkt stehen sollten, den Leistungserbringern oder auch den Leistungsfinanzierern.
Neue Möglichkeiten, wie beispielsweise die Telemedizin, eHealth, Sensoren in Mobiltelefonen, Big Data und auch Künstliche Intelligenz schaffen Möglichkeiten, eine neue Art von Medizin anzubieten, welche personalisiert, partizipativ und präventiv ist.

Herr Wolf, besten Dank für das Interview

Zur Person:
Tobias Wolf ist Mitbegründer und Verwaltungsratspräsident der OnlineDoctor AG. Zudem ist er Seminar- und Projektleiter am Schweizerischen Institut für Klein- und Mittelunternehmen der Universität St.Gallen (KMU-HSG). Dort hat er sich auf die betriebswirtschaftliche Weiterbildung für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte spezialisiert. Er ist Verwaltungsratsmitglied verschiedener Firmen und begleitet diese in strategischen Fragestellungen. Sein Dissertations-Forschungsgebiet liegt im Bereich «Organisationale Gerechtigkeit und Governance im Gesundheitswesen».

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