Josy Kraft: «Die Retrospektive von Christo und Jeanne-Claude in Lugano ist einmalig»

Andreas Schiendorfer, Redaktion emagazine

Herr Kraft, wie sind Sie eigentlich als Schweizer zu Christo und Jeanne-Claude gestossen?

Josy Kraft: Ich arbeite seit 1972 im so genannten Kunstausstellungs-Logistikbeereich. Ich bin da gewissermassen hineingerutscht mit der documenta 5 mit Harald Szeemann. Habe erfahren, dass Christo und Jeanne-Claude eine Dokumentationsausstellung ? eine Wanderausstellung – planen in Europa. Ich bin dann nach New York geflogen, habe bei denen angeklopft und gefragt: «Darf ich?» In seiner typischen Art sagte Christo: «Oui,oui,oui.» Doch Jeanne-Claude bremste: «Moment mal, was hast Du bis jetzt gemacht?» Ja, was hatte ich gemacht, gerade mal mit Harald Szeemann für eine Ausstellung gearbeitet – nicht wissend, dass die drei – zum Glück für mich ? sehr eng befreundet waren. Jeanne-Claude hat noch in der gleichen Nacht den Harry angerufen, und dieser sagte ihr: «Ja, doch, mit dem könnt Ihrs machen.» Und so hat das Ganze angefangen.


Können Sie uns ganz kurz schildern, wie die Zusammenarbeit konkret abläuft?

Ein Museum, eine Institution frägt an für eine Ausstellung. Ich gehe dann in der Regel diese Institution, dieses Museum, diese Kunsthalle besuchen, wenn ich sie nicht schon kenne, schaue mir die Räume an, bespreche mit dem Direktor, was er sich eigentlich vorstellt. In den meisten Fällen kann ich dann bereits sagen, ist es möglich oder nicht. Danach werden Daten festgelegt, und ich setze mich mit Christo und Jeanne-Claude zusammen, um darüber zu diskutieren, was für eine Ausstellung es sein wird. Ist es eine Dokumentationsausstellung, ist es eine Ausstellung, die wir aus den Beständen, die bei mir in Basel lagern, bestücken. Oder ist es eine, für die wir Sammler oder Museen anfragen für zusätzliche Leihgaben.


Und dann entsteht das Konzept. Partnerschaftlich? Ist es so, dass Christo und Jeanne-Claude sagen: «Das und das müssen Sie machen.» Oder können Sie umgekehrt einen Vorschlag vorlegen?

Ich mache einen Vorschlag, und entweder sind sie mit diesem einverstanden, oder wir diskutieren aus, bis wir wissen, was jetzt besser ist. Wenn über das Thema der Ausstellung und die Auswahl der Werke entschieden ist, wird über das Layout diskutiert. Das Layout selbst macht dann aber Christo immer ganz alleine.  Er zeichnet es auf «Blueprints», wie er das nennt. Da hat er ganz klare Vorstellungen. Und auch diese Ausstellung ist absolut nach seinen Vorgaben gemacht worden.


Christo und Jeanne-Claude


Wir stehen hier im Museumspavillon der Credit Suisse in Zürich. Was können Sie zu dieser Ausstellung sagen? Hat es Spass gemacht, diese zu konzipieren?

Es macht natürlich immer Spass, wenn Sie eine Hülle bekommen und diese bespielen können. Wenn Sie die Architektur nach Ihren eigenen Vorstellungen machen können. Und das war das Tollste an dieser Ausstellung. Diese Möglichkeit hat man in keinem Museum. In einer solchen Halle ohne fixe Wände kann man alles so einzeichnen, wie man will. Dadurch kann man den Ablauf einer Ausstellung viel spannender gestalten, als wenn einem fixe Wände mit fixen Räumen vorgegeben sind.


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Diese Ausstellung ist mittlerweile abgelaufen, aber in Lugano läuft eine zweite Ausstellung noch bis zum 16. Juni. Lohnt es sich, sie anzuschauen? Was bekommt man in Lugano zu sehen?

Die Ausstellung in Lugano zeigt eigentlich die Entwicklung vom Object, das Christo verhüllt hat, das Package, das er macht, bis hin zu den Grossprojekten. Das letzte Projekt ist wie hier in Zürich «The Gates» und dazu das Work in Progress «Over the River». Es werden aber auch andere wichtige Projekte vorgestellt wie «Valley Curtain», «Running Fence», «Pont Neuf», «Surrounded Islands», «Reichstag», «The Wrapped Trees» in Basel, letztlich also die Hauptprojekte der letzten vierzig Jahre.


Ist es etwas Besonderes, dass man eine Art Gesamtüberblick über das Werk von Christo und Jeanne-Claude erhält?

Es ist dies insofern etwas Besonderes, als Christo und Jeanne-Claude bis jetzt jegliche Art von Retrospektiven abgelehnt haben, weil das nichts sei für lebende Künstler. Ein einziges Mal gabe es 1990 in Australien eine ähnliche Ausstellung wie jetzt in Lugano. Christo hat damals dem Wunsche eines Freundes, John Kaldor, nachgegeben und ebenfalls eine solche Miniretrospektive realisiert. Ich war sehr überrascht und habe gefragt, warum sie das machen. Und Christo antwortete: «Australien ist so weit weg, das sieht sowieso niemand…»


Zwei Ausstellungen in der Schweiz: Muss nun die ganze Welt nach Zürich und Lugano reisen, um Christo und Jeanne-Claude zu sehen, oder sind noch weitere Projekte geplant in nächster Zeit?

Wir werden am 18. Juli die Ausstellung Pont Neuf, Paris, 1975-1985 eröffnen ? in Rostock. Die gleiche Ausstellung wird dann im Oktober in Prag gezeigt. Beide Male verbunden mit «Over the River». Wir sind zudem in Verhandlungen mit Südafrika ? Durban, Kapstadt und Johannisburg ? für Frühjahr 2007. Es wird wieder eine Dokumentationsausstellung sein. Und es ist – ebenfalls für 2007- eine Ausstellung in Sao Paolo und Rio geplant.


Herzlichen Dank, Herr Kraft, für dieses Gespräch.












Video: Christo und Jeanne-Claude in Zürich
Die Macher hinter Christo und Jeanne-Claude
Christo und Jeanne-Claude im Museo d’Arte Moderna, Lugano








Dieser Artikel wurde Moneycab freundlicherweise von der Redaktion Emagazine zur Verfügung gestellt. www.emagazine.ch

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