Lage bei AIG ist angeblich akut – Rettungsaktion läuft an

Eine Pleite des bis vor kurzem weltgrössten Versicherers könnte ein Erdbeben an den weltweiten Finanzmärkten auslösen, denn AIG spielt für die gesamte Geldbranche eine wichtige Rolle bei der Risikoabsicherung. Dem Zeitungsbericht zufolge arbeiten die beiden US-Grossbanken JPMorgan und Goldman Sachs mit Unterstützung der US-Notenbank Fed fieberhaft daran, für AIG ein Kreditpaket von 70 bis 75 Milliarden Dollar zu schnüren. Am Wochenende habe der Bedarf an frischem Kapital bei AIG noch bei 40 Milliarden Dollar gelegen. Mit der Zuspitzung der Krise angesichts des Insolvenzantrags der Investmentbank Lehman Brothers habe sich die Lage von AIG aber verschlechtert.


Ratingagenturen stufen ab
Weiteres Ungemach kam mit der Herabstufung des AIG-Kreditratings durch die führenden Ratingagenturen. Ein niedrigeres Rating verteuert die Kreditaufnahme, zwingt zu einer höheren Absicherung und gefährdet die Beziehungen zu Geschäftspartnern, da in vielen Verträgen eine gewisse Mindestbonität festgeschrieben ist. Die Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch gestehen AIG statt einer sehr guten bis guten Bonität nur noch eine gute bis befriedigende Zahlungsfähigkeit zu. Allein dadurch muss der Versicherer schätzungsweise zusätzliche 14,5 Milliarden Dollar auftreiben.


Das Resultat riskanter Finanzgeschäfte
Das eigentliche Versicherungsgeschäft von AIG läuft nach Einschätzung von Branchenexperten grösstenteils gut. Die lebensbedrohlichen Probleme stammen vor allem aus riskanten Finanzgeschäften, die der Konzern wie eine Investmentbank betrieb. Der Versicherer war unter anderem stark bei der Absicherung von Immobilienkrediten engagiert und wird deshalb von der Hypothekenkrise hart getroffen. In den vergangenen drei Quartalen erlitt AIG wegen der Kreditkrise Verluste von insgesamt 18 Milliarden Dollar (13 Mrd Euro) und wechselte seinen Chef aus. Erschwerend kommt aktuell hinzu, dass sich der Konzern hohen Schäden durch die Wirbelstürme «Ike» und «Gustav» gegenübersieht, die jüngst über die USA hinweggefegt sind.


AIG-Aktie im freien Fall
Die AIG-Aktie hatte am Montag mehr als 60 Prozent an Wert verloren und schloss bei 4,76 Dollar. Die Talfahrt ging am Dienstag vorbörslich weiter. Von dem Unternehmen war nach entsprechenden Medienberichten ein Sanierungskonzept erwartet worden, das aber bisher ausblieb. Angeblich erwägt AIG unter anderem den Verkauf des weltgrössten Flugzeugleasing-Unternehmens ILFC. In einem Medieninterview sagte David Paterson, Gouverneur des US-Bundesstaats New York, ein Scheitern des US-Versicherungskonzerns würde ein «katastrophales Problem» für den Markt bedeuten und AIG habe «einen Tag», um seine Probleme zu lösen.


Am Montag hatte AIG Schützenhilfe vom Bundesstaat New York bekommen, in dem der Konzern seinen Sitz hat. Gouverneur Paterson hatte dem Konzern erlaubt, auf Vermögenswerte seiner Töchter in Höhe von 20 Milliarden Dollar zuzugreifen und sich so finanziell Luft zu verschaffen.


Keine staatliche Hilfe zu erwarten
Paterson nannte AIG ein «gesundes Unternehmen», das derzeit allerdings Liquiditätsschwierigkeiten habe. Einst der grösste Versicherer der Welt, haben die französische Axa und die deutsche Allianz die Amerikaner mittlerweile von der Marktkapitalisierung her überholt. Von Washington hat AIG in dieser lebensbedrohlichen Lage wohl keine Hilfe zu erwartet. US-Finanzminister Henry Paulson sagte, die Suche des Versicherers nach Kapital sei «ein Bemühen des privaten Sektors».


Am Montag hatte die US-Investmentbank Lehman Brothers Gläubigerschutz beantragt. Dies war der vorläufige Höhepunkt der Finanzkrise. Bislang hat sie schon mehrere kleinere US-Institute in die Pleite getrieben, grosse Banken wurden geschluckt, Hypothekenfinanzierer mit staatlichen Milliarden gestützt. Neben der AIG gilt die Sorge der Märkte derzeit auch der grössten US-Sparkasse Washington Mutual.   (awp/mc/pg/18)

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