KI-Implementierung: Warum viele kleine Schritte erfolgreicher sind als ein grosser Wurf

KI-Implementierung: Warum viele kleine Schritte erfolgreicher sind als ein grosser Wurf
Neil Sholay, VP of AI bei Oracle. (Foto: Oracle)

München – Viele Unternehmen setzen bei der Implementierung künstlicher Intelligenz (KI) auf gewaltige Projekte: Grosse Ideen und Budgets sollen noch grössere Probleme lösen. Doch trotz aller Ambitionen geht nur wenig davon tatsächlich in den Live-Betrieb. Laut McKinsey scheitern 90 Prozent aller KI-Pilotprojekte daran, in den alltäglichen Gebrauch aufgenommen zu werden. Hier deutet sich eine wachsende Kluft zwischen der Begeisterung in den Führungsetagen und der praktischen Umsetzung an.

von Neil Sholay, VP of AI bei Oracle

Für den mangelnden Antrieb bei der Anwendung gibt es mehrere Ursachen: Die Implementierung von KI ist ein komplexer Prozess, bei dem Unternehmen durch ein Minenfeld verschiedener Domänen navigieren müssen. Ob Compliance-Management, Bewertung technischer Fähigkeiten, Verbesserung der Integration oder der Nachweis des ROI (Return on Investment) – jeder Schritt erfordert erhebliche Ressourcen und abteilungsübergreifende Zusammenarbeit.

Das Problem von Moonshots
Die Fixierung auf grosse, transformative KI-Initiativen trägt zusätzlich zu dem Mangel an Fortschritt bei. Ambitionierte Projekte – sogenannte „Moonshots“ in Anlehnung an die aufwendige Apollo-Mondlandung mit 400.000 Beteiligten – haben das Potenzial, massive Produktivitätssteigerungen und deutliche Wettbewerbsvorteile zu liefern. Das ist verlockend. Richtig umgesetzt, können sie zur Marktführerschaft verhelfen, doch der erforderliche Ressourcenaufwand wird oft unterschätzt.

Moonshots erfordern von Natur aus viele Menschen, die ihre Energie in dieselbe Richtung lenken, um überhaupt abzuheben. Das ist leichter gesagt als getan, und Unternehmen, die alles auf grosse Projekte setzen, finden sich schnell in einer Schleife endloser Proof-of-Concepts wieder. Willkommen im „Pilot Purgatory“ – dem Fegefeuer der Pilotprojekte. Hier verschwinden vielversprechende Ideen nicht etwa, weil sie undurchführbar wären, sondern weil ihnen der entscheidende Bezug zu den Geschäftszielen fehlt. Ohne klare Verantwortlichkeiten und Verankerung im Unternehmen bleiben innovative Ansätze oft auf der Strecke – und ihr Potenzial ungenutzt.

Mikro-KI: Weniger kann mehr sein
Doch es gibt einen anderen Weg. Oracle hat in den vergangenen Jahren Dutzende Unternehmen bei der Einführung und Implementierung von KI-Technologie mit unterschiedlichen Erfolgsgraden begleitet. Die erfolgreichen Fälle entstehen nach einem klaren Muster: Unternehmen bringen KI-Tools und -Fähigkeiten schnell in die Hände der Nutzer. „Mikro-KI“ in Aktion: Anstatt auf den grossen Durchbruch zu hoffen, setzen sie auf eine Vielzahl kleiner, gezielt eingesetzter KI-Funktionen. So entsteht ein Ansatz, der Innovation in kleinen Schritten ermöglicht.

Mittlerweile gibt es eine Fülle neuer und oft ungenutzter KI-Fähigkeiten, die bereits in die Anwendungen eingebettet sind, die von Mitarbeitern täglich genutzt werden. Durch das einfache Aktivieren dieser Features können Unternehmen von Beginn an einen Mehrwert schaffen und die Risiken und Herausforderungen des Aufbaus massgeschneiderter KI-Tools mindern. Gerade das Onboarding von Mitarbeitern auf neue Systeme zählt zu den größten und häufig übersehenen Kostenfaktoren bei der Transformation.

Die Produktivitätssteigerungen durch die Einführung einzelner Mikro-KI-Features sind mitunter relativ bescheiden. Für sich genommen sind das kleine Veränderungen, denn jedes Tool kann die Effizienz nur um ein bis zwei Prozent verbessern. Wenn sie aber über den typischen Arbeitsablauf eines Nutzers hinweg kombiniert werden, sind signifikante Produktivitätsverbesserungen von mehr als 20 Prozent realistisch erreichbar. Ein Bild dafür: ein Team von 100 Praktikanten, das bereitsteht, in jedem Bereich des Unternehmens zu unterstützen. Werden Zeitfresser und Reibungsverluste in verschiedenen Prozessen reduziert, können sich Mitarbeiter verstärkt auf wertschöpfende Aufgaben konzentrieren, die das Geschäftsergebnis beeinflussen.

Praxisbeispiel: The Very Group
Ein Beispiel für eine erfolgreiche Umsetzung lässt sich bei The Very Group finden, einem der grössten Online-Händler Grossbritanniens. Mit nur einem Klick aktivierte das Unternehmen KI-gestützte Zielsetzungsfunktionen in Oracle Fusion Cloud Human Capital Management (HCM) – und stellte sie damit 2.500 Mitarbeitern zur Verfügung. Die KI-Fähigkeiten helfen Managern beim Erstellen von SMART-Zielen und unterstützen Mitarbeiter mit personalisierten Vorschlägen, um das „Blank-Screen-Syndrom“ zu überwinden. Damit ist die typische Blockade gemeint, wenn Mitarbeiter vor einer leeren Maske sitzen und nicht wissen, wo sie anfangen sollen. Seit der Aktivierung wurde die Funktion zehntausendmal genutzt. Sie hat die Art und Weise, wie das Unternehmen Leistungsziele verwaltet, mit minimalem Aufwand und ohne zusätzliche Kosten transformiert.

Kleine Schritte, grosse Wirkung
Bei der KI-Implementierung lauern unabhängig vom Erfahrungsstand ähnliche Stolperfallen. Häufig blockiert das Warten auf die optimale Strategie den ersten Schritt. Zudem überschätzen viele den Aufwand: KI muss nicht zwangsläufig grosse Budgets oder komplexe Projekte bedeuten. Mikro-KI-Lösungen sind oft schon integriert und aktivierungsbereit. Gleichzeitig neigen dynamische Unternehmen dazu, ihre Kapazitäten zu überschätzen und Ressourcen auf zu viele parallele Initiativen zu verteilen. Große Organisationen wiederum implementieren KI häufig in isolierten Bereichen ohne übergreifende Strategie oder konsistente Vision.

Grosse KI-Transformationen wirken verlockend, doch den Erfolg bringen meist eher viele kleine, praktikable Schritte. Diese zeigen schnell messbare Ergebnisse, erzielen unmittelbaren Nutzen und minimieren Risiken. Gleichzeitig bereiten sie den Boden für grössere Projekte. Erfolgreiche Unternehmen bevorzugen daher pragmatische Ansätze mit sichtbaren Fortschritten anstelle riskanter Grossvorhaben. Der Mikro-KI-Ansatz könnte der Schlüssel sein, um endlich den erhofften Return on Investment zu erreichen. Denn manchmal ist der beste erste Schritt nicht der grösste, sondern der nächstmögliche. (Oracle/mc)

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