Claudia Bolla-Vincenz, Geschäftsführerin Swisscable: «Die nächsten Jahre werden für die TV-Kabelunternehmen grosse Veränderungen bringen»

Claudia Bolla-Vincenz, Geschäftsführerin Swisscable: «Die nächsten Jahre werden für die TV-Kabelunternehmen grosse Veränderungen bringen»

von Patrick Gunti


Moneycab: Frau Bolla-Vincenz, laut einer Umfrage nutzen bisher lediglich 10% der Schweizer Fernsehzuschauer digitales Fernsehen. Die Bereitschaft, Digital-TV zu nutzen, liegt bei 30%. Wie will Swisscable bei diesen wenig berauschenden Zahlen den schnellstmöglichen Übergang zum digitalen TV bewerkstelligen?


Claudia Bolla-Vincenz: Zwar ist die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer von digitalem Fernsehen in der Schweiz noch klein. Die Wechselbereitschaft von 30 Prozent beurteilen wir jedoch als sehr erfreulich. Dies ist ein grosses Potenzial, das es auszuschöpfen gilt. Wir sind überzeugt davon, dass digitales Fernsehen und die entsprechenden Begleitangebote heute so attraktiv sind, dass die Kunden den Mehrwert verstehen, wenn sie ihn erklärt bekommen. Darauf müssen wir TV-Kabelunternehmen uns in den nächsten 24 Monaten konzentrieren.


Welches sind die Gründe, warum die Fernsehzuschauer zu digitalem TV wechseln sollten?


Am wichtigsten sind das attraktivere Programmangebot mit mehr Wahlmöglichkeiten, die bessere Ton- und Bildqualität sowie der Gewinn an Freiheit und Unabhängigkeit. Letzteres wird durch einfach bedienbare digitale Videorecorder und elektronische Programmführer ermöglicht. Diese Angebote werden den Fernsehkonsum mittelfristig radikal verändern. Fernsehen wird zunehmend wie Surfen im Internet sein: Ich kann mir jederzeit ? also unabhängig vom Programmraster ? das anschauen, worauf ich gerade Lust habe.



«Wir empfehlen eine Übergangsphase bis 2010, während der analoge und digitale Programme im Kabel parallel verbreitet werden.»  Claudia Bolla-Vincenz


Die Schweiz soll in Zukunft in Europa eine Vorreiterrolle übernehmen. Wie präsentiert sich die Situation im europäischen Ausland heute und woher rühren die Unterschiede?


In Ländern wie zum Beispiel Frankreich, Italien, Spanien, Deutschland und Grossbritannien ist digitales Fernsehen viel stärker verbreitet als in der Schweiz. Einer der Gründe liegt darin, dass die Schweizer Kabelkunden bereits heute eine breite Programm-Palette empfangen können. Der Bedarf nach zusätzlichen Programmen ohne individuelle Wahlmöglichkeit war deshalb nicht sehr gross. Die Verbindung der neuen Nutzungsmöglichkeiten, die das digitale Fernsehen bringt, führt auch zu einem grösseren Interesse an diversen neuen Inhalten. Sicher hat es aber auch damit zu tun, dass in diesen Ländern Satelliten-TV und die terrestrische Verbreitung gegenüber Kabelfernsehen eine viel grössere Rolle spielen als in der Schweiz. Die Digitalisierung des Fernsehens findet also an verschiedenen Fronten statt und ist so breiter abgestützt. Kommt hinzu, dass die Regierungen von Ländern wie zum Beispiel Grossbritannien und Frankreich die Verbreitung von terrestrischem digitalem Fernsehen massiv fördern, zum Teil mit Gebühren- oder Steuergelder.


Wenn Ihre Überzeugungsarbeit Früchte trägt: Wie soll der Übergang zum digitalen TV in der Schweiz bewerkstelligt werden?


Wir empfehlen eine Übergangsphase bis 2010, während der analoge und digitale Programme im Kabel parallel verbreitet werden (Simulcasting). Da dies jedoch hohe Kapazität bindet und teuer ist, empfehlen wir, das Angebot an analogen Programmen bereits in dieser Übergangsphase kontinuierlich zu reduzieren und das digitale Angebot im Gleichschritt zu erhöhen. Sicher wird es aber auch nach 2010 noch ein Grundangebot an analogen Programmen geben. Zudem empfehlen wir, neue Angebote wie HDTV, digitale Videorecorder und elektronische Programmführer schnell einzuführen. 


Swisscable setzt sich für eine Grundverschlüsselung der Programme ein, was die Möglichkeit mit sich bringt, dass der Kunde nur bezahlen würde, was er auch wirklich sehen will. Der Erfolg von Pay-TV ist bisher eher bescheiden. Warum wird sich daran etwas ändern?


Hier spielen nicht nur die offensichtlichen Kundenvorteile, die Sie soeben erwähnt haben, eine Rolle. Ins Gewicht fällt auch, dass der allgemeine Trend in Richtung Pay-TV geht. Vor solchen Entwicklungen kann sich niemand verschliessen.


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Wie schätzen Sie die Konkurrenz von Swisscom oder DVB-T ein?


Die Kabelnetzbranche stand bisher bereits in Konkurrenz mit dem Satellitenangebot. Das Fernsehangebot der Swisscom ist zwar noch nicht lanciert, trotzdem beobachtet die Branche die Entwicklung aufmerksam. Sicher ist die neue Konkurrenz, sei es Swisscom oder DVB-T, eine Herausforderung für die Kabelnetzunternehmen. Da sie jedoch seit Jahren bereits in ihre Netze investiert haben und damit auch bereit sind für das digitale Fernsehen, sind sie in diesem Konkurrenzumfeld gut positioniert.


TV-Konsumenten, die mit Kabelfernsehen nicht das gewünschte Programm empfangen, behelfen sich heute noch häufig mit Satellitenfernsehen. Wie wollen Sie diesen Teil der Fernsehzuschauer von digitalem TV überzeugen?


Entscheidend scheint mir zu sein, dass genau diese Programme, die heute nur mit Satellitenfernsehen empfangbar sind, in Zukunft auch im Kabel verfügbar sein werden. Damit gibt es keinen Grund mehr, Satellitenfernsehen gegenüber Kabelfernsehen den Vorzug zu geben. Jedoch gibt es gute Gründe, dem Satellitenfernsehen, das nach dem Do-it-yourself-Prinzip funktioniert, den Rücken zu kehren. Ich denke hier vor allem an den Kundenservice, den die TV-Kabelunternehmen bieten. Zudem setzt Kabelfernsehen keine aufwändigen Installationsarbeiten voraus. Und witterungsbedingte Störungen gibt es auch nicht. Aber auch ästhetische Gründe sprechen für das Kabelfernsehen, da es keine Aussenantenne braucht.



«Einige Unternehmen werden sich sicher die Frage stellen müssen, ob sie alleine überleben können.»  Claudia Bolla-Vincenz


Der Kunde profitiert bei der Migration von Analog zu Digital von einem umfangreicheren Angebot sowie zahlreichen neuen Diensten wie HDTV, EPG oder interaktivem Fernsehen. Welche Konsequenzen hat die Digitalisierung für die rund 250 Kabelunternehmen, die Swisscable vertritt?


Wir können uns hier nichts vormachen: Die nächsten Jahre werden für die TV-Kabelunternehmen grosse Veränderungen bringen. Die Konkurrenz wird schärfer. Das Fernsehverhalten wird sich verändern. Gefragt sind hier unternehmerischer Weitblick, eine realistische Selbsteinschätzung und eine klare Positionierung.


Sind diese Unternehmen finanziell stark genug, die nötigen Investitionen zu tätigen, damit sie Kunden die neuen Dienstleistungen anbieten können?


Dies lässt sich nicht generell beantworten. Neben der Finanzkraft ist ebenso die Fähigkeit  gefragt, gesellschaftliche und technische Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und die richtigen Konsequenzen daraus zu ziehen. Einige Unternehmen werden sich sicher die Frage stellen müssen, ob sie alleine überleben können. Die meisten TV-Kabelunternehmen verfügen jedoch über eine ausgezeichnete Ausgangslage. Diese werden sie nutzen.


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Zur Person:



  • Ausbildung Schulen in Chur, Matura Typus E (1972)
  • Juristisches Studium an der Universität Zürich, lic. iur. (1977)
  • Dissertation Universität Fribourg, Dr. iur. (1978)
  • Fürsprecher- und Notariatspatent Kanton Solothurn (1979)

Anwaltstätigkeit 



  • Seit 1980 eigenes Anwaltsbüro in Bern mit Schwerpunkt Telekommunikations- und Urheberrecht
  • Geschäftsführerin Swisscable – Verband für Kommunikationsnetze
  • Geschäftsführerin DUN – Dachverband der Urheber- und Nachbarrechtsnutzer

Behördentätigkeit 



  • Mitglied Institutsrat des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum
  • Mitglied Eidgenössische Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten


Zur Organisation:
Swisscable ist der Wirtschaftsverband der Schweizer TV-Kabelnetzunternehmen. Ihm sind rund 250 privatwirtschaftlich wie auch öffentlich-rechtlich organisierte Kabelnetzbetriebe angeschlossen, die rund 2,8 Millionen Kunden und Kundinnen bedienen.

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