Jürgen B. Steinemann, CEO Barry Callebaut

Interview von Bob Buchheit


Moneycab: Herrn Steinemann, 11,3% Mengenwachstum im dritten Quartal, kontinuierliche Marktanteilsgewinne sowie eine über 20%ige Volumensteigerung gerade bei den hochpreisigen Gourmet- und Spezialitätenprodukten: Kennt Barry Callebaut nur die Schokoladenseite der Betriebswirtschaft?


Jürgen B. Steinemann: Wir sind sehr erfreut darüber, wie wir bisher die schlimmste Weltwirtschaftskrise seit den 1930er Jahren gemeistert haben und dass wir in einem sehr anspruchsvollen Markt unser Wachstum stets aufrechterhalten und in diesem Jahr jedes Quartal weiter steigern konnten. Dahinter stecken einige strategisch wichtige und richtige Entscheidungen – wie unsere frühzeitige geografische Expansion in Wachstumsmärkte und Schwellenländer, unser verstärkter Fokus auf das Gourmet-Geschäft, eine Anzahl bedeutender Outsourcing-Verträge  – sowie, auf der Kostenseite, ein straffes Kostensenkungsprogramm, das schon im Februar 2008 eingeleitet wurde. 



«Um die Nachhaltigkeit des Kakaosektors langfristig zu stärken, unterhalten wir mehrere Programme mit Kakaobauern oder mit Kooperativen in Afrika, zum Beispiel unser Projekt «Partenaire de Qualité» in der Elfenbeinküste, dem sich mittlerweile über 45 Kooperativen mit 42’000 Bauern angeschlossen haben.» Jürgen B. Steinemann, CEO von Barry Callebaut.


Wie wird das Weihnachtsgeschäft werden?


Die Visibilität ist allgemein sehr gering, was sich etwa auch darin zeigt, dass unsere Kunden ihre Bestellungen weiterhin sehr kurzfristig aufgeben. Es herrscht immer noch Unsicherheit in Bezug auf die Nachhaltigkeit der bisherigen konjunkturellen Erholung. Wir sind aber vorsichtig optimistisch, gerade auch weil verschiedene Schwellenländer deutlich an Schwung gewonnen haben.


Tut sich für Sie noch etwas Wesentliches im Problemkontinent Afrika?


Afrika hat gerade erfolgreich eine Fussball-Weltmeisterschaft ausgerichtet und alle eines Besseren belehrt, die in Afrika nur Probleme sehen. Übrigens: Auch Europa ist ein «Problemkontinent», wenn Sie so wollen – schauen Sie sich einmal die aktuellen Herausforderungen an, vor denen viele europäische Staaten stehen. Ich persönlich habe eine grosse Leidenschaft für Afrika. Für uns als Schokoladenhersteller stammen rund zwei Drittel der Welt-Kakaoernte aus Westafrika, und wir haben mehrere bedeutende Kakaofabriken in dieser Region. Um die Nachhaltigkeit des Kakaosektors langfristig zu stärken, unterhalten wir mehrere Programme mit Kakaobauern oder mit Kooperativen in Afrika, zum Beispiel unser Projekt «Partenaire de Qualité» in der Elfenbeinküste, dem sich mittlerweile über 45 Kooperativen mit 42’000 Bauern angeschlossen haben. Ziele dieses Programms sind die Steigerung des Ernteertrags, Schutz der Natur, eine bessere Qualität sowie eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Kakaobauern und ihrer Familien.&



«Ich habe aus ethischen Überlegungen persönlich generell Mühe mit Spekulation in Agrar-Rohstoffen. Aber in einer freien Marktwirtschaft werden wir mit ihnen leben müssen.» 


Wir haben Gourmet & Spezialitäten, eine Ihrer vier Produktgruppen, bereits angesprochen. Wo könnte in dieser Produktgruppe der langfristige Anteil am Gesamtumsatz zu liegen kommen? Jetzt liegt er bei 12,8% Ihrer knapp 5 Milliarden Franken Umsatzes.


Wir haben in diesem Geschäftsjahr deutlich mehr Gewicht auf die Entwicklung des Bereichs Gourmet & Spezialitäten gelegt; auch unsere jüngsten Akquisitionen galten diesem Bereich. Wir nehmen auch in diesem Geschäft weltweit eine führende Position ein. Wie wir gelegentlich sagen, verkaufen wir in unserem Geschäft mit Industriekunden in Tonnen. In unserem Geschäft mit Gourmetkunden verkaufen wir in Kilo. Deshalb ist der prozentuale Anteil am Gesamtvolumen oder Gesamtumsatz für uns nicht das entscheidende Ziel. Das Gourmet-Geschäft ist unser margenstärkstes Geschäft, und unser Hauptaugenmerk gilt somit der Marge.


Haben Sie eine Lösung für den Überhang an Kakaobutter am Markt?


Wir selber haben keinen Überhang, wir brauchen im Gegenteil sehr grosse Volumen für die Herstellung von Schokolade und kaufen sogar Kakaobutter hinzu. 


Wie sehr schaden Rohstoffspekulanten, von denen es ja seit Beginn des Rohstoffsuperzyklus› immer mehr gibt, der Wirtschaft?


Sie sind auf kurzfristige Profite aus und machen den Markt volatiler und weniger vorhersehbar. Ich habe aus ethischen Überlegungen persönlich generell Mühe mit Spekulation in Agrar-Rohstoffen. Aber in einer freien Marktwirtschaft werden wir mit ihnen leben müssen.



«Unsere Finanzierungskosten sind vergleichsweise moderat. Wir verfügen über eine gute und stabile Finanzierungsstruktur dank umfangreicher langfristig gesicherter Kreditlinien.»


Geht der Trend zu schwarzer, gesunder, glücklich machender Schokolade weiter?


Während der globalen Wirtschaftskrise haben viele Verbraucher eher zu einem günstigeren Produkt gegriffen, das halt vielleicht nicht 70% Kakao oder mehr enthält. Insgesamt aber – und wir sehen das bei unseren europäischen Gourmet-Produkten – hat sich dunkle Schokolade mit einem eher hohen Kakaogehalt in vielen Ländern gut etabliert. Daneben sehen wir auch einen Trend zu gesunder Schokolade. Als Innovationsleader im Schokoladenbereich haben wir auch Antworten darauf entwickelt, wie zum Beispiel unsere ACTICOA-Schokolade mit einem hohen Flavanolgehalt oder Schokoladen mit weniger Zucker und/oder weniger Fett.


Regional betrachtet läuft es zurzeit einzig in Russland und Japan für Barry unbefriedigend. Das sind zwei sehr unterschiedliche Märkte. Können Sie das Warum darlegen, damit sich die Moneycab-Leser ein Bild von den Gründen für die  Schwankungen am Kakaoabsatzmarkt machen können?


In Japan und Russland läuft die Wirtschaft schlecht. In Japan, einem absoluten Premiummarkt, schränken sich die Verbraucher stark ein. In Russland setzte die Rezession später ein als in Westeuropa, traf das Land und insbesondere seinen Mittelstand aber dann mit voller Wucht.


Ihr mit 350 Millionen sehr voluminöser 6%iger Eurobond läuft zwar noch bis 2017, aber bietet sich im gegenwärtig gerade für Unternehmensanleihen so niedrigen Zinsumfeld, nicht die Möglichkeit, günstige Finanzierungsquellen zu sichern?


Unsere Finanzierungskosten sind vergleichsweise moderat. Wir verfügen über eine gute und stabile Finanzierungsstruktur dank umfangreicher langfristig gesicherter Kreditlinien. Unser mit 6% verzinster Eurobond läuft weitere knapp 7 Jahre und hat sich auch während der Finanzkrise am Markt immer gut gehalten. Unsere syndizierte Bankkreditfazilität von 850 Mio Euro läuft noch über weitere knapp 3 Jahre. Zusätzlich zu dieser langfristig gesicherten Fremdfinanzierung stehen uns weiterhin auch umfangreiche kurzfristige Kreditfazilitäten zu aktuell attraktiven Konditionen zur Verfügung. Wir schöpfen den verfügbaren Kreditrahmen noch immer nur etwa zur Hälfte aus, was uns Sicherheit und langfristige Stabilität verleiht.


Welches könnte für Sie im Rahmen der nächsten Finanzzielperiode, also über 2011/2012 hinaus, das nächste grosse Investitionsziel sein?


Dürfen wir Sie schon heute an unsere Bilanzmedienkonferenz vom November 2012 einladen? Bei dieser Gelegenheit werden wir sehr gerne näher auf Ihre Frage eingehen! Noch haben wir alle Hände voll zu tun mit dem Füllen unserer verschiedenen neuen Fabriken, mit dem weiteren Ausbau unseres Gourmet-Geschäfts und mit der Analyse des Wachstumspotenzials weiterer Märkte wie etwa Indien oder Südamerika. Wir haben ambitiöse 3-Jahresziele – nämlich ein durchschnittliches Wachstum der Verkaufsmenge von 6-8% sowie eine mindestens gleich hohe durchschnittliche EBIT-Steigerung -, die wir in der laufenden Zeitperiode erfüllen wollen.





Der Gesprächspartner:
Jürgen B. Steinemann (1958) ist seit  gut einem Jahr CEO von Barry Callebaut. Davor war er Board-Mitglied von  Nutreco, einem grossen Niederländischen Nahrungsmittel- und Fischfutterkonzern, den er seit Oktober 2001 auch als COO managte.
Von 1999 bis  2001 war J. Steinemann CEO von Loders Croklaan, einem Spezialisten für Öle und Fette und von 1990 bis 1998 erfüllte er verschiedene leitende Positionen bei Eridania Beghin-Say.

Zum Unternehmen:
Seit über 150 Jahren produziert Barry Callebaut Kakao und Kakaoprodukte, vom Bezug der Rohstoffe bis zu Endprodukten und zwar für Nahrungsmittelproduzenten bis hin zum Einzelhandel.  1996 schloss sich  die Belgische Callebaut mit der Französischen Cacao Barry zusammen. Auf allen Kontinenten zuhause ist Barry Callebaut unbestrittener Weltmarktführer.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert