Emanuel Berger, Victoria Jungfrau Grand Hotel & Spa, Interlaken: «Das Geschäftsjahr 2005 wird als ein Ausnahme-Jahr in unsere Geschichte eingehen»

Emanuel Berger, Victoria Jungfrau Grand Hotel & Spa, Interlaken: «Das Geschäftsjahr 2005 wird als ein Ausnahme-Jahr in unsere Geschichte eingehen»

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Berger die erste Hälfte der Jahresrechnung 2005 des Victoria-Jungfrau war geprägt durch eine schleppende Konjunktur, Rückgang bei der Gästezahl aus den beiden grössten Ländern, Schweiz und USA, die zweite Hälfte dürfte durch den Jahrhundertregen ebenfalls ziemlich belastet werden. Wie wird das Gesamtergebnis aussehen und gibt es auch Tendenzen, die Sie positiv stimmen für das aktuelle Jahr?


Emanuel Berger: Das Geschäftsjahr 2005 wird als ein Ausnahme-Jahr in unsere Geschichte eingehen. Folgende Ereignisse haben unseren Konzern stark geprägt:



  • Der Umbau im PALACE LUZERN hat uns einerseits ein Hotel beschert, das seinesgleichen sucht, aber andererseits durch die halbjährige Bauzeit negative Spuren in der Betriebsrechnung hinterlassen hat.
  • Die Betriebe in Interlaken und Luzern hatten beide mit den Folgen des Hochwassers in der zweiten Hälfte August zu kämpfen und mussten deswegen Frequenzeinbrüche hinnehmen.
  • Mit Freude haben wir am 21. November 2005 das Hotel EDEN AU LAC in Zürich in unsere Gruppe aufgenommen. Der Erwerb dieses Prestigehotels an bester Lage in Zürich bildet eine optimale Gelegenheit zur Erweiterung unserer Dienstleistungen

Das Gesamtergebnis zeigt sich daher wie folgt: Der Gesamtbetriebserlös resultiert im Berichtsjahr auf CHF 49.7 Millionen. Das Betriebsergebnis I (Umsatz abzüglich direkte Betriebskosten) erreichte CHF 11.6 Millionen und viel mit 23.3% vom Umsatz geringer aus als im Vorjahr (26.4%). Der EBITDA stellt sich auf 14.1% ein. Die Übernachtungszahlen aus dem Inland sind in beiden Häusern in Interlaken und Luzern im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Der Schweizer Gast hat nach dem verregneten Sommer seine Herbstferien im Ausland verbracht.

Erfreulich stimmt die Tendenz, dass wir die Zimmerpreise im VICTORIA JUNGFRAU Grand Hotel & Spa halten und im PALACE LUZERN sogar erhöhen konnten. Auch im EDEN AU LAC zeichnet sich eine steigende Tendenz ab.



«Der Gast hat immer weniger Zeit. Wenn er sich dann eben Zeit für einen Aufenthalt nimmt, so will er in dieser Zeit ein Maximum dafür erleben und erhalten: dafür ist er bereit zu bezahlen.» Emanuel Berger, Victoria Jungfrau Grand Hotel & Spa, Interlaken


Das Konzernergebnis (VICTORIA-JUNGFRAU und PALACE LUZERN) wird durch den dreimonatigen Umbau des Palace und die oben genannten Faktoren ebenfalls auf die Verlustseite tendieren. Dazu haben Sie im November 2005 das Eden au Lac in Zürich gekauft. Wie wird dieser Zukauf finanziert und in welcher Grössenordnung wird der Verlust des Konzerns zu erwarten sein?


Da das Hotel EDEN AU LAC erst seit wenigen Wochen der VICTORIA-JUNGFRAU AG angehört, sind die Zahlen erst ab dem 21. November in der Betriebsrechnung integriert. In der Bilanz wurde die Neuakquisition voll konsolidiert. In der Tat hat die Akquisition des EDEN AU LAC das Ergebnis beeinflusst.


Die erwähnten Umstände haben den Gesamtbetriebserlös auf CHF 49.7 Mio. gedrückt, 6.7% tiefer als im Vorjahr. Dies entspricht einem Rückgang von CHF 3.6 Mio. Die Gruppe schliesst im Jahr 2005 mit einem Verlust von CHF 2.9 Mio. ab, im Vorjahr erreichten wir einen Gewinn von CHF 0.6 Mio.


Der Anteil der Eigenmittel in der Bilanz ging von ausgezeichneten 44% auf nach wie vor gute 36% zurück.

Im VICTORIA-JUNGFRAU und im PALACE LUZERN wurde in den letzten Jahren massiv in Zimmer-Renovation und den Neubau der Wellnessbereiche investiert. Die Produkte scheinen jetzt optimal positioniert zu sein, um aus den Investitionen einen Gewinn zu generieren. Welche Investitionen sind noch geplant und in welchem Bereich liegen die jährlichen Unterhaltskosten für die beiden Hotels?


In der Tat haben wir in zwei Jahren rund 30 Millionen Schweizerfranken investiert. Wir sind nun stolz auf unsere Angebotspalette in den Hotels in Interlaken und Luzern. Der Komfort in den Zimmern sowie die Leistungsbereitschaft weisen einen Standard auf, der seinesgleichen sucht. Die Betriebe im Berner Oberland und am Vierwaldtätersee verfügen über SPAs mit einem aussergewöhnlich exklusiven Wellness- und Therapieangebot. Zur Sicherung der Qualität haben wir uns die Dienste von E’SPA International längerfristig gesichert.


Im Moment sind in keinem unserer zwei bisherigen Hotels grössere Umbauten oder Investitionen geplant. Im EDEN AU LAC sehen wir vor, das Erdgeschoss aufzufrischen. Zudem wir ein Renovations-Konzept für das ganze Haus ausgearbeitet, das Aufschluss über die zukünftige Möglichkeiten geben soll. Im VICTORIA-JUNGFRAU und PALACE LUZERN nimmt der generelle Unterhalt seinen Lauf. Pro Jahr wenden wir total rund 2 Mio. auf, um Zimmer zu renovieren und den Unterhalt vorzunehmen.


Das EDEN AU LAC gilt als feines Businesshotel an schönster Lage in Zürich. Inwiefern ist die Übernahme vergleichbar mit derjenigen des Palace in Luzern und welche grösseren Investitionen werden Sie im Eden au Lac in den nächsten Jahren vornehmen (zum Beispiel in einen Wellnessbereich)?


Das Hotel EDEN AU LAC hat sich in der Vergangenheit als Stadthotel mit Individual- und Geschäftskundschaft sehr gut positioniert. Es passt auch von den Standards her sehr gut zu uns. Die Ansprüche in Zürich sind anders als in Interlaken oder Luzern. In der Grossstadt ist das Hotel mehr ein «Zuhause», eine Residenz zur Erholung von den Geschäften des Tages. Das Angebot der Umgebung ist gross, das Hotel dient als Refugium, wo man sich wohl fühlt. Natürlich hätten wir auch gerne im EDEN AU LAC einen Wellnessbereich, aber es fehlt ganz einfach der Platz. 


Mit der Präsenz in Interlaken, Luzern und Zürich stellt sich unweigerlich die Frage nach der weiteren Wachstumsstrategie. Wie sieht diese aus, suchen Sie die Erweiterung in Stadthotels (zum Beispiel in Genf), oder ist es eine reine Opportunitätsfrage?


Wenn es eine passende Gelegenheit gibt, sind wir nicht abgeneigt, diese zu prüfen. Wir haben jedoch mit den drei Betrieben eine klare Positionierung vorgenommen – ein zusätzlicher Betrieb müsste den gleichen Kriterien entsprechen.


Aus der Endjahresrechnung ist zu entnehmen, dass der Gast im VICTORIA-JUNGFRAU im 2005 durchschnittlich CHF 490.- pro Tag für Hotelleistungen ausgegeben hat. Wofür wird der Gast in Zukunft bereit sein, mehr zu bezahlen?


Der Gast hat immer weniger Zeit. Wenn er sich dann eben Zeit für einen Aufenthalt nimmt, so will er in dieser Zeit ein Maximum dafür erleben und erhalten: dafür ist er bereit zu bezahlen. So ist zum Beispiel in unserem Wellness-Bereich die Behandlung «TIME» speziell beliebt: hier bucht man keine fixe Massage, sondern einfach Zeit. Gemeinsam mit dem Therapeuten/in wird dann erörtert, was für eine Behandlung massgeschneidert passt und das optimale Wohlbefinden ergibt. Ich gehe davon aus, dass der Gast in Zukunft für individualisierte Leistungen bereit ist, mehr zu bezahlen.


$$PAGE$$


Nach 36 Jahren an der Spitze des VICTORIA-JUNGFRAU nähern Sie sich der Grenze zur Pensionierung. Auf Ihrer Webseite suchen Sie Ihren Nachfolger. Wer weiss, wie wenig Sie dem Zufall überlassen, kann kaum glauben, dass Ihre Nachfolge nicht schon geregelt ist. Haben Sie Ihren Wunschkandidaten nicht schon bestimmt, oder ist die Suche wirklich nötig für einen der prestigeträchtigsten Direktionsposten der Schweizer Hotellerie?


Die Stelle wurde in verschiedenen Publikationen ausgeschrieben, und das Auswahlverfahren läuft. Die Bewerbungen gehen an unsere Revisionsstelle, da uns die Diskretion sehr wichtig ist. Die Auswahl wird der Verwaltungsrat treffen. Ich glaube, es ist wichtig, dass eine Person oder ein Ehepaar mit neuen Ideen  kommt. Dabei spielt es keine Rolle, ob er meine Ansichten teilt. Der sieht die Dinge anders. Eigene Ideen werden dadurch eingebracht und ‹alte Zöpfe› abgeschnitten. Eine qualifizierte Berufsperson kann diese Dinge erkennen und hinterfragen. So wird ganz klar, wir wollen den Besten.


Nach Ihrem Rückzug als Direktor werden Sie als Delegierter des Verwaltungsrates die Führung des Gesamtkonzerns übernehmen. Wie gut werden Sie sich vom operativen Geschäft lösen können und wie interpretieren Sie Ihre neue Aufgabe, wo wollen Sie Schwerpunkte setzen?


Ich werde die Leitung der Gruppe mit den drei Häusern VICTORIA-JUNGFRAU, PALACE LUZERN und das EDEN AU LAC in Zürich weiter ausüben. Es geht dabei um die Optimierung der Zusammenarbeit, um die Betreuung und um das Coaching des Führungsteams. Die Gruppe ist ein Dach über das Ganze, aber gegen Aussen tritt jedes Haus eigenständig auf. Ich werde in Unterseen arbeiten und nicht im VICTORIA-JUNGFRAU. Der Betriebsleiter – mein Nachfolger – ist der Gastgeber im Haus. Ich werde höchstens im Hintergrund anzutreffen sein. Wie das schon jetzt im PALACE LUZERN und im EDEN AU LAC der Fall ist.


Eine Persönlichkeit wird meine Aufgabe als bisherige Betriebsleitung übernehmen, die ganz für das Haus da sein wird. Bis dahin waren die Strukturen, durch die Zusatzaufgaben der Expansion, nicht ganz ideal. Ich leitete einerseits das VICTORIA-JUNGFRAU, andererseits betreute ich auch das PALACE LUZERN und seit kurzem auch das EDEN AU LAC. Eine Entlastung war nötig.


Sie blicken auf eine lange und sehr erfolgreiche Karriere als Hotelier zurück. Zuletzt wurden Sie gerade von der European Hotel Managers Association (EHMA) als «European Hotel Manager of the Year» ausgezeichnet. Was braucht es heute aus Ihrer Sicht, um als Hotel Manager erfolgreich zu sein, und welche Qualitäten erwarten Sie von Ihrem Nachfolger?


Im Wesentlichen ist Passion, Freude an der Aufgabe als Gastgeber gefordert. Wie erwähnt wird mein Nachfolger als Direktor des VICTORIA-JUNGFRAU als ausgewiesener Gastgeber eingesetzt. Weiter soll er einen Rucksack mit Fachwissen, eine gute Ausbildung und internationale Erfahrung mitbringen. Aber er muss auch ein Teamleader sein, der es versteht, die Mitarbeitenden zu führen und zu begeistern.

Die Auszeichnungen sind immer wieder Motivation und Ansporn für unsere Mitarbeiter, für unsere Gäste Spitzenleistungen zu erbringen. Die Erwartungen unserer Gäste sollen nicht nur erfüllt, sondern auch übertroffen werden. Solche Auszeichnungen sind für uns auch die Bestätigung, dass wir mit unserem Team auf dem richtigen Weg sind.


Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen diese aus?



  • Einen ausgeprägten Sinn zur engen Zusammenarbeit aller Tourismuskreise.
  • Prosperität in der Wirtschaft, freundliche Rahmenbedingungen, die den Tourismus erleichtern und fördern.




Der Gesprächspartner
Geboren 6. Juni 1941
Bürger von Niederurnen GL und Salez SG, aufgewachsen in Niederurnen GL


Handelsdiplom SKV
Diplom Ecole Hôtelière SSH Lausanne
Unternehmer-Seminar SHV
Abschluss dipl. Hotelier-Restaurateur SHV
Stipendium
«School of Hotel Administration»
Cornell University, Ithaca NY


Praktika und Stellen
in führenden Luxushotels in der Schweiz,
England, Nordafrika und USA


seit Oktober 1970:
Direktor des Grand Hotels
VICTORIA-JUNGFRAU AG, Interlaken


seit 1986:
Delegierter des Verwaltungsrates
Grand Hotel VICTORIA-JUNGFRAU AG Interlaken,
Palace Hotel Luzern AG


Verwaltungsrat:
Hotel Widder, Zürich
Palace Hotel Luzern
Ecole Hôtelière Lausanne

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert