Kurt Rohrbach, CEO BKW FMB Energie AG

von Radovan Milanovic


Im Geschäftsjahr 2008 konnte die BKW Gruppe die Gesamtleistung um 24,2% auf 3,496 Mrd. CHF steigern, während das EBITDA um 14,2% auf 471,3 Mio. CHF anstieg. Der Nettogewinn ging jedoch um 38,9% auf 138,7 Mio. CHF zurück. Sie begründen den Rückgang des Nettoergebnisses unter anderem mit den kursbedingten Verlusten bei den Aktien auf den zu Marktwerten bewerteten Wertschriften im Stilllegungs- und im Entsorgungsfonds. Nach welchen Massgaben bemessen sich diese Beiträge und welche Gesellschaften äufnen diese Fonds?&


Gemäss Kernenergiegesetz sind die Betreiber von Kernanlagen verpflichtet, ihre radioaktiven Abfälle auf eigene Kosten sicher zu entsorgen. Sie sind gesetzlich verpflichtet, für diejenigen Kosten, welche nach der Ausserbetriebnahme der Anlagen anfallen, zwei unabhängige Fonds für die Kosten der Stilllegung der KKW sowie für die Kosten der Entsorgung der radioaktiven Abfälle zu äufnen. Drei der Kernkraftwerke, Beznau 1 und 2 und Mühleberg, gehören zu 100% den Unternehmen NOK und BKW und sind in diese Gesellschaften integriert. Die beiden neueren Kernkraftwerke Gösgen und Leibstadt dagegen sind Partneranlagen und gehören mehreren Eigentümern. Gemäss der entsprechenden Verordnung sind die Mittel der Fonds so anzulegen, dass ihre Sicherheit sowie eine angemessene Anlagerendite und die Zahlungsbereitschaft pro Kernanlage gewährleistet sind. Die Fonds stehen unter Führung und Aufsicht des Bundes. Die Unternehmen sind in den Verwaltungsgremien und Anlageausschüssen vertreten. Die Beiträge sind so bemessen, dass bei einer Nominalrendite von 5% und einer Teuerung von 3% die zu erwartenden Kosten gedeckt sind.


Am 4. Dezember 2008 haben die BKW FMB Energie AG und die Axpo beim Bundesamt für Energie Rahmenbewilligungsgesuche für zwei neue Schweizer Atomkraftwerke eingereicht. Was ist in der Zwischenzeit passiert?


Die beiden Rahmenbewilligungsgesuche werden gegenwärtig durch die Behörden geprüft. Parallel dazu hat die Resun AG, die gemeinsame Planungsgesellschaft der BKW und der Axpo, mit der Evaluation der Reaktortypen begonnen, die für die Ersatzkernkraftwerke Mühleberg und Beznau in Frage kommen. Weiter erarbeitet die Resun AG die beiden Baubewilligungsgesuche. Diese sind dann nach Erteilung der Rahmenbewilligung einzureichen.


Mit welchen Kosten rechnen Sie bei einer Realisierung des Projektes und wie wollen Sie dieses finanzieren?


Für den Bau eines Ersatzkernkraftwerkes in der Schweiz rechnen wir mit einem Betrag von 6 bis 7 Mia. CHF. Die Ersatzkernkraftwerke werden als Partnerwerke geplant und gebaut. Entsprechend werden sie sowohl mit Eigenkapital der Partner, als auch über Fremdkapital von Investoren finanziert werden.


Die neuen AKWs sollen mit Hybrid-Kühltürmen ausgestattet werden. Können Sie unseren Lesern die Funktionsweisen dieser Kühlturme und die Unterschiede zu den noch im Betrieb stehenden Kühltürme erklären?


Hybridkühltürme sind viel niedriger als herkömmliche, sogenannte Naturzugkühltürme. Statt der 160 bis 190 Meter, die ein Naturzugkühlturm in den Himmel ragt, wird der Hybridkühlturm des Ersatzkernkraftwerks Mühleberg bloss knapp 60 Meter hoch sein. Möglich machen dies Ventilatoren, welche den «Kamineffekt» des Naturzugkühlturms ersetzen und der feuchten Luft trockene und warme Luft zumischen. Deshalb stossen Hybridkühltürme kaum sichtbaren Dampf aus. Erkauft werden all die Vorteile damit, dass die forcierte Kühlung Energie benötigt und sich damit der Gesamtwirkungsgrad verschlechtert.


«Eine aktuelle Umfrage des Handels- und Industrievereins Bern in den Kantonen Bern, Freiburg und Neuenburg zeigt, dass die Bevölkerung den Ersatz der Kernenergie mehrheitlich unterstützt.» 


Aufgrund der Bewusstseinsänderung der Bevölkerung wegen der Ölpreisabhängigkeit, dem Öl-Peak und der Rezession dürfte die Gefolgschaft der Atomgegner geschmolzen sein. Können Sie diese Annahme bestätigen?


Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Eine aktuelle Umfrage des Handels- und Industrievereins Bern in den Kantonen Bern, Freiburg und Neuenburg zeigt, dass die Bevölkerung den Ersatz der Kernenergie mehrheitlich unterstützt. Wenn wir die gegenwärtig praktisch CO2-freie Stromproduktion in der Schweiz aus Wasserkraft und Kernenergie erhalten wollen, ist dieser Ersatz unabdingbar.


Plant die BKW Gruppe den weiteren Ausbau alternativer Energieproduktion wie Sonnenenergieanlagen (Stade de Suisse, Jungfraujoch) oder Windkraftwerke (Juvent im Berner Jura)?


Ja, die BKW investiert massiv in den Ausbau von erneuerbaren Energien. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 20% der vom Gesetz vorgegebenen 5.4 Terawattstunden (TWh) Strom aus erneuerbaren Energien zu produzieren, das ist mehr, als es ihrem gegenwärtigen Marktanteil in der Schweiz entspricht. Im gesamten Bereich der neuen erneuerbaren Energien bearbeitet die BKW-Tochtergesellschaft sol-E Suisse AG rund 200 Projekte.


Ist bei diesen Anlagen die die Gewinnschwelle bereits erreicht? 


Von den verschiedenen Technologien der neuen erneuerbaren Energien steht die Windenergie der Gewinnschwelle am nächsten. Andere Technologien wie Biomasse, Kleinwasserkraft oder Photovoltaik sind noch einen Schritt davon entfernt, die Kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) erlaubt jedoch immerhin die Gestehungskosten zu decken. Gerade bei Photovoltaikprojekten wie den Anlagen auf dem Jungfraujoch oder dem Klein-Matterhorn investieren wir vor allem unter dem Forschungsaspekt, die Wirtschaftlichkeit muss dort noch zweitrangig sein.


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EGL diversifiziert ihre Aktivitäten mit der TAP, der Trans Adriatic Pipeline, mit Riesenschritten. Konzentriert die BKW Gruppe ihre künftigen Aktivitäten ausschliesslich auf die Energieproduktion?&


Die BKW ist die grösste vertikal integrierte Energieversorgerin der Schweiz, das heisst, sie deckt die gesamte Wertschöpfungsstufe ab, von der Produktion über den Transport, den Vertrieb an die Endkunden bis zum Handel. Wir wollen, dass unsere Unternehmensbereiche auswogen wachsen. Dementsprechend investieren wir etwa auch gezielt in die Netzinfrastruktur, aber auch in neue Märkte wie den Gas- oder den CO2-Zertifikatehandel.


Mit der deutschen juwi-Gruppe haben Sie das Gemeinschaftsunternehmen BKWind gegründet um mehrere Windparks zu planen, zu bauen und zu betreiben. Dabei sollen an mehreren Standorten in Deutschland Windparks mit einer Gesamtleistung von 200 Megawatt entstehen, die etwa 100 Windturbinen neuster Generation entsprechen. Es ist geplant gewesen, dass ein erster Windpark in Rheinland-Pfalz bereits im Juli den Betrieb aufnehmen wird. Können diese Vorgaben eingehalten werden und wie gross ist das Gewinnpotential dieser Anlage?


Die Montagearbeiten haben sich auf Grund von ungünstigen Wetterverhältnissen etwas verzögert. Wir rechnen deshalb damit, dass der Park Anfangs August den Betrieb aufnehmen kann. Wir gehen davon aus, dass die Anlagen voraussichtlich mit 2050 Vollaststunden pro Jahr laufen werden.


Was für Auswirkungen hat die Öffnung des Strommarktes auf die BKW Gruppe?


Einige Grundsatzfragen aus der Verfügung des Regulators ElCom sind noch zu klären, etwa die Berechnungsbasis für die Netznutzungspreise oder die Weiterverrechnung der Kosten für die Reserveenergie. Um die nötige Rechtssicherheit zu schaffen, hat die BKW deshalb gegen diese Verfügung Beschwerde eingelegt. Grundsätzlich haben wir jedoch die Strommarktöffnung stets befürwortet. Wir haben uns umfassend und mit beträchtlichem Aufwand auf den Systemwechsel vorbereitet und sind gut gerüstet. Nun wollen wir Erfahrungen sammeln. Wir lehnen deshalb eine kurzfristige Änderung des Stromversorgungsgesetzes ab.


Wie sind die Stromproduzenten in der Schweiz geographisch organisiert?


In der Schweiz existieren rund 900 Elektrizitätsversorger, die Mehrheit davon ist ganz oder teilweise im Besitz der öffentlichen Hand. Zu dieser Vielzahl von Versorgern kommen Kantonswerke, welche zum Teil die lokalen Unternehmen beliefern, aber auch direkt bis zum Endkunden versorgen. Einige der Kantonswerke haben selber Kraftwerke, andere beziehen die Energie von Unternehmen wie Axpo oder Alpiq, die hauptsächlich Strom produzieren und handeln und sich ganz oder teilweise im Besitz dieser Kantonswerke befinden. Die BKW ist vertikal integriert, d.h. deckt die ganze Wertschöpfungskette von Produktion, Handel Verteilung und Vertrieb ab. Nur wenige Unternehmen sind wie die BKW börsenkotiert, wobei die BKW den grössten Publikumsanteil und Freefloat aufweist.


«Bei der Produktion wird es immer stärker um die Frage gehen, was wir unternehmen wollen, damit in der Schweiz keine Stromlücke entsteht. Für die BKW ist neben der Optimierung der Wasserkraftwerke und dem Ausbau der neuen erneuerbaren Energien der Ersatz der Kernkraftwerke Beznau und Mühleberg am alten Standort zentral.»


Wie sehen Sie die Entwicklung des Schweizerischen Strommarktes in den nächsten Jahren?&


Vorausgesetzt, dass sich der Strommarkt wie vorgesehen öffnet, ist eine weitere Kosolidierung innerhalb der Branche nicht auszuschliessen. Völlig offen ist, wie schnell dieser Prozess abläuft. Dabei werden auch die Entscheide des Regulators sowie die erwähnten Einsprachen gegen die Verfügungen im Netzbereich eine wesentliche Rolle spielen. Bei der Produktion wird es immer stärker um die Frage gehen, was wir unternehmen wollen, damit in der Schweiz keine Stromlücke entsteht. Für die BKW ist neben der Optimierung der Wasserkraftwerke und dem Ausbau der neuen erneuerbaren Energien der Ersatz der Kernkraftwerke Beznau und Mühleberg am alten Standort zentral.


Die BKW-Aktien haben in den vergangenen Monaten 40% nachgegeben. Sie weisen  jedoch immer noch ein erwartetes hohes KGV von 28 für das Geschäftsjahr 2009 auf. Trotz der Dividendenreduktion von 2.70 CHF auf 2.30 CHF weisen Sie ein Payout Ratio von fast 87% auf. Deuten diese Tatsachen auf ein wesentlich besseres erwartetes Ergebnis für 2009 hin?nbsp;


Die BKW-Gruppe rechnet für das laufende mit einem Umsatz im Rahmen des Vorjahres und mit einer stabilen Entwicklung des Energiegeschäftes. Allerdings dürften die tieferen Energiepreise auf den internationalen Märkten, die unsichere Konjunkturentwicklung und die neuen regulatorischen Vorgaben sowie die Aufwendungen für die strategischen Projekte ? insbesondere im Bereich des Produktionsausbaus und der Marktöffnung in der Schweiz ? das operative Ergebnis belasten. Das Finanzergebnis ist abhängig von der Entwicklung der Finanzmärkte.





Der Gesprächspartner
Kurt Rohrbach, Elektro-Ingenieur ETH, ist seit 1980 für die BKW tätig. Von 1980 bis 1988 war er Energiewirtschafts- und Projektingenieur und von 1988 ? 1982 Leider der Tarifabteilung. 1992 ? 2001 leitete er die Energiedirektion und amtete gleichzeitig Geschäftsleitungsmitglied. 2001 wurde Herr Kurt Rohrbach als CEO ernannt.


Neben seiner Funktion bei der BKW ist er Präsident des Verbands schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) und Mitglied des Vorstandes des Handels- und Industrievereins des Kantons Bern. Bis Ende 2000 leitete Kurt Rohrbach die Energiedirektion der BKW.


Das Unternehmen
Die BKW FMB Energie AG (BKW) gehört mit 24 Terawattstunden Energieumsatz und rund 2800 Mitarbeitenden zu den grossen Energieunternehmen der Schweiz. Sie deckt alle Stufen der Energieversorgung ab: von der Produktion über Transport und Handel bis hin zum Vertrieb. Die BKW liefert in rund 400 Gemeinden einer Million Personen Strom. Der BKW Produktionspark umfasst Wasserkraftwerke, ein Kernkraftwerk, ein Gaskombikraftwerk und Anlagen mit neuen erneuerbaren Energien. Heute ist die BKW die führende Schweizer Produzentin von Strom aus Fotovoltaik, Windenergie, Kleinwasserkraft und Biomasse.

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