Börse London lockt islamische Anleger

von Gérard Al-Fil

Früher als andere westliche Bankenzentren hat sich  der Finanzplatz London auf das schnell wachsende Segment der Islamic Finance eingestellt. Die City of London («the Square Mile») beheimatet heute fünf rein islamische Banken, mehr als jeder andere Finanzplatz in Europa.


Davon profitiert auch die heimische Börse. «An der London Stock Exchange (LSE) sind heute sieben Scharia-konforme Exchange-Traded Funds (ETF) und 19 Islamic Bonds kotiert», sagt Gillian Walmsley, Produktmanagerin im Bereich Fixed Income bei der LSE.


LSE mit breiter Scharia-Produktpalette
Die 19 Islamic Bonds, auch Sukuk genannt (der arabische Plural von Sakk, was Zertifikat bedeutet) kommen auf ein Gesamtvolumen von umgerechnet 11 Mrd. Dollar. Sukuk sind Finanzierungsinstrumente mit Anleihecharakter und beteiligen Anleger an den Zahlungsüberschüssen, die ein zugrundeliegendes Finanzierungsobjekt generiert, wie beispielsweise aus Mieteinnahmen, die Immobilienobjekte abwerfen.

 

Weltweit dürften ab 2010 eine Billion Dollar islamisch angelegt werden, der Markt wächst um 15 bis 20 Prozent pro Jahr. Gillian Walmsley bewirbt die Scharia-Produkte der LSE regelmässig in der arabischen Welt, wie zuletzt an der World Islamic Banking Conference in Bahrain Anfang Dezember.


«Im Segment Alternative Investment Market (AIM) haben wir vier Scharia-konforme Unternehmen gelistet», weiss Walmsley weiter. Sowohl die amtierende Labour-Regierung als auch die oppositionellen Konservativen («Tories») unterstützen Londons Bestrebungen auf dem Weg zum führenden nicht-islamischen Finanzplatz für Scharia-Investitionen.


Luxemburg ist London auf den Fersen
Zum Vergleich: auf dem Kurszettel der Zürcher Börse SIX finden sich zwei Koran-konforme ETF und kein einziger Sukuk. Nur die Börse in Luxemburg kann einen signifikanten Anteil islamischer Wertpapiere aufweisen. Sie war 2002 der erste europäische Markt, an dem ein Sukuk kotiert wurde. An der Bourse de Luxembourg sind heute 15 Sukuk notiert. Gesamtwert: 5,5 Mrd. Dollar. Die französische Regierung prüft derzeit die rechtliche Gleichstellung von Sukuk mit konventionellen Anleihen.

 

Spart sich die Schweiz den Boom?
Trotz seiner Suche nach neuen Wachstumsfeldern, die aufgrund des Drucks auf das Bankgeheimnis in den letzten Jahren zugenommen hat, begnügt sich der Finanzplatz Schweiz in puncto Islamic Finance mit einer Zuschauerrolle. Hierzulande gibt es ein Scharia-konformes Geldhaus, die Faisal Private Bank in Genf. Die Privatbank Sarasin & Cie. baut seit Mitte 2008 ihr Angebot an Scharia-konformen Produkten und Dienstleistungen unter der Leitung von Fares Mourad stetig aus und tut dies auch öffentlich kund.

 

Flankierende politische Massnahmen aus Bern, die Schweiz für die Islamic Finance zu öffnen, existieren indes nicht. Lediglich Urs P. Roth, Chef der Schweizer Bankiervereinigung (SBVg), machte die helvetischen Geldhäuser an einem Medienseminar im Juni 2009 auf das schnell wachsende Scharia-Segment aufmerksam. 

 

Die allgemein passive Haltung der Bankenbranche muss nachdenklich stimmen, weil der SBVg im Verein mit dem Versicherungsverband SVV und dem Fonds-Verband SFA Ende 2007 das Ziel ausgerufen hat, die Schweiz bis 2015 zu den drei führenden Finanzzentren der Welt ausbauen zu wollen. 

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