Werner Schmidli, CEO Schlatter Industries AG, im Interview

Werner Schmidli, CEO Schlatter Industries AG, im Interview
Werner Schmidli, CEO Schlatter Group. (Foto: Schlatter)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Schmidli, fürs letzte Geschäftsjahr konnte Schlatter einen deutlichen Gewinnsprung verzeichnen. Wie ist das einzuordnen? Ist Schlatter kein Zykliker mehr?

Werner Schmidli: Wir sind in verschiedenen Produkt- und Kundensegmenten tätig, deren Umsätze starken Schwankungen unterliegen. Der volumenstärkste Geschäftsbereich, Anlagen zur Herstellung von Armierungsgittern, war stark rückläufig. Diesen Rückgang konnten wir jedoch durch ein markantes Wachstum in den Produktbereichen Industriegitter und Schienenschweissen kompensieren. Auch das Geschäft mit Webmaschinen zur Herstellung von technischen Geweben für die Papierindustrie, die wir in Deutschland produzieren, verlief gut.

Klar, die Bestellungen gingen um ein knappes Zehntel zurück, aber das ist sicher noch nicht beunruhigend?

Einen Auftragsrückgang von zehn Prozent können wir gut verkraften. Wir haben unsere Kostenstruktur bereits stark flexibilisiert und verbessern diese weiter. Auch ein Wachstum von zehn Prozent können wir ohne zusätzliche Investitionen realisieren.

«Auch ein Wachstum von zehn Prozent können wir ohne zusätzliche Investitionen realisieren.»
Werner Schmidli, CEO Schlatter Industries AG

Im Segment Schweissen liefen die erwähnten Schienenschweissanlagen besonders gut. Ist die Nachfrage aus China noch immer «steady»?

Der Ausbau der Eisenbahn in China schreitet kontinuierlich und unabhängig von der Wirtschaftslage voran. Die Zentralregierung bestimmt, welche neuen Strecken gebaut werden. China hat das Schienennetz für Hochgeschwindigkeitszüge bereits auf über 40’000 Kilometer ausgebaut, und diese Entwicklung geht weiter. Davon profitieren wir insbesondere im Bereich der stationären Schienenschweissmaschinen.

Wird Indien seine Eisenbahninfrastruktur stärker ausbauen als China?

Indien hat grosse Pläne und auch grosse Investitionsvorhaben. Doch im Gegensatz zu China geht in Indien alles langsamer voran. Ob Indien jemals zur Eisenbahninfrastruktur in China aufschliessen kann, ist nicht absehbar. Wir rechnen aber mit einem starken Wachstum in Indien.

«China hat das Schienennetz für Hochgeschwindigkeitszüge bereits auf über 40’000 Kilometer ausgebaut und der Trend geht weiter.»

Welchen «Push» erwarten Sie von der neuen Webmaschine C-Tec für das Segment Weben?

C-Tec produziert technische Gewebe mit sehr hohen Zugfestigkeiten für Nischen, die in der Filtration, in Prozessbändern in der Logistik, im Bergbau oder in der Lebensmittelindustrie Anwendung finden. Da der Markt für diese Nischenanwendungen klein ist, wird er von den großen Webmaschinenherstellern nicht besetzt und stellt eine interessante Ergänzung für unseren Standort in Deutschland dar. Der Markt wird sich entwickeln und wachsen.

Wie reagieren Ihre Kunden auf das Warenwalzen-Austauschprogramm für Webmaschinen?

Die Warenwalzen ziehen das Gewebe durch die Webmaschine und sind mit einer hochwertigen Polyurethan-Beschichtung versehen. Diese Beschichtung nutzt sich ab. Wenn sie ihre Funktion nicht mehr erfüllt, müssen die Walzen ausgetauscht werden. Wir nehmen diese zurück und bereiten sie wieder auf. Gleichzeitig stellen wir dem Kunden bereits wiederaufbereitete Walzen zur Verfügung, die wir von anderen Kunden zurückgenommen haben. So müssen unsere Kunden keine neuen Walzen kaufen und sich auch nicht um die anspruchsvolle Aufbereitung der Walzen kümmern. Dieser Service wird sehr gut angenommen und ist mittlerweile ein fester Bestandteil des Servicegeschäfts für Webmaschinen.

Wie entwickelt sich das Service-Geschäft generell?

Unser After Sales-Geschäft entwickelt sich gut, und wir bauen unsere Dienstleistungen kontinuierlich aus. Unter anderem bieten wir unseren Kunden einen E-Shop, welcher direkt auf ERP-Daten zugreift, unmittelbar Auskunft gibt über die Verfügbarkeit von Ersatzteilen und deren Versand am gleichen Tag ermöglicht. Mittlerweile erwirtschaften wir rund 30% unseres Umsatzes im After Sales.

«Mittlerweile erwirtschaften wir rund 30% unseres Umsatzes im After Sales.»

Seit über 100 Jahren steht Schlatter für Schweizer Qualitätsmaschinen in einem sehr speziellen Segment. Wo verorten Sie die grössten Produktinnovationen?

Die grössten Innovationen stehen heute im Zusammenhang mit der Digitalisierung. Sei es bei der Maschinenbedienung, Maschinensteuerung, Produktionsplanung und -überwachung oder bei der Maschinenwartung. Unsere Maschinen und Anlagen sind heute viel leistungsfähiger und flexibler als vor wenigen Jahren. Damit sind sie aber auch deutlich komplexer und ihr Betrieb anspruchsvoller geworden. Mit der Digitalisierung können wir unseren Kunden helfen, die Maschinen einfacher zu bedienen, zu überwachen und die Produktivität zu steigern.

Mit Münster hat Schlatter auch einen deutschen Standort. Bekommen Sie dort etwas von der vielbesungenen deutschen Bürokratie mit?

Es stimmt, die Bürokratie in Deutschland nimmt immer mehr zu und lähmt die Entwicklung, das spüren wir auch. Ich beobachte das ebenfalls in anderen westeuropäischen Ländern. In der Schweiz sind wir viel pragmatischer und haben mit deutlich weniger Bürokratie zu kämpfen. Wir profitieren von sehr guten Rahmenbedingungen. Nur die Produktionskosten sind in der Schweiz enorm hoch, was die Wettbewerbsfähigkeit schwächt und zu einem grossen Teil auf unsere starke Währung zurückzuführen ist.

Die Eigenkapitalrendite kletterte auf stolze 15,3%. Einen Sprung machte auch der freie Cashflow. Das dürfte für einige Zeit Begehrlichkeiten auf Seiten der Aktionäre wecken…

Nachdem wir 2023 erstmals seit langem wieder eine Dividende ausgezahlt haben, konnten wir in diesem Jahr die Gewinnausschüttung verdoppeln. Unser Ziel ist es, kontinuierlich Profite für unsere Aktionäre zu generieren. Gleichzeitig müssen wir aber auch auf unser Eigenkapital achten und für schlechtere Zeiten vorsorgen. Da der Liquiditätsbedarf in unserem Projektgeschäft stark schwankt, brauchen wir ausreichende Reserven.

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