Heiner Kroke, CEO Ricardo Group

Von Radovan Milanovic


Moneycab: Ricardo.ch gehört dem südafrikanischen Medienkonzern Naspers, dem die MIH Group unterstellt ist, welcher unter anderem Ricardo gehört. Inwiefern beeinflusst die Mutter die Tätigkeiten von Ricardo.ch und wie ist das Verhältnis zwischen Ricardo.ch und der Konzernspitze?


Heiner Kroke: Ricardo.ch operiert komplett eigenständig, denn Naspers überlässt die operative und strategische Führung den Gesellschaften vor Ort.


Ricardo.ch veröffentlicht als Tochter eines internationalen Konzerns keine Zahlen mit Ausnahme des Umsatzes im vergangenen Jahr von rund CHF 600 Mio. Können Sie unseren Lesern weitere Informationen geben?


Nein, leider kann ich keine weiteren Zahlen bekanntgeben.



«Ricardo.ch ist eine Plattform «von der Schweiz für die Schweiz»: Alle Mitarbeitenden arbeiten vor Ort in Zug.» Heiner Kroke, CEO Ricardo Group


Neben Ihren Aufgaben als CEO von Ricardo.ch leiten Sie auch MIH Europe. Welche Zielsetzungen unterhält MIH Europe?


Dies ist nicht ganz richtig: Ich leite die Ricardo Group, welche 5 lokale Marktplätze betreibt, namentlich in der Schweiz, in Dänemark, Norwegen, Österreich und in Griechenland. 


Im vergangenen Jahr haben renommierte Schweizer Gesellschaften die Möglichkeit, ihre Shops als Top Seller bei ricardo.ch einzustellen. Eine reine Kopie des Erfolgsmodells von eBay??


Ganz im Gegenteil: Ricardo Shops bietet ausschliesslich qualitative Neuware von durch Ricardo.ch selektierten, bekannten und sehr vertrauenswürdigen Schweizer Online-Verkäufern an. Auf Ricardo Shops finden Käufer, die viel Wert auf Bequemlichkeit und Sicherheit legen das beste Angebot.


Wieso setzen Sie den Top Sellers äusserst hohe Eintrittshürden in Form hoher Gebühren? Sie sprechen dabei von einer jährlichen Grundgebühr von «mindestens einem mittleren fünfstelligen Betrag». Wollen Sie auf diese Weise die Anzahl der Top Sellers klein halten?


Die jeweiligen Gebührenmodelle sind ganz auf unser Konzept ausgerichtet: Auf Ricardo.ch kann jeder kaufen und verkaufen, auf Ricardo Shops eben nur ausgewählte Verkäufer. Um die Qualität des Angebots und den Komfort von shops.ch sicher zu stellen, gibt es daher auch ein anderes Gebührenmodell.


Neben eBay bietet auch Amazon den Verkäufern weit kostengünstigere Shop Varianten als Ricardo.ch an, deckt jedoch ein weit grösseres Kundenpotential ab. Sind sie trotzdem zuversichtlich, diese Geschäftssparte ausbauen zu können?


Absolut. Wichtig ist, dass der Mehrwert für die Verkäufer stimmt und dies ist bei Ricardo Shops gegeben.



«Neben den von Ihnen angesprochenen ricardo shops und tradus.ch verstärken wir sehr deutlich auto.ricardo.ch ? unsere Automobilplattform, auf der heute bereits mehr als 20?000 Fahrzeuge zu finden sind»


Vor Ihrer Tätigkeit bei Ricardo.ch waren Sie CEO von Kijiji, welche eBay gehört. Mit Tradus.ch haben Sie eine äquivalente Handelsplattform geschaffen, bei der Interessenten kostenlose Inserate einstellen können. Inwiefern profitiert Ricardo.ch von diesem neuen Portal, was ist der Grund für den Unterhalt eines solchen Gratisportals? 


Tradus.ch ist das die Plattform für Gratisinserate von Ricardo.ch und stellt einen von mehreren strategischen Eckpfeilern: Ricardo.ch steht für Auktionen, Shops.ch für neue Produkte von renommierten Verkäufern und Tradus.ch für alles, was Schweizer lokal anbieten oder nachfragen. Neben den «Kaufen und Verkaufen»-Kategorien, die bei Ricardo.ch im Vordergrund stehen, finden sich hier vor allem Dienstleistungen wie Ferien, Immobilien, Jobs oder Tierinserate.


Wird Tradus.ch nicht zur Konkurrenz von Ricardo.ch?


Nicht im Kerngeschäft. Von zehn Kategorien gibt es nur bei zweien wesentliche Überschneidungen. Daher stellt tradus.ch eine sehr gute Ergänzung zu ricardo.ch dar.


Es spricht immer mehr dafür, dass eBay die Schweiz in Kürze verlassen wird. So sollen bei eBay in Bern zur Zeit nur noch weniger als 50 Mitarbeiter arbeiten. Wieso konnte sich Ihrer Meinung nach eBay in der Schweiz nicht durchsetzen?


Da müssen Sie eBay fragen. Einer der Hauptgründe für die Stärke von Ricardo.ch in der Schweiz ist sicherlich der lokale Fokus: Ricardo.ch ist eine Plattform «von der Schweiz für die Schweiz»: Alle Mitarbeitenden arbeiten vor Ort in Zug. Hier sind Marketing, Kundendienst sowie die Informatik tätig, welche die Bedürfnisse der Schweizer Kundinnen und Kunden besser erkennen und entsprechend Lösungen umsetzen können. Wer bei uns zum Beispiel den Kundendienst kontaktiert, wird in einer der sechs in der Schweiz am meisten gesprochenen Sprachen bedient, von Mitarbeitenden, welche auch in der Schweiz arbeiten und leben. Dies ist bei vielen Unternehmen heutzutage nicht mehr selbstverständlich. 


Nach einem möglichen Rückzug von eBay werden Sie Ihren Marktanteil von gegenwärtig 90% weiter erhöhen. Eine solch ausgeprägte Monopolstellung hemmt in der Regel die Innovation des Monopolisten?


?Im Gegenteil. Wir steigern die Innovationskraft: Neben den von Ihnen angesprochenen ricardo shops und tradus.ch verstärken wir sehr deutlich auto.ricardo.ch ? unsere Automobilplattform, auf der heute bereits mehr als 20?000 Fahrzeuge zu finden sind. Es ist ja auch nicht so, dass ricardo.ch ohne eBay absolut  konkurrenzlos wäre: Gerade im Automobilmarkt gibt es bereits sehr starke Anbieter und täglich entstehen irgendwo neue abhängige oder unabhängige Online-Formate. Der Online-Markt ist äusserst beweglich und sich auf bisher Erreichtem auszuruhen ist absolut nicht ratsam. 



» Der E-Commerce ist in der Schweiz noch deutlich unterentwickelt. Ich gehe davon aus, dass sich der Markt in den nächsten Jahren noch mindestens verdoppeln wird.»


Von welchen Wachstumsraten Sie in Ihrem Tätigkeitsfeld in den folgenden Jahren in der Schweiz aus?


Der E-Commerce ist in der Schweiz noch deutlich unterentwickelt. Ich gehe davon aus, dass sich der Markt in den nächsten Jahren noch mindestens verdoppeln wird.


Sie führen aus, dass sich Ricardo in Dänemark, Norwegen, Griechenland und Österreich unterschiedlich entwickeln. Dabei zeigten Sie sich nicht allzu optimistisch. Was sind die Gründe für die unterschiedliche Entwicklungen und ist Besserung in Sicht? 


Jedes Land hat seine eigenen spezifischen Gegebenheiten und eine andere Wettbewerbssituation. Deshalb ist es für uns wichtig, in jedem Land mit einem eigenständigen Team vor Ort zu sein, welches genau diese Punkte angeht und individuell auf das Land zugeschnittene Lösungen umsetzen kann. 


Welche Visionen und Zielsetzungen hat Ricardo.ch?


Wir wollen unsere Führungsrolle im Schweizer E-Commerce weiter ausbauen und den Markt weiterentwickeln.


Ricardo.ch ist ein Erfolgsmodell mit erfolgsversprechenden Zukunftsaussichten. Ohne Zweifel würde ein Public Offering in der Schweiz ein grosser Erfolg werden. Eine Win-Win Situation für MIH, als auch für Investoren. Wie stehen Sie zu diesen Überlegungen?


MIH ist nicht an einem Ausstieg bei Ricardo interessiert.





Der Gesprächspartner:
Heiner Kroke ist seit Juli 2008 CEO der ricardo  Group und verantwortlich für die Geschäfte in der Schweiz, Österreich, Deutschland, Griechenland, Norwegen und Dänemark. Neben seiner Funktion als CEO der ricardo Group verantwortet Heiner Kroke als CEO Schweiz alle Geschäfte von ricardo.ch.


Heiner Kroke ist schon seit Jahren in führenden Positionen erfolgreicher E-Commerce-Unternehmen tätig: Bei eBay.de war er unter anderem als Direktor für Corporate Development, Product Marketing und AdSales sowie für strategische Partnerschaften verantwortlich. Als Kijiji-CEO war er für den Aufbau und die Führung der Märkte in der Schweiz, in Deutschland und in Österreich zuständig.  Zuvor sammelte Heiner Kroke Führungserfahrungen bei der Boston Consulting Group (BCG) sowie bei der Bertelsmann AG. Heiner Kroke studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Karlsruhe/D (TH). Er ist verheiratet und Vater einer Tochter


Das Unternehmen:
ricardo.ch AG wurde 1999 unter dem Namen auktion24.ch in Baar (ZG) gegründet. Heute verfügt der Online-Marktplatz mit «auto.ricardo.ch» über eine eigene Fahrzeug-Plattform und mit «shops.ch» einen Bereich für neue Artikel von etablierten Schweizer Unternehmen. Im August 2009 hat ricardo.ch mit «tradus.ch» eine eigene Plattform für Gratisinserate lanciert. ricardo.ch ist mit rund 600?000 laufenden Angeboten, rund 2,5 Millionen Shop-Artikeln und über 1,7 Mio. Mitgliedern der grösste Schweizer Online-Marktplatz. ricardo.ch beschäftigt heute in der Schweiz rund 110 Mitarbeitende und hat seinen Sitz in Zug.

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