Gasprom-Drohung stösst auf Unverständnis

Drohungen seien nicht hilfreich und dienten nicht dem Ausbau guter Energiebeziehungen, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Freitag in Berlin. Gasprom hatte angekündigt, den Gashahn nach Westen teilweise zudrehen zu wollen, falls die Expansionspläne des Unternehmens in Europa blockiert würden. Der halbstaatliche Energieriese, der in Grossbritannien Fuss fassen will, soll inzwischen auch über einen Einstieg auf dem deutschen Markt verhandeln.


Gasprom hat keine Alternative
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und mehrere Minister treffen sich am Mittwoch und Donnerstag in Tomsk mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Dabei wird auch die Energiepolitik eine wichtige Rolle spielen. Nach Expertenansicht kann sich Gasprom reduzierte Lieferungen an EU-Staaten aber nicht ernsthaft leisten. «Gasprom hat letztlich keine Alternative zur Belieferung von Westeuropa», sagte der Energiefachmann Friedemann Müller von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in einem dpa-Gespräch. Allein wegen fehlender Pipelines werde Russland in den kommenden Jahrzehnten kaum Gas auf den Alternativmärkten China und Nordamerika verkaufen können.


Gasprom will auf Kredit-Bürgschaft verzichten
Im Fall der umstrittenen Kredit-Bürgschaft des Bundes für einen Zubringer der Ostsee-Pipeline liegt noch immer keine offizielle Absage von Gasprom vor. Das sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Gasprom hatte angekündigt, auf den Kredit von Deutscher Bank und KfW über eine Milliarde Euro verzichten zu wollen. Die Bürgschaft war in den letzten Tagen der rot-grünen Bundesregierung genehmigt worden.


Die geschäftliche Engagements Schröders
Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte das Pipeline-Projekt stark gefördert und wechselte dann als Aufsichtsratschef zur Betreibergesellschaft der Ostsee-Pipeline. Von der Bürgschaft habe er nichts gewusst. FDP-Chef Guido Westerwelle kritisierte, Europa dürfe nicht erpressbar werden. «Durch die Drohung von Gasprom gegen Europa zeigt sich abermals, wie unappetitlich und fragwürdig das geschäftliche Engagement von Herrn Schröder nach dem Ausscheiden aus dem Amt des Bundeskanzlers ist», sagte er dem «Kölner Express».


Alternative Pipeline-Projekte vorantreiben
Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) mahnte zur Besonnenheit. «Ich gehe davon aus, dass die russische Seite kein Interesse daran haben kann, die langfristigen Verträge nicht einzuhalten», sagte er dem «Handelsblatt». Erst Ende März hatten die Staats- und Regierungschefs der EU sich auf einen Ausbau der Partnerschaft mit dem wichtigsten Gaslieferanten Russland ausgesprochen. Österreichs Wirtschaftsminister Martin Bartenstein machte sich jetzt für Alternativen zum russischen Gas stark. «Die Europäische Union tut gut daran, alternative Pipeline-Projekte voranzutreiben. Das ist das Gebot der Stunde», sagte er dem Berliner «Tagesspiegel».


Gasprom will in Deutschland einmarschieren
Hintergrund der Gasprom-Drohung ist der Widerstand der britischen Regierung gegen den Verkauf des grössten einheimischen Gasversorgers Centrica an den russischen Konzern. Auch in Deutschland will Gasprom offenbar aktiv werden. Das Unternehmen verhandelt nach Informationen der «Berliner Zeitung» mit dem Essener Energiekonzern RWE über Möglichkeiten, im Endkundengeschäft Fuss zu fassen. Dabei soll es um gemeinsame Projekte wie den Bau und Betrieb neuer Gaskraftwerke oder Beteiligungen an regionalen RWE-Versorgungstöchtern gehen. RWE wollte sich nicht äussern. Der Sprecher der Bundesregierung sagte, man sei über einen möglichen Markteinstieg von Gasprom nicht beunruhigt. Dies sei Sache der Wirtschaft. (awp/mc/ab)

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