Anastasia Li-Treyer, Direktorin Promarca: «Es ist wohl der Moment gekommen, wo auch der Detailhandel seine eigenen Margen hinterfragen muss.»

Anastasia Li-Treyer, Direktorin Promarca: «Es ist wohl der Moment gekommen, wo auch der Detailhandel seine eigenen Margen hinterfragen muss.»

von Patrick Gunti


Frau Li-Treyer, die Konzentration im Schweizer Detailhandel geht mit dem Verkauf von Denner an die Migros weiter. Wie stellt sich Promarca zu diesem Zusammengehen?


Wir sind froh, dass Denner in bewährten Schweizer Händen bleibt. Migros bekommt dadurch einen gut positionierten Verteiler von Markenprodukten. Wir gehen davon aus, dass Migros diesen Kauf nicht zu einer Einschränkung des Produktesortimentes zum Nachteil der Kunden missbrauchen wird. Die Denner-Kunden haben bewiesen, dass sie ein breites Sortiment an Markenartikeln wollen. 75% des Denners Sortiments sind ja bekanntlich Markenartikel.

Vom Angebot her soll Denner Denner bleiben und also weiterhin rund 75% Markenartikel im Sortiment führen. Dahinter steht nun aber mit der Migros ein viel grösserer Konzern. Rechnen Sie damit, dass der Preisdruck auf die Markenartikel-Hersteller weiter steigen wird?


Der gewaltige Druck auf die Margen gab es bereits vor dem Zusammenschluss von Migros und Denner. Es ist wohl der Moment gekommen, wo auch der Detailhandel seine eigenen Margen hinterfragen muss. Bei unseren Produzenten sind die Margen nicht höher als im vergleichbaren Ausland. Und die Grossverteiler müssen einsehen, dass ein Ausbluten der Marken ihnen und den Konsumenten schadet – denn Markenartikel sind beliebt und bringen Kunden in die Läden.

In einem Interview hat Philippe Gaydoul erklärt, das Thema Eigenmarkenbeschaffung werde nun sicher aktuell, da die Migros ja viele eigene Produktionsbetriebe hat. Wie stellt sich die Promarca zu Eigenmarken?

Im Vergleich zum Ausland ist in der Schweiz das Angebot an Eigenmarken sehr hoch: zum Beispiel mehr als 90% bei Migros, mehr als 50% bei Coop. Denner ist mit dem hohen Anteil an Markenprodukten gut gefahren. Eine Zunahme der Eigenmarken würde bedeuten, dass der Konsument sich mit einem immer kleiner werdenden Angebot an Markenartikeln zufrieden geben müsste – und oft sogar für Eigenmarken mehr bezahlen würde als für Markenprodukte. Wir hoffen, dass dies nicht eintreffen wird – und wenigstens die heutige Sortimentsbreite beibehalten wird.

Die Machtverhältnisse zwischen Handel und Industrie verschärfen sich grundsätzlich. Wie vertritt Promarca ihre Mitglieder gegenüber dem Handel?

Handel und Industrie sind aufeinander angewiesen. Deshalb sollten wir im Dialog bleiben. Forderungen müssen begründet und das Umfeld mitberücksichtigt werden, zum Beispiel Herstellungsmethoden und -bedingungen, laufende Innovationen, Investitionen in Werbung und auch die Absatzförderungsfunktion der Marken, die dem Handel immer wieder Kundenbindung bringen. Selbstverständlich sind wir dabei, wenn es darum geht, Effizienz zu steigern und sinnlose Handelshemmnisse abzubauen. Wir sollten das Verhältnis so verstehen, dass es gemeinsam darum geht, den Konsumenten zu begeistern und mit hoher Qualität zu befriedigen.


«Geiz ist immer weniger geil, weil dabei andere Qualitäten auf der Strecke bleiben». (Anastasia Li-Treyer, Direktorin Promarca)


Der Verkauf von Denner ist die Folge der zunehmenden Präsenz von Aldi in der Schweiz und dem wohl bald bevorstehenden Markteintritt von Lidl. Wie beurteilen Sie den Stand der «Aldisierung» der Schweiz?

Lidl und Aldi profilieren sich erfahrungsgemäss in erster Linie über den Preis. Der Schweizer Konsument sucht aber Qualität, Sortimentsbreite und Service. Hier besteht die Chance für Migros, Denner und alle anderen, sich von seinen Mitbewerbern zu differenzieren, um nicht am Ende einzig für Schnäppchenjäger interessant – und damit mit Lidl und Aldi austauschbar zu sein. Übrigens zeichnet sich auch in Deutschland eine Verschiebung zu mehr Qualität und Service ab. Geiz ist immer weniger geil, weil dabei andere Qualitäten auf der Strecke bleiben.


Im Aldi-Sortiment stehen praktisch ausschliesslich Eigenmarken, Lidl führt aber ein relativ breites Markenartikel-Angebot. Welche Erwartungen hegen Sie für die Promarca-Mitglieder in diesem Zusammenhang?

Wir gehen davon aus und hoffen, dass unsere Mitglieder diesen zusätzlichen Vertriebskanal nutzen werden. Es geht um Convenience für den Endkonsumenten. Ausserdem pflegen bereits einige unsere Mitgliedfirmen Geschäftsbeziehungen zu Lidl im Ausland.


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Der Konsument registriert den enormen Konkurrenzdruck vorerst in erster Linie in sinkenden Verkaufspreisen. Welche Konsequenzen erwarten Sie für die Konsumenten in Zukunft?

Der Konsument wird dadurch sicher preisempfindlicher und wenn sich der Handel rein über den Preis differenziert, wird der onsument zum Schnäppchenjäger erzogen – das Kauferlebnis sucht er dann anderswo. Doch die ersten Zeichen einer Wende sehen wir in Deutschland. Einzelne Supermärkte und Grossflächenbetreiber haben ihre Leistungsdimension – vor allem ihre Sortimente – weiterentwickelt und gewinnen wieder an Stärke.

Sehen Sie nicht die Gefahr, dass in der gesamten Preisdiskussion sowohl bei der Industrie wie auch beim Handel die Innovation auf der Strecke bleibt, sprich wenig neue Produkte eingeführt werden, keine neuen Zielgruppen angesprochen werden etc.?

Diese Gefahr ist tatsächlich gegeben, aber noch dramatischer: Durch den Preis- und Margendruck investieren Unternehmen mehr in kostenreduzierende Technologien und nicht in die Entwicklung neuer Produkte und in so genannte «Public-interest»-Technologien. Nur letzere schaffen langfristig Mehrwerte.

Welche Chancen und Gefahren sehen Sie generell für die Markenartikel-Hersteller?

Als Chance sehe ich weiterhin die Investition in Innovation. Das ist auch was Markenartikelhersteller von den Eigenmarken differenziert und was Kunden an Markenartikel schätzen. Als Gefahr sehe ich die Einschränkung der Auswahl an Markenangeboten für den Endkonsumenten.

Sie sind seit rund einem halben Jahr im Amt. Welches sind Ihre Erfahrungen in dieser Zeit?

Es gibt viele. Was mich aber am Meisten erstaunt ist, dass wir uns immer mit Deutschland vergleichen, wenn es um Preise geht. In allem anderen wollen wir uns dann aber mit erfolgreicheren Ländern vergleichen. Nehmen wir doch diese erfolgreichen Volkswirtschaften mit hohem Wohlstand auch bezüglich der Preise als Messlatte. Dann relativiert sich unser Preisniveau ganz beträchtlich.





Zu Promarca:



  • Gegründet 1929
  • 86 Mitgliedsfirmen mit rund 13’000 Mitarbeitenden
  • 9,1 Milliarden Franken Gesamtumsatz (74% Markenartikel CH, 8% Handelsmarken CH, 18% Export)
  • 2000 vertretene Brands
  • Fachkommissionen für Marketing, Kommunikation und Recht
  • Mitgliedschaften: economiesuisse, FLK Förderungsgesellschaft für die Lauterkeit in der kommerziellen Kommunikation, Jugend und Wirtschaft, Swiss Marketing (SMC), GfM Schweizerische Gesellschaft für Marketing, AIM Europäischer Markenverband

Zur Person:



  • Name: Anastasia Li-Treyer
  • Geburtsdatum 24. Dezember 1958
  • Nationalität Schweizerin
  • Zivilstand verheiratet, 2 Kinder
  • Berufliche Entwicklung
    -08/2006 Promarca, Bern – Direktorin
    -05/2003 -05/2006 Zyliss AG, Lyss und Zürich-Oerlikon, General Manager Europe. Mitglied der Geschäftsleitung MCHF18, 80 Mitarbeiter). Gesamtverantwortung für den Standort Schweiz, für die Tochtergesellschaft Zyliss Deutschland GmbH und für das Monitoring weiterer 32 Länder in Europa und Overseas, die von Distributoren bearbeitet werden.

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