Andreas Rüegg: «Wir bilden Lebensunternehmer aus»


Die Lernzentren können dank ihrer Erfolgsstrategie Lehrstellen schaffen und Umsatz generieren. CEO Andreas Rüegg spricht über Lösungen für die Schweizer Lehrlingsmisere, das erfolgreiche Konzept der Lernzentren und weshalb sie keine Subventionen wollen.


Von Olivia Schiffmann


Andreas Rüegg, CEO Lernzentren.
Moneycab: Bieten die Lernzentren einen Lösungsansatz im Kampf gegen die Lehrlingsmisere?

Andreas Rüegg: Wir sind davon überzeugt. Unser Modell erlaubt es, dass auch Firmen Lehrlinge einstellen können, die sonst keine Ausbildungsplätze anbieten würden. Eine grosse Anzahl Firmen findet es zu kompliziert oder hat ein zu schmales Spektrum an Tätigkeiten, um eine ganze Lehrstelle abzudecken. Das alles gilt bei uns nicht – wir rekrutieren, wir verhandeln mit den Ämtern, wir sorgen dafür, dass alles richtig abläuft.

Garantieren Sie den Lehrabgängern eine feste Anstellung?

Nein, das Problem der Arbeitslosigkeit haben wir leider auch. Im 2001 wurden uns die Abgänger fast aus den Händen gerissen. Seit die Wirtschaftslage schlecht ist, haben wir einen erhöhten Anteil Absolventen, die direkt nach dem Abschluss keine Anschlusslösung haben. Das hat dazu geführt, dass diverse Mitgliedsfirmen mindestens Übergangsstellen bis zur Rekrutenschule oder für ein Jahr anbieten, um den Einstieg in das Berufsleben zu ebnen.

Sind Sie der Meinung, dass der Staat zu wenig unternimmt, um die Situation zu verbessern?

Nein, wir sind der Meinung, dass staatliche Eingriffe immer nur vorübergehend helfen können. Zudem sind staatliche Eingriffe meist zu teuer. Natürlich sollten günstige Rahmenbedingungen geschaffen werden, aber letztlich müssen wir schauen, dass genügend Lehrstellen vorhanden sind. Wichtig ist, dass die Lehrlinge so gut ausgebildet werden, dass sie nach Abschluss rasch eine Stelle finden. Unsere Lehrabgänger haben – wenn überhaupt – eine kürzere Arbeitslosenzeit als andere. Das heisst für uns, dass die Ausbildung grundsätzlich richtig verläuft.

Dass die Lernzentren keine Subventionen erhalten, ist für Sie demnach in Ordnung?

Ja. Wir erhalten keine Subventionen, und wir möchten es auch nicht. Geld, das man einfach erhält, macht immer ein wenig träge. Wenn wir es jedes Jahr schaffen Gewinn zu erwirtschaften, dann sind wir marktfähig und ein Vorbild für unsere Lehrlinge. In einer Firma gibt es dann auch keine Subventionen, sondern Kunden und Leistungen.

Weshalb sind Ihre Lehrabsolventen erfolgreicher als andere?

Wir wollen die Jugendlichen nicht nur zum Fähigkeitsausweis bringen, sondern sie zu Lebensunternehmern ausbilden. Sie sollen alle Fähigkeiten und Kompetenzen erhalten, die es braucht, um danach auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen. Das umfasst eine breite Grundausbildung – denn je breiter die Basis, um so besser gelingt später eine Umorientierung – und eine Konzentration auf Zusatzkompetenzen wie der Sozial- und Selbstkompetenz. In der Grundausbildung sind die Lehrlinge in kleinen Unternehmen, sie haben ein Budget und müssen echte Aufträge reinholen und abarbeiten. Am Ende steht ein Kunde, der ein Produkt erwartet. Wir haben festgestellt, dass dieses Konzept für die Lernmotivation brillant ist. Die Lehrlinge lernen so für das Leben und nicht für einen Ausbilder, der seit zehn Jahren immer das gleiche hören will.

Sie bieten Lehrstellen in den Bereichen Technik, Informatik und KV an. Wie hoch ist der Anteil an weiblichen Lehrlingen?

Das ist ein schwieriges Thema. Im technischen Bereich haben wir enorm Mühe, Frauen zu rekrutieren. Wir sind schon stolz, wenn wir eine oder zwei pro Beruf und Standort finden. Beim KV hat es natürlich mehr weibliche Bewerberinnen. Hingegen haben wir erstaunlicherweise sehr wenige Informatikerinnen. Ich verstehe es nicht – es ist ein neuerer Berufszweig und nicht wie die Technikberufe durch ein jahrhundertealtes Rollenbild geprägt. Die Rollenbilder sind in dem Alter, wo die Berufswahl stattfindet, offenbar schon so gefestigt, dass sich leider meistens nicht mehr viel bewegen lässt.

Ist es das Ziel, dass in Zukunft die ganze Lehrlingsausbildung über Lernzentren laufen soll?

Solche Visionen kann man natürlich haben. Aber es wird nicht passieren und es ist nicht unser Ziel. Wir streben keine Hegemonie an. Selbstverständlich wollen wir wachsen, und das können wir auch. Wir möchten möglichst viele Lehrstellen generieren und sichern. Mit unserem Know-how waren wir zudem direkt beteiligt bei der Gründung ähnlicher Verbünde. «Aprentas» beispielsweise, ein Chemieverbund in der Nordwestschweiz oder «login», der Verbund des öffentlichen Verkehrs. Da es um eine gute Sache geht, sind wir relativ freizügig mit unserem Know-how.

Sie haben den Esprix Award 2005 gewonnen. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Wir haben eine Riesenfreude, dass wir den Award gewonnen haben. Mit einem Preis haben wir ein wenig gerechnet, aber gleich den Award zu gewinnen, hätten wir wirklich nicht gedacht. Es ist eine tolle Bestätigung für den Weg, den wir seit langem beschreiten. Business Excellence ist für uns ein Leitgedanke.

Haben Sie mit dem Erfolg der Lernzentren gerechnet?

Wir mussten daran glauben, denn es war und ist immer noch mit zahlreichen Risiken verbunden: Keine Subventionen, keine fixe Bindung an die Mitgliedsfirmen, wir stellen Lehrlinge ein, ohne dass wir sicher sein können, dass wir sie ein Jahr später auch an Firmen geben können. Und es braucht viel Idealismus, was aber auch einfach ist in diesem Business. Jugendlichen helfen zu können motiviert natürlich enorm.



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