Urs Blickenstorfer (PwC Schweiz) + Daniel Demisch (Flughafen München)

Urs Blickenstorfer (PwC Schweiz) + Daniel Demisch (Flughafen München)

Daniel Demisch (l.), Senior Consultant Flughafen München GmbH und Urs Blickenstorfer, Senior Manager PwC Schweiz. (Foto: zvg/mc)

von Patrick Gunti

Moneycab: Herr Blickenstorfer, Herr Demisch, Sie haben mit «Potenziale des Glücks» eine empirische Forschungsarbeit über die Wechselwirkungen zwischen Glück, Strategie und Unternehmenserfolg geschrieben. Und wie ist das Glück im Rahmen ihrer Studie zu definieren?

Daniel Demisch: Es gibt keine eindeutige Definition von Glück. Die kann es auch gar nicht geben, dazu ist das Phänomen „Glück“  zu komplex und hängt immer auch von der individuellen Perspektive ab. Doch es gilt, klar zu differenzieren  zwischen Glück im Sinne von „Zufallsglück“ und Glück im Sinne einer „Lebensglück“. Im Rahmen unserer Untersuchung haben wir uns auf Zufallsglück fokussiert. Wir sind dabei davon ausgegangen, dass Glück die Anwesenheit von positiven, glückhaften Ereignissen bedeutet.

Gibt es einen generellen Aspekt, was man tun kann, um das Glück für sich und sein Unternehmen nutzbar zu machen?

Urs Blickenstorfer: Glauben Sie an Ihr Glück! Häufig braucht man Beharrlichkeit, um das nötige Glück für den Erfolg zu finden. Dies bedingt aber, dass man als Entscheidungsträger die Bedeutung von Glück anerkennt und sich und das Unternehmen entsprechend vorbereitet. Oder anders gesagt: Überlassen Sie Ihr Glück nicht dem Zufall!

Nun wird Glück aber gerade oftmals mit dem eher negativ behafteten Zufall gleichgesetzt. Ist Glück mehr als Zufall oder allenfalls ein glückhafter Zufall?

DD: Zufall ist zufällig. Zufall kann nicht beeinflusst oder kontrolliert werden. Glück ist dagegen deutlich mehr als nur Zufall. Die entscheidende Frage für den Unternehmer ist: Was kann ich tun, um ein Zufallsereignis in ein für mich und mein Unternehmen glückhaftes Ereignis umzumünzen? Das setzt natürlich auch die Fähigkeit voraus, einen Zufall als Chance zu erkennen und im besten Falle auch darauf vorbereitet zu sein.

«Die entscheidende Frage für den Unternehmer ist: Was kann ich tun, um ein Zufallsereignis in ein für mich und mein Unternehmen glückhaftes Ereignis umzumünzen?»
Daniel Demisch, Senior Consultant Flughafen München GmbH

Unternehmen entwerfen Strategien und versuchen den Erfolg soweit wie möglich zu planen. Wie sieht es denn aus mit der Wahrnehmung oder Anerkennung des Glücks in den Unternehmen?

UB: Die ist nicht besonders ausgeprägt, zumindest nicht was die öffentliche Kommunikation betrifft. Den Entscheidungsträger, der zugibt, einfach mal nur Glück gehabt zu haben, sucht man vergebens. Das Wort „Glück“ scheint bei sämtlichen Kommunikationsabteilungen auf dem Index zu sein. Eigentlich zu Unrecht, denn in unserer Studie gaben die Befragten an, dass doch rund 20% ihres gesamten Erfolgs auf Glück beruht. Diesen Wert konnten wir übrigens auch über indirekte Methoden verifizieren. Wir sind der Überzeugung, dass es für die Unternehmen wichtig ist, sich dieses 20%-Anteils bewusst zu sein und ihn nicht komplett auszublenden. Denn dabei vergibt man sich nachweislich Marktchancen.

Wie ist die steigende Anerkennung von Glück auf Ebene des Topmanagements zu erklären?

DD: Wir gehen davon aus, dass Entscheidungsträger mit steigendem Management-Level über mehr Weitsicht verfügen und auch die Grenzen der Planbarkeit als Ganzes besser anerkennen. Somit haben sie möglicherweise auch einen gewissen Grad an Demut in Bezug auf ihren persönlichen Einfluss erlernt. Ganz ehrlich: Welcher CEO kann schon behaupten, dass 100% seines Unternehmenserfolgs das ausschliessliche Ergebnis von vorausschauender strategischer Planung und konsequenter Strategieumsetzung ist? Ob er auch öffentlich die Rolle von Glück anerkennen würde, ist dann eine andere Frage.

Wenn also der Glaube an das Glück als beeinflussende Kraft vorhanden ist, geschehen zwar nicht mehr Glücksfälle, aber man nimmt diese eher als diese wahr?

UB: Das kann man so sagen. Eine wichtige Voraussetzung zur Erfahrung von Glück ist, dass man den zufälligen Ereignissen den richtigen Wert für das Unternehmen zumisst. Erst durch diese Bewertung werden aus zufälligen Ereignissen Glück. So kann dann ein und dasselbe Ereignis ganz unterschiedlich bewertet werden: Wenn bei einem Bauern plötzlich Öl aus dem Boden dringt, kann er sich darüber ärgern, dass sein Land verdreckt und er mit Unkosten konfrontiert wird, oder aber er entscheidet sich, das Öl zu fördern und zu Geld zu machen. Entscheidend ist also, dass man zufällig eintretenden Ereignissen offen gegenübersteht und agil reagieren kann. Oder wie es ein altes chinesisches Sprichwort auf den Punkt bringt: „Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern, die anderen Windmühlen“.

«Eine wichtige Voraussetzung zur Erfahrung von Glück ist, dass man den zufälligen Ereignissen den richtigen Wert für das Unternehmen zumisst.»
Urs Blickenstorfer, Senior Manager PwC Schweiz

Gibt es das «Glück des Tüchtigen» oder kann man «Glück erzwingen»?

DD: Die Frage nach dem Glück des Tüchtigen hat ein Unternehmer aus unserer Studie sehr treffend beantwortet: „Es ist nicht das Glück des Tüchtigen, sondern grundsätzlich die Chancen für alle – aber oft einfach eine Frage der Fähigkeiten, Chancen als solche zu erkennen und sie entsprechend zum glücklichen Ereignis zu nutzen.“

Sie schreiben in Ihrer Studie, dass es sich lohnt, sich auf das Glück vorzubereiten. Ist dies Voraussetzung, um Chancen oder eben glückliche Zufälle erkennen zu können?

DD: Nein. Glück kann jeder haben. Aber eine gute Vorbereitung hilft, glückhafte Ereignisse besser bewerten und ausnutzen zu können.

Wer vorbereitet ist, sucht vielleicht auch eher aktiv glückliche Ereignisse. Bringen diese mehr Erfolg, als wenn sie unvorbereitet eintreffen?

UB: Auf jeden Fall. Wir konnten in unserer Studie nachweisen, dass die Vorbereitung auf Glück einerseits zu mehr Glücksfällen führt und andererseits auch zu insgesamt mehr Erfolg. Wer vorbereitet ist, wird häufiger „zur richtigen Zeit am richtigen Ort“ sein. Und er wird den Wert eines glückhaften Ereignisses präziser und vor allem auch schneller einschätzen und ausnutzen können als seine Konkurrenten. So kann er sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Konkurrenten verschaffen, der unvorbereitet mit dem glückhaften Ereignis konfrontiert wird.

Sie konnten in Ihrer Arbeit empirisch bestätigen, dass ein glückhaftes Ereignis direkt Wettbewerbsvorteile erzeugen kann. Unter welchen Voraussetzungen?

UB: Wir konnten in der Tat nachweisen, dass wenn glückhafte Ereignisse gewisse Voraussetzungen erfüllen, diese Wettbewerbsvorteile erzeugen können. Dies gilt insbesondere für diejenigen Unternehmen, die eine Differenzierungsstrategie gewählt haben. Bei auf Kostenführerschaft ausgerichteten Unternehmen ist die Möglichkeit, über Glück nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu erzeugen, etwas geringer. Unabhängig der gewählten Strategie gilt aber grundsätzlich erstens, dass Vorteile gegenüber den Wettbewerbern in der gleichen Branche nur dann erlangt werden können, wenn diese glückhaften Ereignisse nicht allen anderen Unternehmen der Branche gleichermassen zugutekommen. Zweitens sollte das Unternehmen diesen exklusiven Vorteil über eine längere Zeit aufrechterhalten können. Und drittens sollte der Vorteil, der sich einem Unternehmen durch das glückhafte Ereignis bietet, nicht käuflich sein. Kurz: Es darf kein freier Wettbewerb um dieses Ereignis entstehen können – weder vor noch insbesondere nach dem Eintreten des glückhaften Ereignisses.

«Finde ein glückhaftes Ereignis und reduziere in der Folge durch Ausübung von Kontrolle möglichst konsequent dessen Glücksanteil.»

Sie schreiben aber auch, dass je geringer der Anteil des Glücks an einem Ereignis ist, desto eher führt es zu einem Wettbewerbsvorteil.

UB: Dies mag auf den ersten Blick überraschen, haben wir doch vorhin gesagt, dass glückhafte Ereignisse direkt zu Wettbewerbsvorteilen führen können. Weshalb soll jetzt weniger Glück zu mehr Wettbewerbsvorteilen führen? Wir nennen dieses Phänomen das «Glücksparadoxon». In unserem gewählten Modell verringert die Ausübung von Kontrolle einerseits den mathematischen Glücksanteil eines Ereignisses, andererseits steigert es aber zugleich die Fähigkeit der Unternehmen, Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Daher gilt die Regel: Finde ein glückhaftes Ereignis und reduziere in der Folge durch Ausübung von Kontrolle möglichst konsequent dessen Glücksanteil.

Sie haben festgestellt, dass die Einbeziehung von Mitarbeitern tieferer Hierarchiestufen in den Strategieprozess den Unternehmen mehr Glück und Erfolg bringt als eine stringent «top-down» gerichtete Strategie. Was ist die Erklärung dafür?

DD: Die Erklärung sind die sogenannten „unexpected returns“. Unternehmen, die Mitarbeiter aller Hierarchiestufen in die Strategieentwicklung einbinden, waren in der Lage, deutlich stärker von nicht geplanten Erfolgen – „out of the blue“ – zu profitieren.

Welches ist die häufigste Art von glückhaften Ereignissen für Unternehmen?

DD: In unserer Untersuchung sind das ganz klar neue Kundenbedürfnisse. Unternehmer, die das Glück beim Kunden „suchen“, also viel Zeit mit bestehenden Kunden verbringen, sich aktiv austauschen, regelmässig deren Meinung einholen, sie aktiv an der Gestaltung der Produkt- und Dienstleistungsentwicklung teilhaben lassen, werden häufiger Glück haben. Diese Unternehmen werden insbesondere häufiger „zur richtigen Zeit am richtigen Ort“ sein.

«Im Kern geht es darum, dass man Glück als etwas versteht, das unter gewissen Voraussetzungen steuerbar ist und einen nicht unwesentlichen Beitrag zum Unternehmenserfolg leistet.»

Gibt es einen erfolgreichen Umgang mit Glück?

UB: Ein Patentrezept, wie man zu mehr Glück kommt, gibt es leider nicht. Aber wir konnten einige Handlungsanweisungen ableiten, wie Entscheidungsträger mit „Glück“ besser umgehen, sich darauf vorbereiten und sich dadurch die „Glücksrente“ sichern können. Die zentrale Empfehlung lautet: Gehen Sie raus! Unternehmer, die das Glück beim Kunden suchen, werden häufiger Glück haben. Es ist so auch weit weniger effizient, sich auf interne Glücksereignisse (bspw. ein Geniestreich eines Mitarbeiters) anstatt auf externe Impulse vorzubereiten, einfach weil sie letztlich viel seltener sind. Zudem sollten es Unternehmer häufiger wagen, gezielt Mitarbeiter einzustellen, die andere Denkweisen oder neue Netzwerke mitbringen. Auch hier geht es darum, dass Glück „von aussen“ in das Unternehmen zu holen. Im Kern geht es darum, dass man Glück als etwas versteht, das unter gewissen Voraussetzungen steuerbar ist und einen nicht unwesentlichen Beitrag zum Unternehmenserfolg leistet. Oder wie es Louis Pasteur ausdrückte: „Das Glück bevorzugt den vorbereiteten Geist.“

Letzte Frage: Was bedeutet Glück für Sie persönlich?

DD: Glück ist für mich persönlich eine gute Gelegenheit, die an meine Türe klopft und ich entscheide mich, sie hereinzulassen.
UB: Ich halte es da mit Erich Fromm: Glück ist kein Geschenk der Götter, sondern die Frucht innerer Einstellung.

Herr Demisch, Herr Blickenstorfer, ganz herzlichen Dank für das Interview.

Urs Blickenstorfer:
Urs Blickenstorfer leitet als Senior Manager bei PwC Schweiz den Marketingbereich. Er blickt auf über 15 Jahre Erfahrung in Marketing, CRM, Strategieentwicklung und Kommunikation zurück. In seiner Funktion ist er heute für die Marketingstrategie und die Umsetzung aller Marketingkampagnen und -aktivitäten bei PwC verantwortlich. Urs Blickenstorfer hält einen Executive MBA der Universität St. Gallen sowie ein Lizentiat der Universität Zürich in Politikwissenschaft, Geschichte und europäisches Wirtschaftsrecht. Er ist Gastreferent zum Thema „Glück als strategische Ressource für den Unternehmenserfolg“ im Executive MBA-Lehrgang der Universität St. Gallen.

Daniel Demisch:
Daniel Demisch ist Senior Consultant in der Konzernentwicklung der Flughafen München GmbH. Sein Aufgabenbereich ist die Vernetzung von Konzern- und Nachhaltigkeitsstrategie mit dem Ziel, die Flughafen München GmbH als nachhaltigstes Unternehmen seiner Branche im Wettbewerb zu positionieren. Daniel Demisch hat an der Technischen Universität München ein Diplom in Architektur sowie an der Universität St. Gallen einen Executive MBA in General Management erworben. Er ist Gastreferent zum Thema „Glück als strategische Ressource für den Unternehmenserfolg“ im Executive MBA-Lehrgang der Universität St. Gallen.

Studie Potenziale des Glücks

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