Im Fokus: Alitalia-Verkauf floppt

Jetzt steht die Regierung vor einem Scherbenhaufen, vor einer Blamage, die sich grösser kaum denken lässt: Niemand will Alitalia kaufen. Innerhalb weniger Wochen sind alle bisherigen Interessenten abgesprungen. «Das Gespenst der Pleite», titelte die Zeitung «Corriere della Sera» am Mittwoch.


Hoffen auf Air France und Lufthansa
Steht Alitalia vor dem Aus? Oder erfüllen sich jetzt doch die kühnsten Wünsche – ein Einstieg von Air France-KLM oder Lufthansa?
Die Ereignisse überschlagen sich: Am Dienstagabend erklärte die AP Holding des italienischen Geschäftsmannes Carlo Toto, zu der auch der Lufthansa-Partner Air One gehört, den Ausstieg aus dem Bieterverfahren. Man habe einfach keine echte Chance zur Sanierung gesehen, meinte das Unternehmen. Noch dramatischer wurde es am Mittwoch: Trotzig liess die Regierung erklären, noch sei ja der US-Vermögensverwalter Matlin Patterson Global Advisors im Rennen. Offenbar war die Regierung so verzweifelt, dass sie sich sich an diesen letzten Strohhalm klammerte.


Doch es dauerte nur Minuten, bis die Illusion platzte: Auch die Amerikaner winkten ab. Man könne den ins Auge gefassten Einstieg nicht fortsetzen, das Konsortium sei «nicht in der Lage, die Bedingungen zu erfüllen». Ausdrücklich fügten die Amerikaner hinzu, dies habe man bereits Ende Mai erklärt, man wolle nun nicht «instrumentalisiert werden». Schlimmer hätte es nicht kommen können, die Aktien an der Mailänder Börse fielen zeitweise um fünf Prozent.


«Angekündigtes Scheitern»
Dabei standen die Zeichen schon länger auf Sturm, schon vor Wochen war die russische Fluglinie Aeroflot ausgestiegen. Begründung: Die Regierung habe nicht alle Zahlen auf den Tisch gelegt, man könne sich kein echtes Bild über die Misere machen. «Angekündigtes Scheitern», meinte ein Kommentator am Mittwoch. Eine Fluglinie, die täglich fast 1,4 Millionen Euro Verlust einfliegt, ist nicht so einfach zu verkaufen – selbst wenn Papst Benedikt XVI. regelmässiger Gast ist.


Routen als grösstes Pfand
Die Lage ist verzweifelt: Mit jährlich 12,8 Millionen Passagieren steht Alitalia bei den internationalen Flügen weltweit auf Rang zehn (Lufthansa: 35,7 Millionen, ohne Inlandsflüge). Doch neben chronischen Verlusten gilt auch die Flotte (180 Maschinen) als veraltet und wenig attraktiv. Hinzu kommen die ewigen Streiks der über 20’000 Mitarbeiter. Doch was verlocken könnte, sind die rund 100 Routen, die Alitalia fliegt, – darunter potenziell lukrative Strecken in Europa, nach Nord- und Lateinamerika sowie nach Asien.


Und nun? In italienischen Medien blühen die Spekulationen. Immer wieder tauchen die Namen der beiden «Wunschpartner» Air-France- KLM und Lufthansa auf. Zwar haben beide Linien in den vergangenen Monaten immer wieder alle Berichte über eine Übernahme ins Reich der Spekulation verwiesen. Doch in Rom herrscht derzeit das «Prinzip Hoffnung». Möglicherweise hätten sich die Franzosen und die Deutschen bislang nur aus taktischen Gründen zurückgehalten. Etwa, damit der Preis von Alitalia weiter falle. Da das Bieterverfahren gescheitert sei, könnte die römische Regierung nunmehr zu einer anderen Variante greifen – «direkte Verhandlungen mit potenziellen Käufern», meint die Zeitung «La Repubblica». (awp/mc/pg)

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