Cognizant: Von der Warteschlange zur Innovation: Vermögensverwaltung im Generationswandel

Cognizant: Von der Warteschlange zur Innovation: Vermögensverwaltung im Generationswandel
Sam Beeby, Head of Wealth Management, Banking & Financial Services Consulting für Grossbritannien und Irland bei Cognizant. (Bild: Cognizant)

Von Sam Beeby, Head of Wealth Management, Banking & Financial Services Consulting für Grossbritannien und Irland bei Cognizant

Traditionelle Vermögensverwalterinnen haben Schwierigkeiten, den vernachlässigten Markt mithilfe von Innovationen aus der Wartestellung zu befreien – sie laufen zunehmend Gefahr, überflüssig zu werden. Die Kundinnen und Kunden der Generationen Millennial und Z werden von der Vermögensverwaltungsbranche nach wie vor vernachlässigt. Das Durchschnittsalter der Kundinnen und Kunden traditioneller Beratungsunternehmen liegt bei 59 Jahren. Laut Advice Gap Report kommen derzeit nur sechs Prozent der Ratsuchenden aus der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen, in der darüber liegenden Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen sind es auch nur 13 Prozent. Da Vermögen an künftige Generationen weitergegeben wird, müssen sich Vermögensverwalterinnen und -verwalter darauf einstellen und diese Lücke schliessen.

Drei Schlüsselbereiche für Innovation

Die derzeitige „Trägheit“ in der Vermögensverwaltungsbranche hat verständliche Gründe: Die Branche hat sich bisher darauf konzentriert, Kundenbeziehungen aufzubauen und zu pflegen. Dies hat zu einer Kultur geführt, die tief im Beruf der Kundenberaterinnen und -berater verwurzelt ist. Genau diese tief verwurzelte Kultur stellt jedoch eine schwierige Ausgangslage dar, wenn es darum geht, ein Kundenerlebnis der nächsten Generation zu entwickeln, das auf digitalen Interaktionsmodellen und einer differenzierten Datenstrategie basiert.

Ein weiterer Faktor, der zu dieser Trägheit der Branche beiträgt: Das derzeitige Geschäftsmodell konzentriert sich hauptsächlich auf den Prozentsatz des verwalteten Vermögens, auch Assets under Management (AUM) genannt. Dieses Modell bietet Kundinnen und Kunden, die nur über ein begrenztes oder gar kein Vermögen verfügen, das sie investieren können, keine praktikable Einkommensmöglichkeit – was es schwierig macht, die Betreuung von Personen zu rechtfertigen, die kurzfristig nicht vermögend sind. Allerdings wird ein erheblicher Teil des Vermögens vererbt. Die heutige Jugend ist daher für den Fortbestand der etablierten Beratungsunternehmen von grosser Bedeutung und sollte frühzeitig berücksichtigt werden.

Dazu müssen Vermögensverwalter mit ihren digitalen Pendants in der übrigen Finanzdienstleistungsbranche gleichziehen. Es stellt sich also die Frage: Worauf sollten Vermögensverwalterinnen und -verwalter ihre Innovationen konzentrieren, um diese wichtigen, aber vernachlässigten Segmente zu erreichen?

1. Modernisierung der Marke

Um das Vertrauensproblem und den Mangel an Finanzwissen in der jüngeren Zielgruppe anzugehen, müssen Finanzdienstleister ihre Wahrnehmung kritisch hinterfragen und Stereotypen abbauen. Eine von My Pension Expert im Jahr 2020 durchgeführte Umfrage ergab, dass 57 Prozent der Befragten kein Vertrauen in Finanzberater:innen haben und diese eher als eigennützig denn als dienstleistungsorientiert wahrnehmen. Diese Diskrepanz zwischen Berater:innen und potenziellen Verbraucherinnen und Verbraucher, insbesondere in der jüngeren Generation, erschwert es, den Mehrwert einer Finanzberatung zu verstehen. Dies führt häufig dazu, dass Verbraucherinnen und Verbraucher Finanzberatung nicht aktiv in Anspruch nehmen. Wenn sie sich doch beraten lassen, wenden sie sich häufig an Freundinnen, Freunde und Verwandte oder nutzen das Internet als erste Informationsquelle.

Die zunehmende Verbreitung leicht zugänglicher und verständlicher Inhalte auf Social-Media-Plattformen ist ein weiterer wichtiger Handlungsimpuls. Auch wenn die meisten 18- bis 25-Jährigen in absehbarer Zeit kein Vermögen erben werden: Es ist ratsam, frühzeitig Kontakte zu knüpfen und erste Finanzthemen aufzugreifen. Nur so sind Vermögensverwalterinnen und Vermögensverwalter gut aufgestellt, wenn diese Generation zu Vermögen kommt. Dabei vertrauen junge Menschen anderen Quellen als ihre Eltern: Laut Advice Gap Report nutzen 21 Prozent der 18- bis 25-Jährigen, die nicht bereit sind, für Finanzberatung zu bezahlen, vor allem soziale Medien als primäre Informationsquelle.

Diese Veränderungen im Verhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher haben erhebliche Auswirkungen auf die Beratungsbranche. Da sich die Präferenzen für Kommunikationskanäle ändern, muss sich die Vermögensverwaltungsbranche unbedingt anpassen. Sie muss die neue Generation auf den Plattformen ansprechen, auf denen sie ihre Zeit verbringt, und Lösungen anbieten, die für sie relevant und attraktiv sind. Vermögensverwalterinnen und Vermögensverwalter, die bei der jüngeren Generation Vertrauen und Markenattraktivität aufbauen wollen, müssen sicherstellen, dass ihre Marke in diesen Bereichen tatsächlich Kompetenz und Empathie vermittelt. Neo-Banken sind ein Beispiel dafür, wie Finanzdienstleister mehrere Kanäle nutzen können, um Vertrauen und Markentreue aufzubauen.

2. Experience Design

Vermögensverwalter:innen, die die nächste Generation für sich gewinnen wollen, müssen sich auf die Grundprinzipien besinnen und das Verständnis für die Kund:innen in den Mittelpunkt ihres Geschäfts stellen. Dies sollte keine einmalige Anstrengung sein, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Regelmässige Nutzerforschung, die Entwicklung von Prototypen für neue Konzepte und die Analyse von Nutzungsdaten digitaler Produkte sind wichtige Aktivitäten. Sie ermöglichen ein tiefes Verständnis der Zielgruppe und können selbst wohlüberlegte Annahmen in Frage stellen. Darüber hinaus bieten sie eine unschätzbare Gelegenheit, tiefes Vertrauen und Markenaffinität aufzubauen. Beides ist entscheidend, um die zukünftige Generation von Anleger:innen zu erreichen.

Ein durchgängiges, nahtloses und kanalunabhängiges Kundenerlebnis wird zunehmend zum wichtigsten Wettbewerbsfaktor. Derzeit klafft im traditionellen Asset Management eine Lücke zwischen Daten und Kundenerlebnis. Obwohl Einigkeit über die Bedeutung des Kundenerlebnisses und den Wert von Daten besteht, fällt es den Unternehmen schwer, diese beiden Aspekte effektiv zu integrieren. Daten werden nach wie vor hauptsächlich mit finanziellen und regulatorischen Aspekten in Verbindung gebracht.

Unternehmen, die bereit sind, vorhandene Daten zu analysieren, um daraus Erkenntnisse zur Verbesserung des Kundenerlebnisses zu gewinnen, können unmittelbar profitieren. Diese Daten können in verschiedenen Phasen der Customer Journey gesammelt worden sein – vom Social Listening vor dem Onboarding bis hin zur Analyse von Transaktionen und Ausgaben nach dem Onboarding. Auf diese Weise können Kundinnen und Kunden durch das Angebot personalisierter Erlebnisse gewonnen werden.

3. Hybride Interaktion

Digitale Technologien und Schnittstellen entwickeln sich unaufhaltsam weiter. In Zukunft wird ein erheblicher Teil der menschlichen Beratungs- und Betreuungsleistungen sukzessive von künstlicher Intelligenz (KI) und Algorithmen übernommen werden. Trotz dieser Entwicklung bevorzugt ein beachtlicher Teil der Bevölkerung weiterhin ausschliesslich persönliche Beziehungen (17 Prozent), während sich die Mehrheit (68 Prozent) eine Kombination aus digitaler und persönlicher Interaktion wünscht. Dies unterstreicht die ungebrochene Nachfrage nach zwischenmenschlicher Interaktion. Die Schlüsselfrage lautet: Wie sieht das ideale Gleichgewicht zwischen menschlichen und digitalen Komponenten in den erstklassigen Beratungserfahrungen der Zukunft aus?

Zu gegebener Zeit wird dieses Gleichgewicht wahrscheinlich eine hochgradig personalisierte digitale Schnittstelle umfassen, die auf den eigenen Bank- und Transaktionsdaten des Kundinnen basiert. Die digitale Erfahrung wird durch menschliche Beraterinnen und Berater ergänzt, jedoch in einer skalierbaren Weise, die die menschlichen Ressourcen optimiert und möglicherweise durch KI und Maschine Learning (ML) ergänzt wird. Digitale und menschliche Elemente werden nahtlos ineinandergreifen, um ein Höchstmass an Vertrauen, Sicherheit und Komfort für den Kunden zu schaffen. Diese Ausgewogenheit wird von Person zu Person unterschiedlich sein und ein flexibles, modulares und hochgradig personalisiertes Serviceframework bieten.

Der Grundstein für diese Vision kann bereits heute gelegt werden. Stellen wir uns zum Beispiel einen anpassungsfähigen, KI-gestützten digitalen Finanzberater vor, der über Plattformen wie WhatsApp erreichbar ist und sich unter dem Dach eines renommierten Vermögensverwalters um die spezifischen Herausforderungen einer jungen, finanziell eingeschränkten Zielgruppe kümmert. Diese innovativen Trial-and-Error-Initiativen sind die ersten Schritte auf dem Weg zu einer skalierbaren Vermögensverwaltung der nächsten Generation.

Der Wandel der Vermögensberatungsbranche wird sich nicht von heute auf morgen vollziehen. Die demografische Entwicklung der Kundinnen und Kunden wird jedoch dazu führen, dass das derzeitige Standard-Servicemodell für Vermögensverwalterinnen und Vermögensverwalter nicht mehr tragfähig sein wird. Vermögensverwalterinnen und Vermögensverwalter sollten sich daher auf die drei oben genannten Kernelemente konzentrieren, um sich eine starke Position zu sichern, wenn der grosse Prozess der Vermögensübertragung beginnt. Dann besteht eine echte Chance, die Kluft zwischen den Generationen zu überbrücken und die Verschwender:innen und Schuldner:innen von heute in die Sparerinnen und Anleger von morgen zu verwandeln. (Cognizant/mc/ps)

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