Bo Risberg, CEO Hilti Gruppe

von Radovan Milanovic


Die Hilti Gruppe zeigte 2007 mit + 13% von 4,1 auf 4,7 Mrd. CHF zum vierten Mal in Folge eine zweistellige Umsatzzunahme, wobei das Betriebsergebnis gar um 26% von 422 auf 533 Mio. CHF anstieg. Wie hat sich das Geschäft von Hilti im zweiten Halbjahr entwickelt?


Die Konjunktur hat weitaus rasanter nachgelassen als wir erwartet hatten. Der Umsatz in den vergangenen drei Monaten hat sich gegenüber den ersten acht Monaten des Geschäftsjahres wegen der nachlassenden Baukonjunktur negativ entwickelt. Der starke Franken ist für ein global tätiges Exportunternehmen wie Hilti nicht von Vorteil und zeigte sich leider ebenfalls als Wachstumsdämpfer. Trotz der schwierigen Umstände haben wir 2008 ein Umsatzwachstum von 7% in Lokalwährungen erzielt bei einer Umsatzausweitung um 1% auf 4.697 Mrd. CHF. Für das laufende Jahr hingegen werden unsere Zahlen unter den Rekordwerten des Vorjahres liegen. Zu den Regionen: Im Dollarraum nahm der Umsatz um 2% zu, obwohl sich die Baukonjunktur nach dem schwachen Jahr 2007 weiter verschlechterte. In diesem Währungsraum war der negative Währungseinfluss in der Gruppe am grössten, was sich umgerechnet in Franken mit einem Umsatzrückgang von 8% in Nordamerika bemerkbar machte. Ein differenziertes Bild zeigte sich in den europäischen Ländern: Im deutschsprachigen Raum verlief die Entwicklung weiterhin sehr positiv, während vor allem in Teilen Nord- und Osteuropas sowie in Spanien die zunehmend negativen konjunkturellen Einflüsse zu spüren waren.


Die Baubranche hat die Krise noch nicht im grossen Stil zu spüren bekommen, für 2009 wird eine Stagnation erwartet. Sind Sie pessimistisch für das kommende Jahr?


Wir rechnen aktuell mit einem Nullwachstum. Für uns stellt sich grundsätzlich die Frage: Stabilisieren sich jetzt die Finanzmärkte, sodass wieder das Geld für Bauprojekte verfügbar ist? Wir haben registriert, dass zahlreiche Bauprojekte wegen mangelnder Liquidität gestoppt worden sind. In Osteuropa beispielsweise ist die Nachfrage vorhanden, aber es fehlen die Kredite. Sollte sich diese Situation nicht rasch ändern, hat dies gravierende Folgen für die Baukonjunktur. Gute Wachstumschancen sehen wir hingegen für den asiatischen Raum, während sich das Geschäft in Europa und Nordamerika verhalten entwickeln wird. Dennoch sehen wir viele Möglichkeiten, unseren weltweiten Marktanteil zu erhöhen. Wir haben mit dem Direktvertrieb ein starkes Geschäftsmodell und können so flexibel und rasch auf die veränderten Bedürfnisse unserer Kunden reagieren.


In den ersten acht Monaten 2008 hat Hilti in Nordamerika an Umsatz verloren. Wie zeigt sich die Lage dort?


Der US-Wohnungsmarkt ist in den letzten zwei Jahren deutlich zurückgegangen und das hat unser Gesamtwachstum beeinträchtigt. Mittlerweile hat die Problematik auch auf die gewerblichen Segmente übergriffen. Für 2008 wie auch für 2009 rechnen wir mit einer negativen Entwicklung in Nordamerika.


Hilti will die Position in Nordamerika ausbauen und so Marktanteile gewinnen, denn aufgrund Ihrer Informationen sind Sie im kommerziellen und industriellen Bausektor tätig und weniger im Wohnbau. Aufgrund der Makrodaten muss jedoch davon ausgegangen werden, dass gerade der kommerzielle und industrielle Bausektor leidet. Sind aufgrund des Credit Crunchs nicht gerade diese Unternehmen doppelt gefährdet? 
 
Der kommerzielle und der industrielle Bausektor werden sich 2009 weiter abschwächen. Das wirkt sich stärker auf unsere relevanten Märkte in diesem Bereich aus. Andererseits ist die momentane Marktschwäche eine gute Gelegenheit für uns, weitere Marktanteile zu gewinnen. Dies schaffen wir mit dem Direktvertriebsmodell sowie der Fähigkeit zu beweisen, wie die Kunden ihre Produktivität steigern können mit unseren Produkten, Serviceleistungen und Lösungen.


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2007 konnten Sie Ihren Umsatz in Asien von 364 auf 414 Mio. CHF oder +14% ausweiten? Im Vergleich zur Umsatzausweitung im Nahen/Mittleren Osten und Afrika mit +21% ist die Steigerung nicht allzu gross. Was ist der Grund dieser Entwicklung?


Das Gesamtwachstum in Asien wurde 2007 durch den raschen Abschwung im japanischen Bausektor gebremst. Wir werden das Wachstum in Asien jedoch beschleunigen, indem wir die Ressourcen in den Bereichen Verkauf und Entwicklung weiter erhöhen. Stark überproportionales Wachstum zeigte sich in den von den Auswirkungen der Wirtschaftskrise noch kaum betroffenen Regionen Naher/Mittlerer Osten und Afrika mit +40% in Lokalwährung, sowie im Raum Asien/Pazifik mit einem Plus von 16%.


«Nach unserer Einschätzung wird der Dollar mittelfristig unter 1.10 Franken verharren und wiederholt hohen Schwankungen unterworfen sein. Diese Situation ist in unserem aktuellen Absicherungsansatz berücksichtigt.»


In den ersten vier Monaten 2008 konnten Sie den Umsatz in Lokalwährungen um 12%, in der Bilanzwährung CHF «nur» um 6% steigern. Bereits 2007 hatten die Währungseinflüsse grosse Auswirkungen auf die Erfolgsrechnung. Nehmen Sie keine Währungsabsicherungen vor? Falls nein, wieso nicht? In der Zwischenzeit hat der USD gegenüber dem Euro und dem CHF zugelegt. Wie sieht die Situation heute aus?


Letztes Jahr verzeichneten wir einen positiven Währungseffekt bei Umsatz und Gewinn aufgrund des starken Euro. Dagegen werden wir 2008 die Dollarschwäche deutlich spüren. Es gehört zu unserer Geschäftspolitik, einen Teil der Währungsrisiken abzusichern, damit das Ergebnis eines einzelnen Jahres berechenbarer ist. Nach unserer Einschätzung wird der Dollar mittelfristig unter 1.10 Franken verharren und wiederholt hohen Schwankungen unterworfen sein. Diese Situation ist in unserem aktuellen Absicherungsansatz berücksichtigt.


Für 2008 haben Sie Ihre Erwartungen reduziert. In den vergangenen Jahren hat Hilti jedoch den Personalbestand kontinuierlich vergrössert, was höhere Kosten verursacht. Wie werden Sie diese Situation bewältigen? Durch Rationalisierungen, oderr Produktionssteigerungen?


Wir haben unsere Ressourcen in Verkauf und Entwicklung sowohl 2007 als auch im ersten Halbjahr 2008 deutlich erhöht. Dieser Ausbau ist getrieben von den Chancen in den Märkten sowie einem starken Portfolio mit innovativen Produkten und Serviceleistungen, mit denen wir den Kunden Mehrwert bringen und Marktanteile gewinnen. Natürlich ist es eine Herausforderung, den Personalbestand zu erhöhen und Produktivität in einen abschwächenden Bausektor zu bringen. Vor allem, wenn gleichzeitig die
Rohstoff- und Energiepreise steigen und dies kompensiert werden muss. Aber wir sehen Möglichkeiten, die Effizienz unserer Verkaufsorganisationen weiter zu steigern, indem wir unsere verschiedenen Verkaufskanäle noch wirksamer einsetzen, die Kundenbeziehungen intensiv pflegen und das Preismanagement im Griff haben. Allerdings wird sich unsere Personalzuwachsrate angesichts der abschwächenden Wirtschaft ebenfalls verlangsamen.


Als Bauzulieferer haben Sie den direkten Draht zur Bauwirtschaft. Bereits im März 2008 sprachen Sie von einer «Zunahme der konjunkturellen und währungspolitischen Risiken.» Wie schätzen Sie die aktuelle Lage in der Schweiz und der EU ein? Zeigen sich neue Trends in der Baubranche?


Nach mehreren starken Jahren sind wir mittlerweile mit einem abschwächenden Bausektor in Europa konfrontiert. Spanien, Grossbritannien, Irland, Dänemark und die baltischen Staaten sind Beispiele für die rasche Abkühlung, aber wir registrieren eine generell nachlassende Dynamik in Europa, inklusive der Schweiz. Ausnahmen sind die meisten Märkte in Osteuropa, speziell Südosteuropa und Russland, die weiterhin stark wachsen.


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2008 haben Sie die Mehrheitsbeteiligung an Bhukhanvala Diamond Systems Private Ltd. in Indien gekauft. In welchem Rahmen dürfte dieser Kauf zur Umsatz- und Gewinnentwicklung beitragen? Werden sie allenfalls Produktionsverlagerungen nach Indien vornehmen?


Das indische Unternehmen erzielt einen Umsatz von 15 Millionen US-Dollar und wird dementsprechend nur einen geringfügigen Effekt auf unsere Umsatzzahlen haben. Aber wir sichern uns mit dieser Akquisition den Zugang zu wichtigen Schlüsseltechnologien und bauen für die Zukunft einen Produktionsstandort in Indien auf. Der Zukauf ist eine strategische Investition und wir beabsichtigen, die Bhunkhanvala Diamond durch organisches Wachstum und Produktionsverlagerungen von vornehmlich externen Zulieferern in das Unternehmen auszubauen.


«Übernahmekandidaten prüfen wir systematisch, wobei die infrage kommenden Unternehmen eher im zweistelligen als im dreistelligen Millionenbereich angesiedelt sind. Voraussetzung für eine Akquisition ist, dass Hilti dadurch entweder Zugriff auf neue Technologien bekommt, die Marktpräsenz deutlich erhöhen kann oder die Lieferstrukturen verbessert werden.»


Im April 2008 nahmen Sie eine Anleihe über 300 Mio. CHF mit Laufzeit bis 2012 auf. Damit dürfte Hilti wieder rund 900 Mio. CHF abzüglich der Kaufkosten der Mehrheitsbeteiligung der indischen Gesellschaft an Barmitteln zur Verfügung haben. Sehen Sie sich nach weiteren Kaufkandidaten um? Falls ja, im Wachstumsmarkt Asien? 


Wir haben das Fremdkapital erhöht, um den sehr tiefen Fremdfinanzierungsgrad im Hinblick auf den Unternehmenswert zu optimieren. Wir finanzieren damit den steigenden Kapitalbedarf für das Wachstum, das Gerätemanagement, die erheblichen Investitionen in neue und erweiterte Betriebsstätten sowie das geplante Innovationszentrum hier in Schaan. Übernahmekandidaten prüfen wir systematisch, wobei die infrage kommenden Unternehmen eher im zweistelligen als im dreistelligen Millionenbereich angesiedelt sind. Voraussetzung für eine Akquisition ist, dass Hilti dadurch entweder Zugriff auf neue Technologien bekommt, die Marktpräsenz deutlich erhöhen kann oder die Lieferstrukturen verbessert werden.


Trotz des zweistelligen Wachstums weist Hilti eine positive Energiebilanz mit tieferen Verbrauchswerten von Öl, Gas und Elektrizität für 2007 auf. Wie gelang es Ihnen, «mit weniger Energie mehr zu erreichen?» Setzen Sie sich diesbezügliche Ziele?


Es gehört zu unserer unternehmerischen Verantwortung, die Auswirkungen auf die Umwelt zu erfassen und diese so weit wie möglich zu reduzieren. Hierbei beachten wir in erster Linie unsere massgeblichen Umweltindikatoren und setzen entsprechende Ziele, um z. B. die Betriebsemissionen pro produzierte Einheit oder den Treibstoffverbrauch der Fahrzeugflotte pro Verkaufsunit zu verringern.


Können Sie uns das Erfolgsrezept von Hilti erklären?


Dazu sind motivierte Mitarbeitende und eine ausgeprägte Firmenkultur notwendig. Wir sind der festen Überzeugung, dass jeder Mitarbeitende für das Unternehmen wichtig ist und bieten ihnen auf allen Unternehmensebenen langfristige Perspektiven. Hinzu kommen ein einzigartiges Direktvertriebsmodell sowie eine Unternehmensstrategie, in der die Kundenbedürfnisse, das Verständnis der Anwendungen und die Innovation im Mittelpunkt stehen. Auf lange Sicht bauen wir mit unserer konsequenten Strategie ein grossartiges Unternehmen mit einer starken Marktposition auf.


Die Namenaktien von Hilti sind nicht kotiert. Hilti PS werden eher selten gehandelt, haben jedoch trotz des negativen Marktumfeldes der vergangenen 12 Monate einen Kurssprung auf 1830.00 CHF gezeigt. Ist Hilti nicht an einem breiteren PS- oder Aktionärskreis interessiert?


Nach dem «Going Private» im Jahr 2003 hat Hilti mittlerweile sämtliche Partizipationsscheine zurückgekauft. Es gibt keinen Grund und auch keine Pläne, diesen Entscheid in absehbarer Zeit rückgängig zu machen. Trotzdem berichtet Hilti weiterhin gemäss den Rechnungslegungsstandards IFRS und bleibt dadurch transparent für die Marktteilnehmer und hält sich zugleich sämtliche Optionen für künftige Finanzierungsbedürfnisse offen.





Der Gesprächspartner
Bo Risberg (1956, Schweden) ist seit 1. Januar 2007 Vorsitzender der Konzernleitung der Hilti Aktiengesellschaft. Er liess sich in Kanada zum Maschinenbauingenieur und in der Schweiz zum Master of Business Administration ausbilden. 1999 kam Bo Risberg als Leiter der Business Unit Bohr- und Abbautechnik zu Hilti. Von 2001 bis 2006 war er als Mitglied der Konzernleitung verantwortlich für die Business Areas, für die Supply Chain mit Produktion, Beschaffung und Logistik sowie für den Bereich New Business & Technology.


Das Unternehmen
Der Hilti-Konzern mit Hauptsitz in Schaan (Liechtenstein) beliefert die Bauindustrie weltweit mit technologisch führenden Produkten, Systemen und Dienstleistungen. Sie bieten dem Profi am Bau innovative Lösungen mit überlegenem Mehrwert. Hilti beschäftigt rund 21’000 Mitarbeitende in 120 Ländern. Integrität, Mut zur Veränderung, Teamarbeit und hohes Engagement bilden das Fundament der Unternehmenskultur. 1941 als Familienunternehmen gegründet, hat sich Hilti seither zum Weltkonzern entwickelt. Seit 2000 hält der Martin-Hilti-Familien-Trust alle Aktien und seit Januar 2008 alle Partizipationsscheine der Hilti Aktiengesellschaft.

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