CH/IV-Revision: Nationalrat lehnt Quotenregelung ab

Schon beim Eintreten am Vortag hatte die Linke klar gemacht, dass zur Integration der Behinderten auch die Arbeitgeber in die Pflicht genommen werden müssten. Gegen Ende einer langwierigen Debatte, in der es sonst mehrheitlich um ein «Feintuning» ging, musste der Rat nun Farbe bekennen.


Eingliederung vor Rente
Ohne Quoten bleibe der Grundsatz «Eingliederung vor Rente» toter Buchstabe, sagte der Grüne Hugo Fasel (FR). Alle Früherkennung und Frühintervention sei nutzlos, wenn es für die Behinderten keine Arbeitsplätze gebe. Von der Quote machten die Grünen sogar ihre Zustimmung zur ganzen Revision abhängig. Den Bund und seine Unternehmen wollte die von Fasel angeführte links-grüne Kommissionsminderheit verpflichten, zu mindestens 4 Prozent Personen zu beschäftigen, die Eingliederungsmassnahmen durchlaufen haben oder eine IV-Teilrente beziehen. Die grosse Kammer lehnte dies mit 109 zu 63 Stimmen ab.


1 Prozent Behinderte beschäftigen
Mit einer zweiten Minderheit verlangte Christine Goll (SP/ZH) von allen Unternehmen mit 100 und mehr Angestellten, sie müssten mindestens 1 Prozent Behinderte beschäftigen. Pro nicht korrekt besetzte Stelle hätte eine Busse von einer IV-Jahresrente (17’000 CHF) gedroht. Mit dem selben Resultat legte der Rat auch hier sein Veto ein.


Vordergründig grosszügig
Die Quoten seien nur vordergründig grosszügig, doppelte Sozialminister Pascal Couchepin nach. Vollständig normal arbeitende Leute würden zu «Quoten-Behinderten», was diskriminierend sei. Bei der Beschäftigung Behinderter stehe die Schweiz im Übrigen nicht schlecht da. Der Bund strenge sich auch ohne gesetzlichen Druck an. Nur einmal folgte der Rat bisher nicht der Mehrheit seiner Kommission. Gegen deren Streichungsantrag beschloss er mit 102 zu 76 Stimmen, dass ein IV-Arzt zur Früherfassung ohne Ermächtigung des Versicherten bei den behandelnden Ärzten Auskünfte einholen kann und diese Ärzte von der Schweigepflicht entbunden sind.


Umkehr der Beweislast
Grundsätzlich unbestritten war, dass die Betroffenen aktiv an allen «zumutbaren» Massnahmen zur Erhaltung ihres Arbeitsplatzes oder der Eingliederung teilnehmen müssen. Als nicht zumutbar gilt nur, was dem Gesundheitszustand nicht angemessen ist. Gleichsam mit der Umkehr der Beweislast wird so der Druck auf die Versicherten erhöht. Unter die Eingliederungsmassnahmen wollte die SVP ohne Erfolg auch Risikobeiträge für die Betriebe aufnehmen. Ihrer Ansicht nach werden vor allem KMU und ihre Mitarbeitenden bestraft, wenn sie wegen behinderter oder von Invalidität bedrohter Kollegen höhere Prämien für Taggeldversicherung und Zweite Säule bezahlen müssen.


Spareffekt von 63 auf 30 Millionen reduziert
Von der Krankenversicherung statt von der IV bezahlt werden sollen künftig medizinische Massnahmen, die nicht der Behandlung des Leidens, sondern unmittelbar der Erwerbsfähigkeit dienen. Gegen den Willen des Bundesrates und der SVP nahm der Rat davon die Massnahmen für Junge bis zum 20. Altersjahr aus, was den Spareffekt von 63 auf 30 Millionen reduziert.


Berufliche Eingliederung
Auf Integrationsmassnahmen zur Vorbereitung auf die berufliche Eingliederung soll Anspruch haben, wer seit mindestens sechs Monaten zu mindestens 50% arbeitsunfähig ist. Relativ knapp verworfen wurde ein Antrag, diese Warte- und Beobachtungszeit auf zwei Monate zu verkürzen. Das Taggeld während der Eingliederungsmassnahmen wird wie in andern Sozialversicherungen nicht länger nach unten (heute 2’640 CHF im Monat) begrenzt. Die SVP wollte das maximale Taggeld für noch nicht Erwerbstätige unter zwanzig Jahren von 88 auf 59 CHF senken, drang damit aber nicht durch. Der Nationalrat setzt die Detailberatung am Donnerstag fort. (awp/mc/gh)

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