Francisco Fernandez, CEO Avaloq: «Grosse Innovationsschübe geschehen in Wellen. Aktuell ist eine solche Welle in vollem Gange»

Von Helmuth Fuchs

Herr Fernandez, die Vontobel will ab Sommer 2006 die Verarbeitung von Wertschriftentransaktionen für die Raiffeisenbanken auf der Avaloq Banking Plattform abwickeln. In kleinerem Umfang machen dies schon Rahn & Bodmer für zahlreiche RBA Banken und die Atag Asset Management (AAM) für einige kleine Finanzinstitute, ebenfalls mit der Avaloq Lösung. Was macht Ihre Lösung geeignet für das Aufbrechen und die Neugestaltung von Wertschöpfungsketten und Geschäftsprozessen, worin liegen die Eigenheiten des Avaloq Banking Systems?

Francisco Fernandez: Avaloq wurde von Beginn an prozessorientiert konzipiert. Dabei sind Kernfunktionalität und Prozesslogik strikte getrennt und unabhängig voneinander individualisierbar. Zudem sind über Standard-Schnittstellen Drittsysteme einfach anzubinden. Dies alles führt dazu, dass sich die Avaloq- Lösung flexibel in unterschiedliche Prozess- und Systemlandschaften einbinden lässt. Und genau das ist es, was neue Geschäftsmodelle ermöglicht, welche aus dem Aufbrechen der Wertschöpfungsketten hervorgehen. Avaloq hat dies schon mehrfach erfolgreich in die Praxis umgesetzt.

«Je komplexer ein Prozess und je wichtiger die Interaktion mit dem Kunden ist, desto ineffizienter wird Offshoring. Zudem geht mit der Auslagerung ein grosser Abgang von Know-how einher. Dieser Verlust von Know-how ist irreversibel. Aus diesen Gründen entwickeln wir ausschliesslich in der Schweiz.» Francisco Fernandez, CEO Avaloq

Die Bankenszene der Schweiz ist immer noch in einer Bereinigungsphase, wie das obige Beispiel zeigt. Geschäftsprozesse werden teilweise oder ganz ausgelagert, die Abwicklung von Transaktionen wird Partnern überlassen. In diesem Umfeld wird auch die IT immer weniger als strategische Chance und mehr als behindernder Faktor wahrgenommen. Kooperationen wie das RTC und die RBA haben zusehends Mühe, die divergierenden Anforderungen ihrer sehr unterschiedlichen Kundschaft zu erfüllen. Welche nächsten Entwicklungen sind hier zu erwarten?

Der Einsatz von IT muss eine Kernkompetenz jedes Finanzinstitutes bleiben. Allerdings bedeutet dies nicht, dass es sich selbst mit dem Softwarebau von Banksystemen oder Komponenten beschäftigen muss. Immer mehr Banken setzen von einer «Make»- auf eine «Buy»-Strategie. Die gekauften Softwaresysteme muss man sinnvoll individualisieren, miteinander verbinden, optimal in den Bankprozessen einsetzen und kostengünstig betreiben –  dies ist heute schon komplex genug. Die IT-Abteilungen der Banken werden sich vermehrt auf diese Aufgaben konzentrieren und den eigentlichen Softwarebau immer mehr spezialisierten Softwarehäusern wie Avaloq überlassen.

Kostendruck und sinkende Flexibilität bei zunehmender Komplexität der Anforderungen haben viele Banken zu einem Umdenken gezwungen. Anbieter von Standardsoftware, so auch Avaloq, haben in den letzten Jahren davon profitieren können. Zu Ihren Kunden zählen grosse Institute wie die ZKB und die Postfinance, aber auch kleine Banken wie Hottinger und die BZ Bank. Holt Sie diese Entwicklung der steigenden Kosten und Komplexität der Anforderungen nicht einfach zeitverzögert durch jeden Gewinn eines neuen Kunden ein?

Der Vorteil von Standardsoftware ist eben genau der, dass der Aufwand bei der Softwarekonstruktion nicht mit der Anzahl der Kunden steigt. Natürlich wird ein Gesamtbankensystem mit dem Sophistizierungsgrad und mit der Grösse der Kunden funktional reicher und komplexer. Das Avaloq Banking System ist durch seine extensive Individualisierbarkeit in der Lage, den Anforderungen unterschiedlichster Institute gerecht zu werden und trotzdem ein und dieselbe Software-Version für alle auszuliefern. Innert Monaten migrieren alle Kunden auf den jeweils neuesten Release. Dies ist keine Selbstverständlichkeit, sondern das Resultat mehrerer Prozessinnovationen im Releasemanagement. 

Die Schweiz ist ein überschaubarer Markt. Nach der Ablösung bestehender Systeme und der Bildung einiger neuer Kooperationen ist das Wachstum für die Anbieter von Standardsoftware nicht mehr beliebig erweiterbar. Wie sieht es mit den Wachstumschancen im Ausland aus und welche Märkte werden Sie mit Avaloq angehen?

Ich sehe noch ein grosses Potenzial in der Schweiz. Besonders bei den Kantonal-, Regional- und Raiffeisenbanken. Es wird einen weiteren Konzentrationsprozess auf einige wenige Lösungen geben. Weitere Bankinstitute und Kooperationen werden sich für den Einsatz von Standardsoftware entscheiden. Mit der Migration auf Standardsoftware ist der Auftrag des Anbieters aber noch lange nicht zu Ende. Die Finanz- sowie die IT-Branche verhalten sind sehr dynamisch. Sie durchlaufen grosse Veränderungen, die von einem Softwareanbieter rasche und bedeutende Weiterentwicklungen erfordern. Wir wachsen, um unsere Kunden noch besser und umfassender bedienen zu können.

Die Stärkung unserer Marktposition in der Schweiz hat für uns die höchste Priorität. Eine Expansion ins Ausland ist eine zusätzliche Option. 


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Regulatorische Änderungen und Neuheiten führen oft direkt zu Anpassungen bei den Anbietern von Standardsoftware und dienen als Lackmustest für die Flexibilität. Als Beispiel der letzten Zeit bietet sich das Geldwäschereigesetz (GwG) an. Welche Kosten sind hier bei der Entwicklung angefallen und können Sie alle gesetzlich notwendigen Bedürfnisse zur Bekämpfung der Geldwäscherei mit Ihrer Lösung abdecken?

Seit 20 Jahren stellt die Avaloq ihren Kunden rechtzeitig Software und Know-how zur Verfügung, um die regulatorischen Anforderungen jederzeit zu erfüllen. Die Kadenz und Komplexität sowie die damit verbundenen Kosten haben in den letzten Jahren dramatisch zugenommen. Dies ist für Finanzdienstleister ein Grund mehr, den Softwarebau einem professionellen Anbieter von Standardsoftware zu überlassen. Eine Bank kann sich dadurch auf die Einführung neuer Prozesse und die Schulung der Mitarbeitenden konzentrieren ? Aktivitäten, für welche die Regulatoren den Instituten kaum noch Zeit lassen.

Sie haben in den letzten zwei Jahren das Management von Avaloq grundlegend erneuert. Von der «alten» Crew aus den Anfangszeiten sind Ronald Strässler und Sie noch dabei. Dazu haben Sie sich mit ausgewiesenen Branchen-Grössen wie Enrico Ardielli (Swiss Life), Raymond Hofmann (McKinsey, Accenture) und Peter Sany (Novartis, IBM) umgeben. Was ist der Hintergrund für diese Neuausrichtung und wie wurden die Änderungen bei den Mitarbeitern aufgenommen?

Wir sind stolz darauf, dass die Pioniere der Avaloq immer noch bei uns sind. Sie befinden sich an denjenigen Positionen, an welchen sie den grössten Beitrag zum Erfolg leisten können. Intelligente und unternehmerisch denkende Leute haben Verständnis für die neuen Strukturen, welche wir im Zuge unseres Wachstums geschaffen haben. Es gehört zur Kultur der Avaloq, dass Teamgeist und Zielerreichung wichtige Werte darstellen. Bei uns wird der Mehrwert und nicht der Rang honoriert.

Banken prüfen teilweise Modelle, bei denen nur noch die kundenorientierten Aufgaben in der Schweiz wahrgenommen, die Prozesse aber an anderen Bankplätzen (zum Beispiel Singapur) ausgeführt werden. Dies aus finanziellen aber auch regulatorischen Gründen (Bankgeheimnis). In der IT sind Offshore (zum Beispiel Indien)- und Near-Shore-Entwicklungen (zum Beispiel Polen, Tschechien) ebenfalls im Trend. Sie entwickeln bis anhin exklusive und standhaft in der Schweiz. Wie sieht das in Zukunft aus?

Offshoring eignet sich nicht für alle Prozesse. Je komplexer ein Prozess und je wichtiger die Interaktion mit dem Kunden ist, desto ineffizienter wird Offshoring. Zudem geht mit der Auslagerung ein grosser Abgang von Know-how einher. Dieser Verlust von Know-how ist irreversibel. Aus diesen Gründen entwickeln wir ausschliesslich in der Schweiz.

Die Avaloq Mitarbeiter müssen die Bankenprozesse detailliert kennen, um die Software zur Abwicklung zu schreiben und Verbesserungen einzubringen. Bei der Implementation arbeiten Sie meistens mit Partner wie Comit und IBM zusammen. Wie stellen Sie sicher, dass das Know-How aus der Implementierung, wo ja der Praxistest stattfindet, wieder zu den Entwicklern zurückfliesst?

Unsere Entwickler und Business-Analysten haben nach wie vor genügend Interaktion mit unseren Bankenkunden. Wir erarbeiten neue Lösungen immer in Kooperation mit Spezialisten aus der Praxis und lassen sogar das Design von unseren Kunden visieren (Sign-Off), binden sie also in unseren Entwicklungsprozess ein. Zusätzlich stellen Feedback-Prozesse, das «Avaloq Deployment Programm», die «Avaloq Academy» und weitere Programme den regen Austausch mit unseren Kunden sicher.

Das Avaloq Banking System wurde vor zehn Jahren erbaut und begründete den Erfolg des Unternehmens. Was hat sich aus Ihrer Sicht bewährt und was würden Sie heuet anders machen? 

Grundsätzlich würde ich unter denselben Umständen alles wieder genauso machen. Grosse Innovationsschübe geschehen in Wellen. Aktuell ist eine solche Welle in vollem Gange. Die Dynamik der Finanzmärkte und der IT so gross, dass ein Neubeginn schwieriger und viel riskanter geworden ist. Wer in unserer Branche jetzt nicht fit ist, wird die fitten kaum einholen können, bzw. das Ziel nicht erreichen, da sich im Moment das Zielband selbst schnell entfernt.

Sie haben zwei Wünsche frei. Wie sehen diese aus?

Mit Avaloq irgendwann den Standard für Bankensysteme in Europa zu setzen und dabei gleichzeitig meine Familie glücklich machen zu können.





Francisco Fernandez

Geboren 1962
dipl. Informatik Ing.
ETH/BWI&

Seit Juli 2000: CEO Avaloq Evolution AG
Seit 1991: Mitglied der Geschäftsleitung, Architekt des Avaloq Banking System, Projektleitung in zahlreichen Einführungsprojekten von Avaloq
Seit 1989: Software Engineer bei BZ Informatik

Hobbies (neben Geschäft und Familie): Piano-Spielen (Klassik und Jazz), Reiten.

«Ich möchte eine Unternehmenskultur pflegen, in der jeder einzelne Mitarbeiter Freude daran findet, für sich und für unseren Kunden den maximalen Mehrwert zu schaffen. Denn der Kunde kauft nur Mehrwert.»


Avaloq
Firmensitz: Zürich

Etwa 170 MitarbeiterInnen
Geplantes Mitarbeiterwachstum 2005: 30 bis 40 Prozent (gegenüber dem Vorjahr)
Anteil der Mitarbeiter am Aktienkapital: 49,99 Prozent, Mehrheitsaktionär: Francisco Fernandez

Zertifizierte Beratungspartner: 140
Kundenportfolio: Über 20 Banken, davon Privatinstitute wie Julius Bär oder Sarasin und Universalbanken wie Postfinance, ZKB und Bank Linth.
Finanzierung: komplett aus Eigenmitteln.


 

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