Josef Fehr, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Liechtensteinischen Landesbank

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Dr. Fehr, wer die Entwicklung der weltweiten Finanzkrise mitverfolgt, kann sich nicht vorstellen, dass der Spassfaktor bei Ihrer Arbeit zur Zeit gross ist. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für diese fundamentale Vertrauenskrise und wie kann ein noch grösserer Schaden für die Volkswirtschaft abgewendet werden?


Dr. Josef Fehr: Ausgangspunkt der Finanzkrise ist der Preiszerfall im US-Häusermarkt, der den Wert der darauf abgestützten Schuldverschreibungen einbrechen liess und damit zahlreiche Banken zu einem enormen Abschreibungsbedarf zwang. Die Eröffnung des Gläubigerschutz-Verfahrens von Lehman Brothers hat eine Kettenreaktion ausgelöst und die Finanzkrise in eine neue Umlaufbahn katapultiert. Denn das Bankensystem ist international verwoben. Die Beziehungen sind vielfältig, Institute sind über Anleihen, Interbankdarlehen, Garantiezusagen, derivative Finanzprodukte und andere Verpflichtungen miteinander verwoben. Mit der Eröffnung des Gläubigerschutz-Verfahrens von Lehman Brothers ist eine Risikoart in den Vordergrund getreten, über die in den letzten Jahren nur selten gesprochen wurde – das Gegenparteienrisiko. Als Folge davon greifen Verunsicherung und Angst um sich. Der Schlüssel für eine nachhaltige Beruhigung der gegenwärtigen Situation ist die Stabilisierung der Finanzmärkte. Die drastischen Massnahmen, die in verschiedenen Ländern ergriffen wurden, sind ein wichtiger Schritt zur Zurückgewinnung des Vertrauens. 



«Die LLB-Gruppe rechnet auch für das zweite Halbjahr 2008 mit einem anhaltend schwierigen Umfeld. Angesichts der volatilen Märkte ist eine Prognose äusserst schwierig.» Dr. Josef Fehr, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Liechtensteinischen Landesbank (LLB)


In der Schweiz verzeichnen die Raiffeisen, die Kantonal- und die lokal orientierten Privatbanken durch den Vertrauensverlust der Kunden in die Grossbanken einen unerwarteten Zufluss von neuen Anlagegelder. Wie wirkt sich die Finanzkrise für die LLB aus und bis zu welcher Höhe sind die Anlagen Ihrer Kunden garantiert geschützt?


In der aktuellen Situation ist die Bonität von Banken ein zentrales Thema. Die Bonität der Liechtensteinischen Landesbank ist ausgezeichnet: Die Liechtensteinische Landesbank ist das traditionsreichste Finanzinstitut in Liechtenstein. In ihrer nahezu 150-jährigen Geschichte sind deshalb Stabilität, Sicherheit und Kontinuität zentrale Werte. Die Liechtensteinische Landesbank verfügt über eine Staatsgarantie auf Spareinlagen und Kassenobligationen. Mit dem Land Liechtenstein verfügt die Landesbank über einen stabilen Mehrheitsaktionär. Das Land hält einen Anteil von 57.5 Prozent und verfügt über ein AAA-Rating von Standard & Poors.


Die Eigenkapitalausstattung der Liechtensteinischen Landesbank ist sehr solide. Das Eigenkapital, das den Aktionären der LLB AG zusteht, beträgt per 30. Juni 2008 CHF 1.55 Mia. Der «Leverage Ratio», eine Kennzahl, welche aufgrund der Kreditkrise von Aufsichtsbehörden zur Beurteilung der Sicherheit voraussichtlich neu aufgenommen wird, man spricht von einem Minimum von rund 4 Prozent, beträgt bei der LLB-Gruppe 7.4 Prozent. Der Tier 1 Ratio beträgt 13.9 Prozent (gesetzliches Minimum 8 Prozent). Zudem ist die LLB dem Einlagensicherungssystem Liechtensteins angeschlossen, welches mit dem schweizerischen vergleichbar ist.


Im letzten Halbjahr sanken die Kundenvermögen der LLB von 60 Milliarden auf 54.8 Milliarden Franken. Wie sieht die Entwicklung aktuell aus?


Die Kundenvermögen betrugen per 30. Juni 2008 CHF 54.8 Mia., sie nahmen gegenüber Ende 2007 (CHF 60.0 Mia.) um 8.7 Prozent ab. Diese Entwicklung ist insbesondere die Folge der schwachen Performance der Finanzmärkte. Die Turbulenzen an den Finanzmärkten waren vor allem bei den Vermögen in eigenverwalteten Fonds (-13.7 % auf CHF 3.7 Mia.) und den Vermögen mit Verwaltungsmandat (-12.3 % auf CHF 9.4 Mia.) zu spüren. Dank der konsequenten Umsetzung der Wachstumsstrategie flossen der LLB-Gruppe im ersten Halbjahr 2008 Netto-Neugelder in der Höhe von CHF 353.0 Mio. (+0.6 %) zu.


Im ersten Halbjahr waren die Marktbedingungen durch die Finanzmarktkrise schon schwierig, zusätzlich belastete die Steueraffäre in Deutschland das Geschäft in Liechtenstein. Was erwarten Sie für das Ergebnis der LLB im zweiten Halbjahr mit der aktuellen, teilweise dramatischen, Entwicklung?


Die LLB-Gruppe rechnet auch für das zweite Halbjahr 2008 mit einem anhaltend schwierigen Umfeld. Angesichts der volatilen Märkte ist eine Prognose äusserst schwierig. Aufgrund der durch die LLB gewählten Verbuchung des Erfolgs aus den Finanzanlagen und des Anteils am Erfolg an assoziierten Unternehmen über die Erfolgsrechnung wird unser Jahresergebnis stark durch die Entwicklung der Finanzmärkte beeinflusst. Wir setzen unsere Wachstumsstrategie weiterhin konsequent um und konzentrieren uns auf die Erreichung unserer mittelfristigen Ziele.


In Krisenzeiten werden die Rufe nach mehr Regulierung der Finanzindustrie laut. Liechtenstein hat sich in den letzten Jahren vom regulatorischen Kellerkind in die Nähe des Klassenprimus entwickelt (neues Geldwäschereigesetz, Gesetz zur Sorgfaltspflicht). Erwarten Sie weitere Verschärfungen und wie würden sich diese auf den Finanzplatz Liechtenstein auswirken?


Die drastischen Massnahmen, die verschiedene Staaten zur Beilegung der Finanzkrise ergriffen haben, weisen den Weg zu weiteren Verschärfungen und Regulierungen.


Da Deutschland auch ohne direkte Präsenz der LLB einer der wichtigsten Märkte für Sie ist, wird auch der Einfluss der Steueraffäre für die LLB signifikant sein. Wie sehr belastet die Affäre das diesjährige Geschäft und wie ist der momentane Stand der Entwicklung?


Die durch die deutsche Steueraffäre ausgelösten Diskussionen rund um den Finanzplatz Liechtenstein, die Erpressung gegenüber der LLB und die angespannte Marktlage haben sich im ersten Semester 2008 auf die bislang starke Entwicklung der Netto-Neugelder im internationalen Private Banking ausgewirkt. Die LLB-Gruppe rechnet auch für das zweite Halbjahr 2008 mit einem anhaltend schwierigen Umfeld.


Mit der LLB haben Sie eine klare Wachstumsstrategie definiert. Wie sehen innerhalb dieser Strategie die konkreten Ziele für Messgrössen wie Netto-Neugeld-Zufluss, Cost-Income-Ratio, Return on Equity und Tier 1 Ratio mittel- bis langfristig aus?


Wir halten an unseren mittelfristigen Zielen einer Eigenkapitalrendite von mindestens 15 Prozent, einer Tier Ratio von 12 Prozent und einem Netto-Neugeld-Zufluss von mindestens 3 Prozent p. a. fest. Bezüglich der Cost-Income-Ratio wollen wir im Branchenvergleich eine Spitzenposition einnehmen.


Eine konkrete Auswirkung der Wachstumsstrategie ist zum Beispiel die Eröffnung einer Repräsentanz in Dubai, nachdem die LLB in Abu Dhabi seit 2005 vertreten ist. Welche strategische Bedeutung messen Sie Dubai bei und welche konkreten Zielvorgaben hat die Repräsentanz für die ersten drei Jahre?


Die erforderlichen Lizenzen und Eintragungen für die Repräsentanz in Dubai liegen vor. Die offizielle Eröffnung ist am 26. November 2008. Der Standort Dubai wird zusammen mit der seit Anfang Oktober 2005 bestehenden, sehr erfolgreichen Repräsentanz in Abu Dhabi für die Kunden in dieser Region von zentraler Bedeutung sein. Einerseits baut die LLB-Gruppe damit ihre Geschäftstätigkeit im Nahen und Mittleren Osten aus, andererseits ist Dubai ein bedeutender Ausgangspunkt, um den asiatischen Raum – insbesondere Indien – noch besser mit ihren Dienstleistungen zu bedienen.

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Wachstum im Nahen und Mittleren Osten heisst auch Bankgeschäft in einer völlig anderen Kultur. Wie stark beeinflusst das Ihr Angebot, zum Beispiel in Richtung Scharia-konformer Finanzprodukte, woher holen Sie sich das Wissen im Umgang mit den neuen Produkten und werden Anlageformen in diesen Märkten auch für die Kunden in Liechtenstein interessant?


Das islamische Recht verbietet es gläubigen Moslems, Zinsen für ihr Vermögen zu verlangen. Investitionen in Geschäftsbereiche, die gegen diese Gesetzesbestimmungen verstossen, sind ebenfalls untersagt. Über unsere Repräsentanz in Abu Dhabi, welche mehrheitlich lokale Mitarbeitende beschäftigt, bieten wir deshalb unseren Kunden massgeschneiderte Produkte an, welche in Übereinstimmung mit den Scharia-Richtlinien stehen.



«Die im ersten Semester 2008 erreichte Cost-Income-Ratio von 58.6 Prozent betrachten wir aufgrund der von uns gewählten Verbuchung der Finanzanlagen über die Erfolgsrechnung als Ausreisser. Sie liegt eindeutig über unserem Ziel, im Branchenvergleich eine Spitzenposition einzunehmen.»


Wie sehen Sie innerhalb Ihrer Wachstumsstrategie in Zukunft die Entwicklung der Anteile des Geschäftes in Liechtenstein prozentual zu den Auslandaktivitäten und in welche Länder werden Sie als nächstes expandieren?


Die nächsten, wesentlichen Massnahmen im Rahmen unserer Wachstumsstrategie sind bereits aufgegleist: Der Markt für die private und betriebliche Vorsorge in Liechtenstein bietet attraktive Wachstumschancen. Wir wollen dieses Potenzial nutzen und unsere Position ausbauen. Im dritten Quartal 2008 planen wir deshalb, uns zu 48 Prozent an der Elips Life SE – einer neuen Lebensversicherungsgesellschaft – zu beteiligen. Die Elips Life SE wird sich auf das Kollektiv-Leben-Geschäft für Unternehmen sowie das Kollektiv-Einzel-Leben-Geschäft für Privatpersonen konzentrieren. Die LLB und Swiss Re fungieren als Hauptaktionäre.


Mit der Mehrheitsbeteiligung an der Bank Linth verfolgten wir das Ziel, neben dem Privat- und Firmenkundengeschäft, das Private Banking der grössten Regionalbank der Ostschweiz auszubauen. Im Private Banking haben wir in den ersten sechs Monaten 2008 gute Ergebnisse erzielt, die sich auch im erfreulichen Neugeld-Zufluss widerspiegeln. Diese ersten Erfolge der Zusammenarbeit wollen wir ausbauen. Die Bank Linth eröffnet im vierten Quartal einen neuen Standort in Meilen, der sich schwerpunktmässig der Beratung von Private-Banking-Kunden widmen wird.


Die offizielle Eröffnung unserer Repräsentanz in Dubai ist am 26. November 2008. Neben diesem Projekt konzentrierten wir uns während der letzten Monate in den neuen Märkten darauf, die eingeschlagene Wachstumsstrategie konsequent fortzusetzen. In diesem Zusammenhang prüfen wir derzeit verschiedene Projekte.


Zusammen mit der Swiss Re ist die LLB der Hauptaktionär an der neu gegründeten Lebensversicherungsgesellschaft Elips Life SE für die betriebliche und private Vorsorge. Werden diese Produkte nur in Liechtenstein oder in allen Ländern, in denen Sie tätig sind, angeboten werden?


Die Elips Life SE wird sich auf das Kollektiv-Leben-Geschäft für Unternehmen sowie das Kollektiv-Einzel-Leben-Geschäft für Privatpersonen konzentrieren (Stichwort Workside Marketing). Die Elips Life SE beruht auf einer Netzwerkstrategie, welche es durch die beteiligten Parteien ermöglicht, Gesamtkonzept und -lösungen anzubieten. Sie konzentriert sich auf die Rückdeckung der Risiken Tod und Invalidität. Neben dem CH- und FL-Markt wird auch auf dem europäischen Markt Potenzial gesehen. Deshalb wurde eine Lebensversicherungsgesellschaft nach liechtensteinischem Recht gewählt.


Die Cost-Income-Ratio ist im letzten Halbjahr durch die Investitionen in die Wachstumsstrategie auf 58.6 Prozent gestiegen (Vorjahresperiode 45.6 Prozent). Wie stark wird dieser Anstieg durch die geplante Einführung des neuen Avaloq-Bankensystems verursacht?


Die im ersten Semester 2008 erreichte Cost-Income-Ratio von 58.6 Prozent betrachten wir aufgrund der von uns gewählten Verbuchung der Finanzanlagen über die Erfolgsrechnung als Ausreisser. Sie liegt eindeutig über unserem Ziel, im Branchenvergleich eine Spitzenposition einzunehmen. Nach der Implementation von Avaloq rechnen wir mit IT-Kosten in der heutigen Grössenordnung. Wir erwarten derzeit keine Auswirkungen des Projekts auf die Cost Income-Ratio.


Als Starttermin für die neue Lösung haben Sie sich den 01.01.2011 gesetzt. Wie weit sind Sie heute im Projekt, stimmt der Fahrplan noch und welche externe Unterstützung haben Sie in dem Projekt?


Anfangs Juli haben wir mitgeteilt, dass wir die Einführung der Kernbankenlösung Avaloq auf den 1. Januar 2011 planen. Wir sind im Zeitplan. Als Implementierungspartner unterstützt uns Monex.






Der Gesprächspartner:

Dr. Josef Fehr, 17. Juli 1957, verheiratet, drei Kinder
Vorsitzender der Gruppen- und Geschäftsleitung der Liechtensteinischn Landesbank AG, Vaduz

Vorstandsmitglied des Liechtensteinischen Bankenverbandes und der Liechtensteinischen Industrie-und Handelskammer

Berufliche Stationen:
– 1986 – 1992 Rechtskonsulent
– 1992 – 1998 Ressortleiter Handel
– 1998 – 2000 Ressortleiter Privatkunden
– seit 1992 Mitglied der Geschäftsleitung
– seit 2000 Vorsitzender der Geschäftsleitung

Ausbildung:
1981 Lizenziat der Rechtswissenschaften an der Universität Fribourg
1984 Promotion in Recht
1993 – 1995 Swiss Banking School


Das Unternehmen:
Die Liechtensteinische Landesbank AG (LLB) ist das traditionsreichste Finanzinstitut im Fürstentum Liechtenstein. Mehrheitsaktionär ist das Land Liechtenstein. Die Aktien sind an der SIX Swiss Exchange kotiert (Symbol: LLB). Die LLB-Gruppe bietet ihren Kunden umfassende Dienstleistungen im Wealth Management an: als Universalbank, im Private Banking, Asset Management sowie bei Fund Services und Trust Services. Mit 965 Mitarbeitenden ist sie in Liechtenstein, in der Schweiz, auf den Cayman Islands, in den Vereinigten Arabischen Emiraten (Abu Dhabi und Dubai) und in Hongkkong präsent. Per 30. Juni 2008 verwaltete die LLB-Gruppe ein Kundenvermögen von CHF 54.8 Milliarden.

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